Von Herolden, Rittern und Sportfans: Ein Experte erklärt die Wappenkunde

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Was haben Ritter und Sportfans gemeinsam? Wenn sie zu ihren Schlachten (cf. „Schlachtenbummler“ für Fußballfans) aufbrechen, waren oder sind sie meistens gut gewappnet.

Das bekannteste Wappen Luxemburgs – der „Roude Léiw“ – ist mittlerweile beliebter als die Nationalflagge und wird vor allem bei Sportveranstaltungen gerne gezeigt. Die Beliebtheit war sogar so groß, dass sich vor Jahren eine Bürgerinitiative für den Roten Löwen als Nationalflagge starkmachte. Doch kennen Sie den Unterschied zwischen dem Wappen des Großherzogtums und der Stadt Luxemburg? Bei Ersterem hat der Roude Léiw zwei Schwänze, bei Letzterem nur einen. Ansonsten gleichen sich die zwei wie ein Ei dem anderen und werden auch öfters mal verwechselt.

Mit solchen Details und anderen Feinheiten bezüglich der Wappen beschäftigt sich die Heraldik. Die Wissenschaft studiert die Entwicklung der Wappen in der Zeit und die Regeln diesbezüglich. Eigentlich sei die Heraldik aber „nur“ eine Hilfswissenschaft der Mediävistik, klärt uns der 47-jährige Hobbywappenkundler Daniel Erpelding auf, einer der wenigen Heraldikexperten Luxemburgs, der kürzlich im „Ale Stadhaus“ in Differdingen eine Vorlesung zu dem Thema gab.

800 Jahre alte Kunst

Obwohl es zahlreiche Familien gibt oder gab, die ein Wappen besitzen, sind es heute fast nur noch Städte, Gemeinden und die Monarchie, die ihr Wappen zur Schau stellen. Diese Tradition verliere sich aber mehr und mehr. Oft bevorzugten die Gemeinden, sich ein Logo bei einem Grafiker anfertigen zu lassen. Das sei einfacher, bedauert Erpelding. Die Kunst dieser Insignien ist über 800 Jahre alt. Die meisten Historiker gehen davon aus, dass Wappen gegen Mitte des 12. Jahrhunderts zur Zeit der Kreuzzüge entstanden. Es sei ganz einfach darum gegangen, auf dem Schlachtfeld zu erkennen, wer auf welcher Seite kämpfte, erklärt der Experte.

Wenn auch heute noch erhaltene älteste Quellen der Heraldik Handschriften, Stempel, Siegel und Münzen sind, so waren sie anfangs auf die Utensilien der Ritter aufgemalt. „Ursprünglich wurden die Wappen auf Schild, Rüstung, Pferdedecke und Banner aufgemalt. Mit der Zeit begannen die Ritter aber auch, ihre Siegel mit ihrem Wappen zu zieren“, sagt Erpelding. Vor allem bei den Kreuzzügen wurden die Wappen fester Bestandteil der Ritterschaft. Bei einem Kampf zwischen zwei Fürsten aus der gleichen Region konnte es durchaus sein, dass sich alle Kämpfer persönlich kannten. Bei den Kreuzzügen kamen tausende von Rittern aus verschiedenen Regionen zusammen. Im Prinzip waren sie zwar alle Verbündete gegen die Moslems, doch kam es auch zu Streitereien, und es sei gut zu wissen gewesen, wer zu wem gehörte.

Ein Wappen gegen Geld

Ethymologisch haben „Wappen“ und „Waffen“ den gleichen Ursprung; das mittelhochdeutsche Wort „wapen“ bedeutete „Waffe“. Später wandelte sich die Bedeutung von „Wappen“ zu „Zeichen auf der Waffe“. Es gibt jedoch auch Historiker, welche die Herkunft der Wappen aus kriegspraktischen Gründen anzweifeln und die Wappen eher als eine Begleiterscheinung der Ritterturniere sehen. Wie dem auch sei, aus dem Erkennungszeichen der Ritter wurde im Laufe der Zeit ein erbliches Familienerkennungszeichen.

Anfangs habe der Adel zwar gewollt, dass Wappen ihm vorbehalten bleiben, eine Forderung, die jedoch nie durchgesetzt werden konnte. Es sei nicht möglich gewesen, die Einhaltung dieser Regeln zu überwachen, erklärt Erpelding. Louis XIV zum Beispiel wollte alle Wappen seines Reiches auflisten lassen. Um in dieses Register aufgenommen zu werden, musste man bezahlen, was viele natürlich verweigerten. Auch sei Einrichtungen (zum Beispiel Klöstern) ein Wappen aufgezwungen worden, sodass man dann eine Steuer darauf erheben konnte. Viele dieser Wappen seien nachher wieder aufgegeben worden.

