Das passiert, wenn Medikamente das Ablaufdatum erreichen

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Was bedeutet das Datum auf der Arzneimittelpackung? Kann man Medikamente danach noch benutzen? Wie lassen sich Hustensirup und Co. sachgemäß entsorgen? Unsere Redakteurin Daisy Schengen fragte beim Apotheker Baudouin Schinker nach.

Die meisten von uns haben es bestimmt schon einmal erlebt: Auf der Suche nach einem Arzneimittel stößt man in der Hausapotheke auf Medikamente, die das auf der Packung aufgedruckte Datum bereits überschritten haben. Die Fragen, was diese Frist tatsächlich bedeutet, ob die Arzneien nicht unter Umständen auch danach haltbar sind und wie man die angesammelte Präparate entsorgen soll, hat sich die Mehrheit von uns bestimmt schon einmal gestellt.

Pharmazeut und Generalsekretär des „Syndicat des pharmaciens luxembourgeois“ Baudouin Schinker klärt über die Frist auf der Verpackung auf und bittet um eine sachgemäße Entsorgung der Medikamente. Sein eindringlicher Rat: Arzneien nie über das Ablaufdatum hinaus und immer bis zum Ende der Packung, gemäß der ärztlichen Vorschrift, einnehmen.

Tageblatt: Auf der Arzneimittelpackung ist ein Datum vermerkt. Handelt es sich dabei um ein Mindesthaltbarkeits- oder ein Verfallsdatum, ähnlich dem für Lebensmittel, das keinesfalls überschritten werden darf?

Baudouin Schinker: Im Grunde handelt es sich hierbei um eine Art „Haftbarkeitsdatum“. Der Hersteller garantiert, dass sich bis zum angegebenen Zeitpunkt mindestens 90 Prozent des Produkts in einem einwandfreien Zustand befinden.

Streng genommen handelt es sich um keine „wissenschaftliche“ Frist. Viel mehr basiert sie auf Erkenntnissen des Herstellers, nach Tests mit dem Medikament u.a. bei unterschiedlichen Temperaturen, Feuchtigkeit oder Druckverhältnissen. Unter Berücksichtigung dieser Ergebnisse und in Anlehnung an die Richtlinien der zuständigen Behörden wird das „Haftbarkeitsdatum“ festgelegt.

Für den Verbraucher bedeutet das im Klartext: Wird das Arzneimittel unter normalen Bedingungen gelagert, ist es auch bis zum genannten Zeitpunkt haltbar. Aber nur dann, wenn die Packung ungeöffnet blieb.

Ähnlich wie bei Lebensmitteln ändert sich das Ablaufdatum von Medikamenten, sobald sie angebrochen werden. Außerdem hängt die Haltbarkeit zum Teil von der Art des jeweiligen Produkts ab. Bei einem Blister mit Kapseln, der richtig gelagert, aber aus der Originalpackung entnommen wurde, sind die Kapseln selbstverständlich bis zum aufgedruckten Datum haltbar.

Sirup oder Augentropfen sind ungeöffnet zwischen einem und sechs Monaten lagerfähig. Sind sie einmal angebrochen und kommen mit der Umgebung in Kontakt, schwindet ihre Haltbarkeit. Der darin enthaltene Konservierungsstoff verfliegt, Bakterien können sich am Flakon ansiedeln, sodass mehr Störenfriede als Wirkstoff ins Auge gelangen.

Stichwort: die richtige Lagerung. Wo und wie gelingt sie zu Hause?
Medikamente dürfen keiner direkten Sonneneinstrahlung, Feuchtigkeit und Wärme ausgesetzt werden. Ihr Platz ist nicht im Bad, sondern im Schlafzimmer, wo es üblicherweise kühler ist.

Idealerweise sind Arzneien in einem abschließbaren Schrank untergebracht, zu dem Kinder keinen Zugang haben. Andernfalls besteht die latente Gefahr vor Vergiftung, wenn Medikamente für Kinder in Reichweite liegen. Beispiel: auflösbares Antibiotikum, das im Kühlschrank aufbewahrt wird und bereits nach wenigen Tagen giftige Stoffe entwickelt.
Aber Arzneien sollten nicht zu Hause gesammelt werden. Werden die verschriebenen Medikamente aufgebraucht, gibt es keine Reste. Außerdem ist immer irgendwo in Luxemburg eine Apotheke 24 Stunden offen, um sich im Notfall Medikamente zu kaufen. Das Hamstern schlägt auch ins Geld. Besser Packungen aufbrauchen und öfter Nachschub in der Apotheke besorgen.

