200.000 Grenzgänger: Die Frage des qualitativen Wachstums in der Luxemburger Wirtschaft

200.000 Grenzgänger: Die Frage des qualitativen Wachstums in der Luxemburger Wirtschaft

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die Marke von 200.000 Grenzgängern dürfte Luxemburg mittlerweile überschritten haben. Laut Statec zählte das Land im April 199.736 Personen, die täglich zum Arbeiten die Grenze überqueren. Einen Monat zuvor waren es 198.838, im Januar 196.997. Insgesamt hat sich die Zahl der Grenzgänger seit 1985 verzehnfacht.

Im Schnitt schafft der Luxemburger Arbeitsmarkt 1.000 neue Stellen pro Monat. Die große Mehrheit von ihnen wird von Grenzgängern besetzt. Fast jeder zweite Angestellte hierzulande überquert mittlerweile täglich die Grenzen.

Diese Entwicklung zeugt von der guten Verfassung der Luxemburger Wirtschaft. Zudem treibt sie das Wachstum und die eingenommenen Steuern weiter in die Höhe. Sie gibt dem Land Mittel für neue Zukunftsinvestitionen.

Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht. Luxemburg, das für sein Wachstum somit von einer Zunahme der Zahl der Grenzgänger abhängig ist, wird vom Erfolg regelrecht überrollt. Der tägliche Stau zeigt die Grenzen des Modells. Für die Umwelt und jeden auf den Straßen.

Zum Vergleich: Die Schweiz zählt 316.758 Grenzgänger. Sie hat jedoch deutlich mehr als acht Millionen Einwohner.

Auch in den angrenzenden Regionen, wo der Wohlstand zwar steigt, die Dörfer sich aber zu Schlafstätten entwickeln und die neuen Bürger Schulen und Krankenhäuser wollen, bringt dieses Modell Schwierigkeiten. Wer soll diese ganze Infrastruktur finanzieren? Gerne gedacht wird dabei an Luxemburg.

Doch auch für Luxemburg ist dieses Wachstumsmodell komplex. Satte 12,2 Milliarden Dollar hatten Arbeitskräfte 2017 laut Weltbankzahlen aus Luxemburg ins Ausland überwiesen. Damit liegt Luxemburg weltweit auf dem 12. Platz – unter anderem hinter Katar, Korea und vor den Niederlanden. Europa plant derzeit, dass Arbeitslose künftig dort Geld erhalten, wo sie zuletzt gearbeitet haben. Hinzu kommen die künftigen Kosten für die Renten, von denen der Staat nicht (oder kaum) auf Mehrwertsteuereinnahmen hoffen darf.

Das alles muss weiter finanziert werden. Da sich niemand Kürzungen wünscht, wird die Wirtschaft weiter wachsen müssen. Da dieses Wachstum nicht aus der eigenen Kraft kommt, wird die Zahl der Grenzgänger weiter steigen müssen. Straßen und Schienennetz werden weiter ausgebaut werden müssen.

Alternativ könnte der Staat versuchen, das Wohnen im Land attraktiver zu gestalten. Zigtausende neuer Bürger ins Land holen. Das jedoch würde andere Schwierigkeiten und Diskussionen mit sich bringen.

Hoffen könnte man noch auf die Versprechen der Digitalisierung. Technischer Fortschritt müsste neues Wachstum möglich machen, ohne dass dafür mehr Arbeitskraft benötigt wird.

Mittelfristig wird sich dem Land die Frage des qualitativen Wachstums wieder aufdrängen. Und das auch, wenn keine Wahlen sind.

Paula
21. Mai 2019 - 22.12

„ Da sich niemand Kürzungen wünscht ....“ Da bin ich mir nicht so sicher. Man sollte die LuxemburgerInnen doch einmal fragen: „ Wollt ihr diesem unverantwortlichen Wachstum ein Riegel vorschieben und wieder eine bessere Lebensqualität haben? Würdet ihr dafür etwas weniger Rente und etwas weniger Sozialstaat akzeptieren?“ Die Antwort könnte überraschen.

de bouferpapp
21. Mai 2019 - 19.05

Es geht immer die Rede von mehr Wachstum, als ob das Wachstum ein eigenständiges Wesen wäre. Dahinter aber stehen Menschen, die davon profitieren und uns weismachen wollen, dass es ohne nicht geht und dabei andere Menschen ausbeuten. Alles MUSS, nach dem Prinzip, es muss etwas geschehen, und mit diesem müssen machen wir mehr kaputt als uns recht ist. Die Bäume wachsen nun einmal nicht in den Himmel und alles hat ein Ende bis auf die berühmte Wurst. Waren das noch beschauliche Zeiten als die meisten einheimischen Arbeitnehmer bei der Arbed, der Bahn oder sonstwie beim Staat beschäftigt waren! Es ist müssig zurückzublicken aber es wäre sehr sinnvoll bewusster die Zukunft zu gestalten und nicht mit offenen Augen in die unausweichliche Katastrophe zu rasen.

Erny
21. Mai 2019 - 14.46

De Problem as léisbar. Mir musse baue wéi Hong Kong an kucken, dass mer vun iergendswou Waasser importéiert kréien.

Cornichon
21. Mai 2019 - 10.32

Die Frage des qualitativen Wachstums ist noch immer aktuell und wird es meiner Meinung nach auch immer bleiben. Die Frage die sich fast jeder Luxemburger stellt ist doch: Wie kann ich auswandern ohne mein Gehalt zu verlieren?

de Schmatt
21. Mai 2019 - 10.13

Ein schier unlösbares Problem, das auch mit einem Riesenzuwachs an Wohnungen nicht behoben werden kann. Die Leute müssen so oder so zu ihren Arbeitsstätten. Das alles geht nur auf Kosten der Lebensqualität des Einzelnen und hat nicht nur nefaste Auswirkungen auf die Umwelt sondern auch auf die Gesundheit der Menschen. Wir werden wohl unserem Wohlstand auf kurz oder lang einen hohen Tribut zollen.