Herolde, Diplomaten des Mittelalters

Das Wissen um die Heraldik war im Mittelalter die Aufgabe der Herolde, den „Gehilfen“ der Ritter. Damit sich das Wissen nicht zu sehr verbreitete, erfanden sie einen eigenen Fachjargon, der absichtlich kompliziert gehalten war, da nicht jedermann Herold werden sollte. Sie gelten ebenfalls als die Diplomaten des Mittelalters. Ihnen oblag unter anderem auch die Schlachtvorbereitung. Sie trafen sich mit den Vertretern der gegnerischen Seite, und bei dieser Gelegenheit wurden sich gegenseitig die Farben gezeigt, unter denen man kämpfte. Davon stamme das noch heute erhaltene „Trooping the Colour“ ab, die alljährliche Militärparade im Juni zu Ehren des Geburtstages der britischen Königin (oder des Königs), erklärt Erpelding.

Der Heraldik untergeordnet sind drei Teilbereiche:

  • die Wappenkunde: die Regeln, wie ein Wappen zu lesen ist;
  • die Wappenkunst: die Regeln, nach denen die Wappen gestaltet werden;
  • das Wappenrecht: die Regeln, wie ein Wappen zu führen ist.

Theoretisch dürfe heute jeder ein Wappen führen, doch es sei wie mit Visitenkarten, man müsse auch Gelegenheiten haben, sie zu benutzen. Werden sie heutzutage noch benutzt, wie zum Beispiel in Filmen, käme es allzu oft vor, dass sie falsch verwendet würden. Im Mittelalter gab es strikte Farbregeln. So gab es zwei erlaubte Farben für den Hintergrund (das Metall): Gelb (für Gold) und Weiß (für Silber). Die erlaubten Farben für die Symbole waren Rot, Blau, Schwarz, Grün und manchmal Purpur. Als Illustrationen wurden bevorzugt geometrische Figuren, Tiere, Pflanzen oder Himmelskörper verwendet.

Ein Buch und eine Webseite

Die Hauptregel besagte, dass eine Farbe nur an Metall grenzen darf, eine Regel, die bei komplizierten Wappen mit vielen Details aber oft verletzt würde. Ein zeitgenössisches Beispiel, bei dem die klassische Farbregel nicht eingehalten wurde, sei die Flagge Albaniens – schwarzer Adler auf rotem Grund. Laut Erpelding ging es ursprünglich darum, leicht erkennbare Kontraste zu schaffen. Diese finden sich heute bei Verkehrsschildern wieder, zum Beispiel Schwarz, Weiß und Rot bei Geschwindigkeitsbegrenzungen. Die Halteverbotschilder in Rot und Blau hingegen entsprächen nicht den Farbregeln der Heraldik, deshalb würden wohl viele diese Schilder oft übersehen, scherzt Erpelding.

Seine Kenntnisse auf dem Gebiet habe er sich als Autodidakt angeeignet. Aus dem kindlichen Interesse an Burgen und Rittern entwickelte sich in den frühen 1980er Jahren ein Interesse für die Heraldik. Schon in der Schule liebte er es, Wappen zu zeichnen oder zu malen. In diesen Jahren entwarf er auch ein eigenes Wappen, ein sogenanntes „sprechendes Wappen“, das heißt die Symbolik auf dem Wappen symbolisiert den Familiennamen. Auf Erpeldings Wappen ist unter anderem eine Ente zu sehen, da „Erpel“ männliche Ente bedeutet.

Nach der Schule studierte er in Aachen Elektrotechnik, mit Schwerpunkt Informationstechnik. Sein Hobby habe während dieser Zeit lange „geschlafen“. Erst für ein Programmierprojekt bei seinem späteren Arbeitgeber, der ITM, sei seine alte Leidenschaft wieder entflammt. Im Nachhinein entstand seine Website über Heraldik (wiesel.lu/heraldik) und eine dazugehörende Datenbank mit über 5.800 Wappen. Ein Großteil dieser Arbeit fußt auf dem noch immer als Standardwerk der Luxemburger Heraldik geltenden „Armorial Loutsch“ aus dem Jahre 1974 des Luxemburger Augenarztes Dr. Jean-Claude Loutsch (1932-2002).