Abgesehen von chronischen Erkrankungen ist der Einsatz von Arzneimitteln kurzfristig und für einen klar definierten Zeitraum gedacht. Will man später wieder darauf zurückgreifen, kann es passieren, dass man sich nicht mehr richtig daran erinnert, wofür das Medikament ursprünglich verordnet wurde. In diesem Fall besser nicht einnehmen und zum Arzt gehen.

Haben Cremes eine andere Haltbarkeit als Tabletten oder Sirup im Sinne von wiederverwendbar?

Der Hersteller beantwortet die Frage mit dem „Haftbarkeitsdatum“. Danach haftet er nicht mehr für das Produkt, unabhängig von seiner Darreichungsform.

Das größte Problem im Zusammenhang mit der Frage nach der Verwendung eines Medikaments nach seinem Ablaufdatum ist die Lagerung. Wie wurde es gelagert? Nach dem Kauf in der Apotheke, wie wurde es transportiert bis nach Hause? Hat man es dort sofort in den Medizinschrank gelegt oder blieb es womöglich im Auto, in der Sonne, liegen? Will man später die Arznei einnehmen, würde ich dringend davon abraten, denn nach längerer Zeit können sich die wenigsten Menschen erinnern, ob sie nach dem Kauf die Produkte richtig in den Vorrat gelegt haben.

Es lässt sich nicht pauschal beantworten, dass Medikamente nach Ablauf des Haltbarkeitsdatums weiterhin in Ordnung sind. Weder der Laie noch wir Fachleute sind dazu in der Lage. Rein optisch mag ein originalverpackter Blister in Ordnung scheinen, wie er gelagert wurde, lässt sich leider nicht eindeutig klären und daher lässt sich keine Garantie für die Unversehrtheit des Produkts ausstellen.

Woran erkennen Laien, dass Medikamente, etwas salopp formuliert, ihre besten Zeiten hinter sich haben?

Manche Pillen bekommen braune Flecken, werden brüchig, sehen nicht mehr aus, wie sie ursprünglich aussahen.

Ähnlich der Mayonnaise, wenn sie verdorben sind, verflüssigen sich auch Cremes und ihre Hauptbestandteile – Wasser und Fett – trennen sich. Überhaupt sind Cremes, sobald sie geöffnet wurden, nicht lange haltbar. In einer Tube verpackt ist die Creme langlebiger als im Tiegel. Und auch bei den Tuben gibt es Unterschiede: Zum Beispiel bei einer Plastikverpackung, die man zusammendrückt, kann beim Loslassen Luft in die Packung eindringen und das Produkt verunreinigen. In diesem Fall sind Aluminiumflakons die bessere Alternative.

Außerdem stellt sich die Frage, ob die Creme in der Tube in Kontakt mit der Haut kommt. Ist das der Fall, kann sie möglicherweise durch Keime verunreinigt werden und muss somit früher entsorgt werden.

Nun ist die Inventur in der Hausapotheke vollbracht. Wohin mit all den aussortierten Arzneien?

Es gibt drei Möglichkeiten: bei der „SuperDrecksKëscht“, im Recycling-Center oder in der Apotheke abgeben. Hierbei möchte ich unterstreichen, dass wir Apotheken die Arzneien problemlos zurücknehmen, aber nicht als „Abgabestelle“ für abgelaufene Medikamente falsch verstanden werden sollten. Zunächst sollten Verbraucher versuchen, abgelaufene Produkte zu beiden erstgenannten Anlaufstellen zu bringen, erst an dritter Stelle sollten kleine Mengen zur Apotheke folgen. Dort werden Verpackungen aus Karton, Papier-Beipackzettel und die Medikamente getrennt.

Anschließend leiten wir die sortierten Abfälle an die „SuperDrecksKëscht“ oder ans Recycling-Center weiter, wo sie in einem Hochofen in Deutschland unter hohen Temperaturen verbrannt werden.

Gesetzt den Fall, die Medikamente, die man abgeben möchte, haben das Verfallsdatum nicht überschritten. Wie lassen sie sich an Bedürftige spenden?

Das ist selbstverständlich unter bestimmten Bedingungen möglich. Die Medikamente müssen mindestens sechs Monate, besser noch ein Jahr bis zum Ablaufdatum haltbar sein. Infolge von Überschwemmungen Mitte Juni ist ein Großteil der Arzneimittelspenden bei „Médecins du monde“ nicht mehr zu gebrauchen.

Die Vereinigung ist derzeit auf Spenden angewiesen. Andere Hilfsorganisationen kontaktieren uns Apotheken, wenn sie Bedarf an bestimmten Medikamenten haben.