Ein Dialog der Kulturen

Ein Dialog der Kulturen
(Wolfgang Klauke)

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Weltkulturerbe unter sich. Nach den Retrospektiven über die Kelten und die Inkas empfängt die Völklinger Hütte seit Juli die Hochkultur des Alten Ägypten.

Die rund 250 hochkarätigen Exponate spannen einen zeitlichen Bogen von der Gründung des altägyptischen Staates bis zu seiner Eroberung durch Rom. Genauso interessant wie das Eintauchen in die alte Zivilisation ist aber auch der Dialog mit der mehr als hundertjährigen Industriekultur aus unserer Gegend.

Königssohn aus der Regierungszeit von Pharao Ramses II. (Bild: Hans-Georg Merkel)

Ägypten – Götter. Menschen. Pharaonen.

Meisterwerke aus dem Museum Egizio Turin

Noch bis zum 22. Februar 2015

Öffnungszeiten

Sommer: Täglich von 10 bis 19 Uhr
Winter: Täglich von 10 bis 18 Uhr

Eintrittspreise

Bis 18 Jahre frei
Bis 27 Jahre zum ermäßigten Tarif (13 Euro)
Normal 15 Euro

Besucherservice
Tel. +49-6898-9 100 100
visit@voelklinger-huette.org

Mumien, Särge, Grabsteine, Hieroglyphen. Statuetten von Stadtschreibern, Fruchtbarkeitssymbole, Papyrussandalen. 250 kostbare Zeugen einer vergangenen Hochkultur. Sie stehen zwischen den gigantischen Gebläsemaschinen, die von der industriellen Hochkultur des Saarlandes übrig geblieben sind. Der Dialog zwischen den auf Hochglanz polierten Maschinen und den alten Zeitzeugen ist perfekt, harmonisch gehen Industriekultur und Ägyptologie aufeinander zu. Der Dialog schein auch zu klappen: Mehr als 30.000 Besucher haben sich die Ausstellung seit ihrer Eröffnung am 25. Juli bereits angesehen. Den Autokennzeichen vor der Museumstür nach zu deuten sind es viele Deutsche, aber es waren auch Franzosen, Belgier, Niederländer und erstaunlich viele Luxemburger Nummernschilder zu sehen.

Geschichten aus vier Jahrtausenden

Für die Geschäftsleitung des Weltkulturerbes war es eine Chance, dass das Egizio-Museum in Turin, das älteste ägyptische Museum in der Welt mit einer der international bedeutendsten Sammlungen altägyptischer Kultur, gegenwärtig umgebaut wird und seine Schätze damit verfügbar waren.
Nicht ohne Stolz weist man in Völklingen darauf hin, dass nahezu alle Leihgaben erstmals in Deutschland und darüber hinaus in Mitteleuropa zu sehen sind. Insgeheim hofft man, mit den ägyptischen Schätzen den Erfolg der Ausstellung „Die Kelten – Druiden. Fürsten. Krieger“ (mit fast 200.000 Besuchern) wiederholen, ja vielleicht noch toppen zu können.

Viertausend Jahre altägyptische Hochkultur. Die Entdeckung der Ausstellung, die sich über 4.000 Quadratmeter erstreckt, beginnt mit den zeitgenössischen Fotoarbeiten des renommierten Fotografen Helmut R. Schulze. Sie zeigen das heutige Ägypten, genau wie das Erbe der Pharaonenzeit in Grabanlagen und Museen und wecken allein damit schon Neugier und Reiselust.

Eine Zeittafel mit den einzelnen alten Hochkulturen steckt dann den zeitlichen Rahmen, erlaubt einen Vergleich zwischen chinesischen, mesopotamischen, altjüdischen sowie griechischen und römischen Epochen.

Mit diesen Grundkenntnissen ausgestattet, taucht der Besucher in das Alte Ägypten ein, bewundert Keramiken, die noch aus der Zeit vor der Gründung des altägyptischen Staates stammen. Sie belegen, dass es bereits vier Jahrtausende vor Christus und damit noch vor der politischen Vereinigung eine kulturelle Einheit im Norden und Süden Ägyptens gab. Die Ausstellung zeigt auch einen Holzsarg, der 4.500 Jahre alt ist, sowie Sandalen aus Papyrus, die vor rund 3.000 Jahren hergestellt wurden. Sie endet mit Kunstobjekten aus der ptolemäischen Zeit, die die Vermischung der ägyptischen und der hellenistischen Kultur zeigen.

Totenkult der Pharaonen

Die Kunst im Alten Ägypten hatte ihre Hauptaufgabe in der Verherrlichung des göttlichen Pharaos. Der Pharao stammte nach altägyptischer Vorstellung von den Göttern ab. Zahlreiche Statuetten zeigen Götter wie Horus, Thot oder Anubis.

Die Ausstellung zeigt aber auch den Alltag: Ein großes Kapitel ist den Schminkutensilien gewidmet und erzählt, wie und weshalb Männer und Frauen sich schminkten. Ein weiteres Exponat der Alltagskultur ist die Kopfstütze, die die Ägypter zum Schlafen benutzten. Ausführlich beschäftigt sich die Ausstellung auch mit dem sehr hoch entwickelten Toten- und Begräbniskult. Der Übergang vom Leben zum Tod und das Leben nach dem Tod spielten bei den alten Ägyptern eine herausragende Rolle, die bis heute fasziniert. Särge aus verschiedenen Epochen, Totensteine und Bestattungspapyri und natürlich Mumien sind ausgestellt. Die Ägypter glaubten in der Tat an eine rituelle Wiederbelebung und legten deshalb sehr großen Wert auf einen unversehrten Körper. Deshalb wurden hochrangige Verstorbene mumifiziert. Organe wie die Leber, die Lunge oder das Herz wurden einzeln mumifiziert und dann in eigenen „Kanopenkrügen“ aufbewahrt.

Die Ausstellung zeigt eine Welt, die uns teilweise recht fremd erscheint. Die gekonnte Inszenierung, die klar verständlichen Erklärungen, die jede einzelne Etappe begleiten, machen den Besuch jedoch zu einem unvergleichlichen Erlebnis. Der aufmerksame Gast verspürt auf der einen Seite die Entdeckungs- und Abenteuerlust, die einen Ägyptologen wie den Begründer des Museums, Ernesto Schiaparelli, bei seinen Ausgrabungen umgetrieben hat.

Gleichzeitig wird er mit dem Zeugnis einer ganz anderen Menschheitsepoche konfrontiert. Obwohl beide Zeitalter sehr weit auseinander liegen und kaum Gemeinsamkeiten aufweisen, haben die Konzeptoren der ehemaligen Gebläsehalle es fertiggebracht, sie harmonisch miteinander zu verbinden. Und dieser marginale Aspekt ist die knapp einstündige Autofahrt nach Völklingen genauso wert wie die Entdeckung der Götter, Menschen und Pharaonen des alten Ägypten.