Leere Versprechen

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Dhiraj Sabharwal beschreibt in seinem Editorial, weshalb das historische Treffen zwischen der süd- und nordkoreanischen Staatsspitze am Ende zu wenig führen wird.

Reich an Symbolik, dünn an Ergebnissen: das Gipfeltreffen zwischen Moon Jae-in und Kim Jong-un ist das dritte seiner Art, das an viele Versprechen geknüpft ist, deren konkrete Umsetzung hingegen nur schwer vorstellbar ist. Die Staatschefs von Nord- und Südkorea haben gestern bewiesen, dass Diplomatie Menschen rund um die Welt bewegen kann – ohne dass wirklich etwas passiert. Denn Kim und Moon mögen sich auf eine atomwaffenfreie Halbinsel geeinigt haben, doch hier sei die Frage erlaubt: Welcher Mechanismus zur Überprüfung soll hierfür eingesetzt werden? Auch ein Friedensvertrag wäre sinnvoll und beide Seiten können ihn sich noch so sehnlich herbeiwünschen, doch ohne die Einwilligung der Schutzmächte USA und China wird er nie Realität. Und genau hierin liegt die Brillanz der gestrigen TV-Diplomatie: Alles Händchenhalten dieser Welt wird die beiden Koreaner nicht an ihr Ziel führen, da nur Washington und Peking einen echten Waffenstillstand garantieren und ermöglichen können. Allerdings dürfte dies angesichts der geopolitischen Gemengelage nicht im Interesse der beiden Politschwergewichte sein.

Die Zeit wird zeigen, ob China die USA als lächelnden Wirtschaftshegemon auf globaler Ebene ablösen wird. Doch so viel steht fest: Eine Wiedervereinigung von Nord- und Südkorea würde sowohl US-Präsident Donald Trump als auch Chinas Präsidenten Xi Jinping schwächen. Gerade die USA fürchten sich um ihren sinkenden Einfluss, der bereits in Nahost zum Teil Realität ist. Der Abzug der US-Truppen aus Südkorea würde den Einfluss Washingtons in Asien erheblich schwächen. Auf der anderen Seite hält China an seiner Marionette Nordkorea fest, weil sie als Pufferstaat zwischen Peking und dem US-Alliierten Seoul dient. Gerade diese komplexe Beziehung verdeutlicht, weswegen der gestrige Gipfel zwar vielen Menschen Hoffnung schenkt und sinnvoller als der x-te Raketentest ist. Dennoch muss man das Treffen vor dem Hintergrund der amerikanisch-chinesischen Einflusssphäre betrachten und erkennen, dass die Chinesen seit längerem die klügeren Taktiker in ihrem Hinterhof sind.

Denn Peking verspricht sich vom abrupten Kurswechsel des nordkoreanischen Machthabers vor allem eins: nicht Frieden, sondern eine wirtschaftliche Erholung Nordkoreas und damit eine Stabilisierung seines Regimes, das den Volkszorn und -hunger in Grenzen halten kann. Alles andere spielt eine beiläufige Rolle. Nicht von ungefähr gehen die Vereinten Nationen davon aus, dass das Regime in Pjöngjang die internationalen Sanktionen mit einer komplizierten Struktur aus Firmen rund um die Welt umgeht, weil es Zugang zum Bankensystem hat. Auch der grenzüberschreitende Waffenhandel funktioniert deshalb immer noch. Auf der anderen Seite zeigen die Amerikaner, dass auch sie keine Friedenstauben sind. Denn gestern mögen Nord- und Südkorea vereinbart haben, alle feindlichen Akte zu unterlassen, die zu militärischen Konflikten oder Spannungen führen. Dabei ist es gerade die NATO-Speerspitze Washington, die mit dem Verbündeten Südkorea gemeinsame Militärmanöver durchführt, die in Nordkorea als feindlicher Akt wahrgenommen werden. Ein vereintes Nord- und Südkorea bleibt somit bis auf weiteres Wunschdenken.

Tom Haas
29. April 2018 - 14.58

Die Annäherung zwischen Nord- und Südkorea ist keinesfalls als humanitäres Wunder misszuverstehen. Wer einen Mauerfall à la DDR erwartet, irrt. Denn eine diplomatische Anbiederung an den Westen stärkt die Stabilität des Regimes, statt es zu schwächen. Sobald Nordkorea sein unmittelbares Gefahrenpotenzial für die westlichen Industrienationen verloren hat (Abbau des Atomprogramms), wird sich das Land wie allerlei andere Schurkenstaaten einfach in die Reihe geduldeter totalitärer Regime eingliedern. Der internationale humanitäre Druck auf Nordkorea gleicht dann dem Druck auf Saudi Arabien; er existiert faktisch nicht. Ist Jong-Uns Entgegenkommen ferner an das Aufheben von Wirtschaftssanktionen gekoppelt, federt das ebenfalls die Destabilisierung des Regimes ab, die in den letzten Jahren schleichend zunahm. Die Terrorherrschaft gewinnt letztlich an Legitimität und Handlungsfähigkeit, und die innerstaatlichen Menschenrechtsverstöße bleiben so ungeahndet wie es die der NSDAP geblieben wären, hätte man damals auf den Angriffskrieg verzichtet.

Pierre Ravarin
29. April 2018 - 5.39

"Lehre Versprechen" haben wir auch zu erleiden. Bis Oktober. Werden danach abgelöst durch "Faule Ausreden"!