Der alte Mann und die Liebe

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Der Journalist Hilmar König berichtet in „Apsara. Das Wolkenmädchen und der alte Mann“ von der ungewöhnlichen Liebe einer Inderin und eines Deutschen. Sie hat ihre Beine verloren, wurde vergewaltigt. Er wird von ihrer Schönheit angezogen.

Von unserem Korrespondenten Roland Mischke

Immer wieder berichten die Medien von grausamen Vergewaltigungen in ländlichen Regionen, aber auch Städten Indiens. Frauen, meist noch junge Mädchen, werden nicht nur körperlich und seelisch grob verletzt, sondern nach der Tat oft auch misshandelt oder sogar getötet, um einer juristischen Klage zu entgehen. Hilmar König, Jahrgang 1941, hat als langjähriger Indien-Korrespondent über diese Grausamkeiten berichtet.

Es ist auch die Geschichte von Atis, einem Journalisten aus Deutschland, der die geschändete junge Frau kennenlernt und sich sofort stark zu ihr hingezogen fühlt. Obwohl er 40 Jahre älter ist als die schöne und temperamentvolle Inderin, die einer niedrigen Kaste entstammt. Es ist eine ganz persönliche Geschichte von Gefühlsaufruhr, mentaler Stärke und einer geradezu unfassbaren Geduld.

Vor den Zug geworfen

Apsara, in der hinduistischen Mythologie ein Sinnbild der Verführung, war vom Moment ihrer Geburt an von ihrer Mutter nicht geliebt. Weil sie ein Mädchen war, die Mutter hatte nach zwei Töchtern auf einen Jungen gehofft. Unter der väterlichen Obhut wuchs sie auf, erfuhr aber „keine Zärtlichkeiten, keine Umarmungen, geschweige denn Küsse“. Sie rebellierte mit Eigensinnigkeit und Streitsucht. Ihr wurde auch kaum Bildung zugestanden, aber ihre Schönheit fiel allen im Dorf auf, auch dem Landwirt Santosh, der später ihre große Liebe wurde.

Eine Horde von Männern überfiel sie, Apsara schlug einen von ihnen, den Dorfvorsteher, schrie, woraufhin sie einen Putzlappen in den Mund gesteckt bekam. Die Täter schlugen mit einem Knüppel auf ihre Beine, fliehen war unmöglich. Nach der Schändung wurde sie zum Bahndamm geschleift, der Expresszug nach Delhi zermalmte ihre Beine.

Anziehung und Abstoßung

Atis, in der DDR geboren, Korrespondent eines Parteiblatts, las von dem besonders erbarmungslosen Fall. „Das Schicksal des Mädchens erschütterte ihn. Mitleid und Hilfsbereitschaft, gepaart mit journalistischer Neugier“, trieben ihn ins Dorf der Schwerbehinderten. Ein Drama. Oberhalb ihrer Oberschenkelstümpfe war Aspara eine faszinierende Schönheit. Der Journalist entbrannte in Verwirrung, er hatte sich in einen Teenager verliebt.

Das Leben der beiden ungleichen Menschen wird zum Kampf, Anziehung und Abstoßung über Jahre. Atis hilft großzügig, wo er kann, aber als Santosh – im Nachbardorf verheiratet und Vater von Kindern, nur wenige Jahre älter als Apsara – aufkreuzt, wendet sich die junge Frau ganz ihm zu. Atis leidet, wartet, ist vorsichtig bei Kontakten und mit Hilfeleistungen. Er akzeptiert, dass sie einen anderen Mann liebt.

Am Ende wird es Liebe

Apsara bricht mit ihrer Mutter, eine Hilfsorganisation nimmt sie auf, an Santosh hält sie unverbrüchlich fest. Selbst dann noch, als er nach einem Unfall stirbt und Apsara in tiefe Depression fällt. Bei der ersten Begegnung nach Jahren beschimpft und beleidigt sie ihren treuen Helfer Atis, der das hinnimmt. Die Verbindung ist wiederhergestellt. Apsara lernt Atis schätzen, am Ende wird daraus sogar Liebe. Der Sex der beiden wird ausführlich und in vielen Details geschildert.

Das ist der Bericht eines Mannes, der seinem Herzen folgte. Über unglaubliche Hindernisse, Komplikationen und Verwicklungen hinweg. Am Ende kann Apsara mit Atis’ Hilfe „körperlich mehr als vor dem Verbrechen“. Sie läuft ohne Armstützen auf ihren Prothesen, treibt etwas Sport, lässt sich zur Krankenschwester ausbilden. Die Chemie stimmt zwischen beiden. Als Atis stirbt, zündet sie den Scheiterhaufen nach Hindu-Sitte an und bewahrt seine Urne.

Hilmar König: „Apsara. Das Wolkenmädchen und der alte Mann.“ Buchwerkstatt Berlin, 250 S., 13,90 Euro, ISBN 978-3.946467-44-1

Zum Autor

Roland Mischke wurde als Kind vertriebener Schlesier in Chemnitz geboren. Er studierte Evangelische Theologie und Germanistik in Berlin, volontierte bei der FAZ und arbeitete danach zwölf Jahre vor allem im Feuilleton dieser Zeitung. Danach gründete er mit Partnern einen Buchverlag und war nebenher als freier Journalist für Zeitungen und Zeitschriften im gesamten deutschsprachigen Raum tätig.

Sein Themenspektrum erstreckt sich von aktuellen Kulturberichten – vor allem aus Berlin – über Kommentare zum Kulturbetrieb bis zu Lifestyle-Berichten und Geschichten über politische und gesellschaftliche Hintergründe und Entwicklungen. Zudem hat er einige Sachbücher geschrieben.