Das Düdelinger Stahlwerk wird zur Kunsthalle

Das Düdelinger Stahlwerk wird zur Kunsthalle

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Initiiert von der Düdelinger Stadtverwaltung, in Zusammenarbeit mit dem „Luxembourg Center for Architecture“ (LUCA), bietet die Ausstellung „Transition Neischmelz“ einen Rückblick auf die rund 120-jährige Geschichte des Düdelinger Stahlwerks.

Von Martina Kaub

Nichts vollzieht sich so zuverlässig wie der Wandel – ganz gleich ob ökonomisch, politisch, sozial oder kulturell. Manchmal nehmen wir ihn kaum wahr, ein anderes Mal sehen wir uns durch seine Auswirkungen und Folgen existenziell bedroht. So erlebte es die Belegschaft der Stahlwerke in Düdelingen, als 2005 mit der endgültigen Schließung des Kaltwalzwerks die lange befürchtete Stilllegung vollzogen wurde. Wer Glück hatte, fand einen neuen Arbeitsplatz, eine neue Lehrstelle, für andere bedeutete es das Ende ihrer Berufsbiografie.

Mehr als ein Jahrzehnt ist seitdem vergangen, schwierige Verhandlungen über die Abwicklung und Fragen der künftigen Nutzung der 39 Hektar großen Industriebrache kennzeichnen die Phase des Übergangs. Endlich liegen konkrete Planungen zur Umwidmung und Konversion in einen neuen Lebens- und Wohnraum vor, die der Öffentlichkeit noch bis zum 30. September in einer Ausstellung in der Fondouq-Halle zugänglich gemacht werden.

Doch bevor sich das Publikum diese Überblicksdarstellung erschließen kann, sieht es sich einer monumentalen Rauminstallation gegenüber, dem zentralen Objekt der Exposition. 2016 im Luxemburger Pavillon der Architektur-Biennale in Venedig mit dem Titel „Tracing Transitions“ präsentiert, ist sie das beeindruckende Werk des multidisziplinären Künstlerkollektivs bestehend aus Architekt und Stadtplaner Claude Ballini, Installationskünstler und Grafiker Serge Ecker und dem Architektenduo Daniel Grünkranz und Panajota Panotopoulou. Als Werkzeuge nutzen sie die ganze Palette digitaler Technologien wie 3D-Scanner, -Drucker, Laser Cutter und Rekompositionssoftware.

Die aus einer großen Zahl von unterschiedlichen Dreiecksformen zusammengesetzte Installation dient als Projektionsfläche für 3D-Scans von Fragmenten von Industriegebäuden und Teilansichten Luxemburgs sowie der Großregion. Beamer und Diapositiv-Projektionen zeigen diese „Spuren“ und Indikatoren für notwendige Veränderungen in der Raum- und Städteplanung.

Die Kuratorinnen und Kuratoren sehen sich als Akteure einer architekturalen Kommunikation und fokussieren die mit Veränderungsprozessen einhergehenden Herausforderungen. Es geht um das „Aufspüren“ und Kommunizieren der Bedingungen, die zur Realisierung eines ambitionierten, der Nachhaltigkeit verpflichteten Projekts unabdingbar sind.

Düdelingen im Wandel

Wer sich auf das Konzept in seiner skulpturalen Repräsentation einlässt, sieht sich mit Fragen konfrontiert: Wie kann Altes sinnvoll mit Neuem verbunden oder aus Altem Neues geschaffen werden? In welchen Formen und Strukturen lassen sich die Übergänge gestalten? Welchen Stellenwert räumen wir im post-industriellen Zeitalter den Ansprüchen und Bedarfen an menschengerechten Lebensräumen ein?

In groben Zügen werden Fragen dieser Art auf den hinter der Rauminstallation befindlichen großen Schautafeln beantwortet. Texttafeln (in deutsch und französisch), Fotos und Grafiken präsentieren hier die Entwicklung von Düdelingen zum Industriestandort seit 1882, das Verschwinden der Industrie und die daraufhin einsetzenden Beratungsprozesse zur Konversion des Geländes und aktuelle Zwischennutzung.

Anschaulich vermitteln der Masterplan (PAG, „Plan d’aménagement général“) und seine Konkretisierungen die künftige Nutzung und Bebauung des Areals bis 2030. Ergänzende Informationen finden sich zur geplanten Einbettung in die bestehenden Strukturen bzw. Grün- und Freiflächen und zum ökologischen Konzept der Kreislaufwirtschaft. Manche Fragen bleiben offen – die wichtigste: Wie sieht das Konzept zur Beseitigung der Altlasten aus? Aber auch: Werden kreative Räume für Bürger- und Künstlervereinigungen und kulturelle Veranstaltungen erhalten bleiben und nicht nur im Rahmen der Zwischennutzung unterstützt?

Das zurzeit aktive Künstlerkollektiv hat übrigens mit allerlei ausrangierten Schrauben, Röhren, Schmelzsicherungen, Metallplatten und Steckern ein wirklich außergewöhnliches Modell des Areals auf einer topografischen Karte platziert – gegenüber einem 3D-Modell der Planungsgemeinschaft. Zusammenfassend: eine sehr anregende Ausstellung mit sozialpolitischer Komponente und ein Beleg für die Schaffenskraft und Kreativität der unterschiedlichsten Akteure.