Stilwechsel: Wie sich der junge Maler Julien Hübsch neu erfindet und Konventionen über Bord wirft

Stilwechsel: Wie sich der junge Maler Julien Hübsch neu erfindet und Konventionen über Bord wirft

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Er ist beileibe kein Unbekannter in der Luxemburger Kunstwelt. Schon seit 2012, als er noch Schüler der „E-Sektioun“ des Escher „Jongelycée“ war, stellt er regelmäßig aus. Die Rede ist von Julien Hübsch, dem Maler, der in den letzten Jahren mit seinen neo-expressionistischen Gemälden viel Aufsehen erregt hat. Die Werke, die dieses Jahr entstanden sind, muten jedoch radikal anders an. Wieso die Abkehr vom Bewährten? Was verbirgt sich hinter dem neuen Stil?

Von Luc van den Bossche

Der Bruch könnte kaum deutlicher sein: Die bedrückenden Atmosphären, die dunklen Farben, die deformiert wirkenden Figuren, die überwältigenden, fast überladenen Kompositionen, in denen oftmals Textelemente verarbeitet sind, kurzum all das, was bislang die Gemälde des 24-jährigen Malers ausgemacht hat, ist verschwunden. An ihre Stelle sind Blau und Weiß getreten, klare, abstrakte Formen, schnörkellose Kompositionen, bei denen eine gewisse Kälte spürbar ist. Und das ist durchaus gewollt.

„Ich hatte genug von sehr persönlichem Herumgemale, keine Lust mehr, mich bloßzustellen“, erklärt Julien Hübsch. Der Stilwechsel, der mit dem Beginn eines Kunststudiums in Mainz zusammenfällt, ist der Ausdruck einer vollkommen überdachten Sicht auf Kunst und auf die Herangehensweise an sie.

Eine konsequente Analyse der Kunst

„Ich habe mich mit den einzelnen Bestandteilen eines Gemäldes auseinandergesetzt“, erläutert Hübsch, „Farbe, Form und Material einzeln betrachtet, herausgenommen, analysiert und wieder eingefügt.“

Was nun im Vordergrund stehe, sei das Verhältnis zwischen den einzelnen Elementen. „Aus der Analyse eines jeden Teils erschließt sich, wie ich das jeweils nächste verwende.“

Die Wahl der kühlen Primärfarbe Blau entspricht dabei der analytischen Kälte der Herangehensweise: „Rot ist zu konnotiert, zu beladen, damit wäre keine ‚cleane‘ Arbeit möglich. Dasselbe gilt für Gelb, das zu schrill und in seinen Abstufungen zu natürlich ist.“ An Blau schätze er, neben seiner Erkennbarkeit, die Widersprüchlichkeit, denn die Farbe sei einerseits fundamental künstlich und andererseits überall in der Natur zu sehen.

Aus dem eigenen Stil ausbrechen

Neben dem Gefühl, im eigenen Stil gefangen zu sein, spielte bei der Entstehung dieses Ansatzes Hübschs Interesse für Design und Grafik eine nicht unerhebliche Rolle. „Das Interessante hier ist, dass es ja eigentlich nur Komposition ist. Zudem gibt es in diesem Bereich – anders als in der traditionellen Kunst – richtig und falsch.“ Und mit der Tradition will er, mehr noch als zuvor, brechen. „Langweilige Konventionen“ über Bord werfen. Vor allem, was das Konzept Gemälde betrifft.

„Bei meinen früheren Werken war ziemlich klar, dass es Gemälde sind.“ Nun soll es mehr sein als „2D an der Wand“. „Ich versuche, den installativen Aspekt der Malerei hervorzuheben, den Raum miteinzubinden.“ Diesen Ansatz und den, Bilder eher zu bauen als zu malen, habe er erstmals 2017 im Rahmen der Ausstellung „Uecht“ des Künstlerkollektivs Cueva verfolgt.

Für seine „blaue Phase“ hat er sich eigens eine blaue Textilfarbe gemischt. Die sei aber, wie er lachend anmerkt, patentfrei. Also leider (noch) kein „ihb“ („International Hübsch Blue“). Diese Farbe bildet die Grundlage für seinen neuen Arbeitsprozess. Auf die erste Farbschicht wird per Spraydose eine zweite Schicht aufgetragen, indem der Farbbehälter zum Explodieren gebracht wird. Die dritte und letzte Schicht besteht aus herkömmlicher Wandfarbe.

Ihm ist diese „Hierarchie“ im Vorgehen, die Klarheit des Prozesses wichtig. „Ich kann nicht mehr mogeln“, meint er dazu. Bei seinen vorherigen Werken habe er oftmals „Lücken gefüllt“, kompositorisch improvisiert.

Künstlerisches Können statt „Self-expression“

Das Seriale, „Automatisierte“ dieses künstlerischen Vorgangs steht im klaren Kontrast zu seiner bisherigen Arbeitsweise, die er selbst als „hektische Powerarbeit“ bezeichnet, und erlaubt ihm, das reine künstlerische Können in den Vordergrund zu stellen. Bewusst das Autobiografische auszuklammern. „Malen bleibt eine persönliche Erfahrung, aber dadurch, dass meine neuen Bilder eine gewisse Kälte in ihrer Wirkung haben, drängen sie niemandem eine Botschaft auf.“ Künstlerische Güte und Interpretationsspielraum statt „zu entschlüsselnden“ Erlebnissen.

Selbstporträt des Künstlers

Insgesamt sieht der Künstler im Stilbruch so einen Wandel seiner Rolle. Vom „passiven“ Warten auf zu verarbeitende Eingebungen hin zu einer „aktiven“ Auseinandersetzung mit dem Arbeitsprozess an sich. Dabei sei die Wiederaufnahme des Studiums ausschlaggebend gewesen. „Irgendein Wechsel war nötig, meine Arbeit wäre nicht so gut, wenn ich in Luxemburg geblieben wäre.“

Denn die Kunst wächst mit dem Künstler, jede Veränderung im Leben habe einen mehr oder weniger großen Einfluss auf die kreative Tätigkeit. Und er weiß, dass auch dieser Stil nur eine Phase seines Schaffens sein wird. Aber noch ist er motiviert, noch ist viel „auf diesem Feld zu machen“.