Biedermann oder Brandstifter?

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Der Schriftstellerberuf und das literarische Arbeitsfeld in Luxemburg

Neben Nathalie Ronvaux befindet sich auch der luxemburgische Schriftsteller Gast Groeber während der „Walfer Bicherdeeg“ in einer Autorenresidenz. Hier soll eine Plattform geboten werden, um über den Beruf im luxemburgischen Kontext zu sprechen.

Seit dem Resultat der letzten TNS-Ilres-Umfrage zum Thema Kultur fragt man sich als Journalistin immer besser zweimal, ob der eigene Interviewpartner dem Leser ein Begriff ist oder nicht. Der Autor Gast Groeber tendiert seinerseits eher zu Letzterem. Der mehrfach (unter anderem 2016 mit dem European Union Prize for Literature) ausgezeichnete Autor erklärt gegenüber dem Tageblatt, dass nationale wie auch europäische Preise den Bekanntheitsgrad definitiv nicht ins Unermessliche steigern. Manchmal höre er in der hiesigen Szene aber: „Mensch, du kennst den nicht? Das ist doch der, der auch schreibt!“

Ja, der 58-jährige Luxemburger schreibt auch. Gast Groeber ist, wie er lächelnd (und Ian De Toffoli zitierend) hinzufügt, „eine Art ‚Nuetsportier'“. Tagsüber in seinem Hauptjob tätig, kann sich Groeber lediglich abends, nachts oder am Wochenende dem Schreiben widmen. Ein professioneller Schriftsteller definiert sich seiner Meinung dadurch, dass er vom Schreiben leben kann, sei es von Büchern, Theaterstücken oder auch Zeitungsartikeln. Auf ihn selbst trifft dies jedoch nicht zu. Seinen Verdienst durch die Literatur bezeichnet Gast Groeber als Taschengeld, Anträge für finanzielle Unterstützung beim Ministerium zu stellen, hält er für mühsam. Dies sagt er nicht selbstgefällig, sondern sich eher auf traurige Fakten berufend. Mit diesem Standpunkt sowie seiner (zweit-)beruflichen Situation ist der luxemburgische Autor nicht allein. Er kann mehr als Regel-, denn als Sonderfall gelten.

Auf die Frage hin, wie man den Schriftstellerberuf in Luxemburg am besten zusammenfassen könnte, meint Groeber trocken: „Überspitzt formuliert ist es jemand, der einen guten Job hat und nebenher schreibt, oder einen Partner hat, dessen Einkommen es erlaubt, professionell zu schreiben.“ Relevant ist demzufolge nicht unbedingt ein Studium, sondern das, was im (luxemburgischen) Leben wirklich zählt: Nebst Auto, Urlaub und Immobilien kommen also rentable Zweckgemeinschaften und eine Anstellung bei einer Bank oder dem Staat hinzu.
Zweiteres hat Groeber. Oh Nachtigall, hör ick dir trapsen? Hier fühlt man sich kurz an einen Beitrag des Literaturkritikers Samuel Hamen erinnert, der sich vor einigen Monaten die Frage stellte: „Wat mécht dee Staatsbeamte-Fric, déi Sécherheet, déi comfort zone mat der eegener Literatur?“ Wenige Zeilen später versucht er sie selbst (anhand des bisher Gelesenen) zu beantworten: „Dat glëtscht op déi eng oder aner Manéier an déi eegen Denk- a Schreifweis eran, egal, wéi vill ee sech ideologesch dogéint wiert. Et gëtt een net onbedéngt liddereg dobäi, mee midd, gemittlech, manner wibbeleg.“

Auf diese Problematik angesprochen, weicht Groeber nicht ganz, aber dann doch schon ein wenig aus: „In Bezug auf die Bedingungen, unter denen man schreibt, kann man schon sagen, dass man anders arbeitet, wenn man sich über bestimmte Dinge keine Gedanken zu machen braucht. Dann kannst du es dir auch leisten, etwas mal ‚mautschen‘ zu lassen und musst es nicht unter Druck veröffentlichen, denn Druck ist der Qualität eines Textes nicht zuträglich.“ Beim Inhalt gestalte es sich jedoch anders: „Da willst du ja für dich selbst eine Entwicklung feststellen. Das ist ein Antrieb, gar eine Sucht, die unabhängig von Geld und der Lebenssituation zu sehen ist.“

Inwiefern Qualität und Professionalität im luxemburgischen Literaturbetrieb zusammenhängen, beschreibt Groeber folgendermaßen: „Es kann zu den eigenen Qualitäten dazugehören, ein bestimmtes Publikum anzusprechen und zu erreichen. Dies gelingt teils auch Autoren, die ich selbst nicht unbedingt lesen würde.“ Ein kleiner Running Gag innerhalb der Literaturszene ist diesbezüglich die Annahme, dass man, um als Autor in Luxemburg erfolgreich zu sein, ein Koch- oder ein Kinderbuch schreiben muss. Groeber bestreitet dies nicht und fügt hinzu: „Das spiegelt gewissermaßen auch die Bedürfnisse des Publikums wider, und wenn man Publikum sagt, bedeutet das gleichzeitig auch die öffentliche Debatte. Man kann an dieser Nachfrage zumindest in Teilen ablesen, inwiefern Literatur überhaupt Thema ist in Luxemburg und wie es gehandhabt wird.“

