Gezeichnete Moment-Aufnahmen

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Der freischaffende Künstler Pit Wagner hat als Gerichtszeichner die meisten der 176 Verhandlungstage, die der „Bommeleeër“-Prozess dauerte, verfolgt und das Geschehen in der "Salle d’audience" mit Bambusfeder und Ölstift festgehalten.

Sein kürzlich erschienenes Buch ist eine einzigartige Dokumentation über das bislang längste Verfahren in der Luxemburger Justizgeschichte.

Info

Pit Wagner:
„De Bommeleeër-Prozess:
… eng Staatsaffär“ (Deel 1)

Verlag:
Mundo Liebre
128 Seiten
32 x 24 cm
39 Euro

Kontakt
Tel.: (+352) 691 789 629
info@pitwagner.lu
www.pitwagner.lu

„Eigentlich hatte ich gar nicht vor, ein Buch über den Prozess herauszubringen. Schließlich sollte er ja auch ’nur‘ drei Monate dauern …“, sagt Pit Wagner. Dass daraus dann rund anderthalb Jahre werden würden (und das Verfahren immer noch nicht abgeschlossen ist), konnte er genauso wenig ahnen wie alle anderen. „Das stand nicht auf meinem Programm.“

Immerhin, so erzählt der Künstler, der das wohl spektakulärste Gerichtsverfahren in Luxemburg im Laufe der Zeit auf mehreren Hundert Zeichnungen festhalten sollte, sei es von Anfang an sehr spannend gewesen.

Spiegelbild der Gesellschaft

Der Bommeleeër-Prozess war übrigens nicht sein erster. Pit Wagner hatte schon vorher als Gerichtszeichner Erfahrungen gesammelt. Seit 2008 wohnte er – sei es im Auftrag von Zeitschriften und Zeitungen oder auch aus eigener Initiative – in unregelmäßigen Abständen Verhandlungen bei. „Das Ganze interessiert mich, auch in philosophischer Hinsicht. Was ist Wahrheit? Was ist Gerechtigkeit? Was ist Recht? Wie funktioniert die Justiz? Schließlich ist das Ganze ein Spiegelbild der Gesellschaft, wenn auch ein extremes. Kein schönes Spiegelbild: Verbrechen, Unfälle, dubiose Machenschaften. Und schlussendlich ist es Politik. Denn die Gesetze, nach denen die Richter handeln, werden von Politikern gestaltet. Von Politikern, die die Gesellschaft wählt“, erklärt er.

Doch nicht nur diese Aspekte faszinieren Pit Wagner an der Arbeit des Gerichtszeichners. „Es ist auch eine echte Herausforderung, so zu arbeiten. Du weißt nie genau, wie lange die Protagonisten, die zu Blatt bringen willst, vor dem Richter stehen werden. Fünf Minuten? Eine halbe Stunde? Zwei Stunden? Du musst sehr schnell sein. Und das definiert auch deinen Zeichenstil.“

Der Künstler zeichnete oft auf zwei oder gar drei Skizzenblöcken gleichzeitig, um möglichst authentische Momentaufnahmen von dem Verfahren festzuhalten. Meist fertigte er zunächst eine schematische Skizze der Gesamtsituation an, und je länger die Befragung des jeweiligen Zeugen beziehungsweise Angeklagten dauerte, desto mehr Details konnte er hinzufügen. „Es kann auch schon mal vorkommen, dass zwei Personen auf einem einzigen Blatt nebeneinander zu sehen sind, obwohl sie nicht zusammen vor dem Richter standen, sondern nacheinander. Das liegt daran, dass ich noch an der detaillierteren Ausführung des ersten Protagonisten arbeite, während ich bereits gleichzeitig seinen Nachfolger abbilde. Die Szene ist dann zwar noch realistisch, aber es ist eine andere Art von Realismus.“

Realismus

Stichwort Realismus. Pit Wagner ist kein Karikaturist. Er versucht, die Menschen so darzustellen, wie sie wirklich sind. Auch das macht bei dieser Tätigkeit einen besonderen Reiz aus. Mit wenigen Federstrichen jemanden so darzustellen, dass man ihn erkennt, ist nicht leicht. Pit Wagner gelingt es meisterhaft, die Charakterzüge der Dargestellten in seinen Zeichnungen deutlich zu machen.

Für das Buch „de Bommeleeër-Prozess … eng Staatsaffär, 1. Deel“ hat er eine Auswahl seiner Zeichnungen zusammengestellt, um die ersten 96 Tage des Verfahrens zu beleuchten. Kurze Texte auf Luxemburgisch liefern die Erklärungen zu diesen Momentaufnahmen. Ein ebenso spannendes wie künstlerisch wertvolles Buch, ein gelungener Spagat zwischen Reportage und Kunstbuch, das in allen Buchhandlungen sowie beim Künstler selbst erhältlich ist.

Pit Wagner arbeitet derzeit am „2. Deel“. Ein genaues Erscheinungsdatum gibt es noch nicht.