Wie stark wichtige Grundsatzdiskussionen über die gegenwärtige Situation im Literaturbetrieb auf den „Walfer Bicherdeeg“ Einkehr halten werden, vermag der Schriftsteller noch nicht abzuschätzen: „Die Autorenresidenz ist ein erster Versuch, Autoren einzubeziehen und eine Diskussionsgrundlage zu schaffen. Ob wirklich debattiert werden wird, hängt aber auch davon ab, ob die Besucher meine Kollegin und mich eher wie Exponate beäugen oder sich doch trauen werden, uns anzusprechen und kritische Fragen zu stellen. Es beginnt nun also ein Prozess, den man im Blick behalten und regelmäßig evaluieren sollte.“

Nicht nur Statisten

Auf die allgemeine Organisation der Veranstaltung Bezug nehmend, fügt er hinzu: „Es wäre durchaus interessant gewesen, wenn mehr Medienhäuser impliziert und unterschiedliche Journalisten ins Programm eingebunden worden wären, beispielsweise durch die Moderation von Rundtischgesprächen.“ Überhaupt spiele der Journalismus eine wichtige Rolle im literarischen Kontext in Luxemburg. Sowohl für die Autoren selbst als auch für das neugierige oder neugierig zu machende Publikum. „Es gibt durchaus Journalisten, die sich Zeit nehmen, ein Werk analysieren und dann auf Stärken wie Schwachstellen aufmerksam machen. Ich habe jedoch den Eindruck, dass genau diese Personen mittlerweile mit Rezensionsexemplaren überschüttet werden. Da macht sich dann leider wieder die Kleinheit des Landes und der Szene bemerkbar“, so Gast Groeber.

„Andererseits gibt es auch jene Fälle, in denen nur eine Zusammenfassung präsentiert wird, die man ebenso gut dem Klappentext hätte entnehmen können.“ Gute Literaturkritik bedeutet auch in Luxemburg Investition. Was diesen Punkt anbelangt fordert Groeber: „Wenigstens subventionierte Medien sollten sich einen kompetenten Literaturkritiker leisten.“
Außerdem hänge das Bild des Schriftstellers in der Öffentlichkeit zwar mit diesem selbst, aber eben auch mit jener Rolle zusammen, die ihm zugestanden werde. Gerade wenn es um die Gesellschaft betreffende Belange ginge, fänden sich reichlich Autoren in Luxemburg, die mindestens so viel wie Sportler oder auch Politiker zu einer Diskussion beitragen könnten. Letztgenannte stünden jedoch häufiger im Rampenlicht.

In Groebers Texten geht es unter anderem um die Frage, inwiefern die Freiheiten des Einzelnen durch von außen auferlegten Regeln und Normen eingeschränkt werden. Fühlt er sich als schreibendes Individuum in Luxemburg in ein Korsett gezwängt? Zum einen handele es sich beim offiziellen Status des Schriftstellers in Luxemburg um ein Thema, das noch längst nicht ausdiskutiert sei, meint Groeber: „Beachtet man, wie viel Mühe die einzige Autorin, die den ’statut d’artiste indépendant‘ innehat, hatte, um überhaupt dort hinzukommen, so schafft das reichlich wenig Anreize. Das andere Korsett ist der Markt. Wenn man Glück hat, verkauft man zwischen 500 oder 700 Bücher jährlich. Sein Publikum auszuweiten, gestaltet sich ebenfalls schwierig, da nicht ständig neue Locations auftauchen für Lesungen.“

Der Schriftsteller fügt jedoch lobend und hoffnungsvoll hinzu: „Derzeit kommen interessante Privatinitiativen und Asbls, wie beispielsweise Independent Little Lies samt spannenden, innovativen Formaten wie den Impossible Readings hinzu. Sie schaffen einen wichtigen Mehrwert, indem sie Menschen zusammenbringen, die sich vielleicht sonst nicht begegnen würden. Somit kann sich auch das Publikum erneuern. Daran darf sich das Kulturministerium gerne ein Beispiel nehmen.“

Abschließend merkt Groeber an: „Wer für das Promoten der luxemburgischen Literatur zuständig ist, scheint irgendwie unklar.“ Er hält die momentan viel diskutierte Idee einer vom Staat unabhängigen Struktur, also einer Art „Art Council“ oder „Kultur-Agentur“ für kulturelle Belange für umsetzungswert und wartet, wie viele andere, mit Spannung auf die künftigen Entwicklungen diesbezüglich.

Marius
22. November 2017 - 14.30

Die Luxemburger (die noch übrig geblieben sind) lesen wenig, gehen selten ins Kino und noch weniger ins Theater. Ausserdem ist das Angebot ziemlich dürftig, und die Buchpreise zu teuer im Vergleich Qualität Preis. Vorwiegend verlegen die Mini-Verlage wenige Exemplare aus Angst vor Verlusten und sind bei der Frankfurter Buchmesse schon seit Jahren abwesend. Kinderbücher und Kochbücher verkaufen sich hervorragend für die anstehenden Feiertage Also alles ungünstige Voraussetzungen um den Leser fürs Lesen zu begeistern. Daran können die Walfer Büchertage, leider auch nichts ändern. Literatur und Poesie führt hierzulande ein Mauerblümchendasein.