Trinkwasser in Luxemburg: Kostbares Nass

Trinkwasser in Luxemburg: Kostbares Nass

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Den Klimawandel auf den Anstieg der Meeresspiegel zu reduzieren,
ist zu einfach. Längere Trockenperioden und in der Konsequenz mangels Regen weniger Grundwasser sind weitere und vielleicht viel dramatischere Folgen. Wenn es heiß ist, trinken die Menschen mehr. Haben wir in Luxemburg genug Wasser in Trinkwasserqualität? Laut Umweltministerium ja. Sogar genug, um die berühmte eine Million Einwohner versorgen zu können. Ein paar Gemeinden greifen allerdings schon jetzt aufs Ausland zurück.

Gemeinden rufen zum Wassersparen auf – kein Einzelfall

Angesichts der Aussage des Ministeriums, die Trinkwasserversorgung in Luxemburg sei ausreichend, werden sich manche die Augen reiben. Vor allem die, die die Aufrufe der Gemeinden im letzten Sommer noch vor Augen haben, Wasser zu sparen. Sandweilers Bürgermeisterin Simone Massard-Stitz beispielsweise musste dies im Juni 2017 tun und kündigte damals gleichzeitig an, in dieser Trockenphase den Rasen des Fußballplatzes ab sofort mit Wasser aus der Kläranlage zu sprengen. Sie war nicht die einzige Rathauschefin, die das tun musste, und Aufrufe wie diese wird es weiter geben. Die Ursache liegt laut Umweltministerium an den Speicherkapazitäten für Trinkwasser. Es wird in Wasserbehältern gespeichert, die für den Durchschnittstagesverbrauch ausgelegt sind.

Umweltministerium sucht nach weiteren Quellen

Er liegt in Luxemburg bei 120.000 Kubikmetern pro Tag – pro Kopf heißt das rund 200 Liter pro Tag. Wird aber mehr verbraucht, leeren sich die Behälter schneller und es braucht seine Zeit, bis sie sich wieder gefüllt haben. Größere Behälter würden das Wasser, wenn es nicht verbraucht wird, schal werden lassen. Klingt logisch. Gleichzeitig ist bekannt, dass der Wasserverbrauch in Luxemburg aufgrund steigender Einwohnerzahlen und länger anhaltender Trockenperioden steigen wird. Das hält das Ministerium in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage zur Trinkwasserversorgung fest. Ein Widerspruch? Bis jetzt offensichtlich nicht, denn bei der Suche nach neuen Wasserquellen wird viel getan. Sagt das Ministerium.

Die drei Hauptakteure

Luxemburg hat drei Hauptversorger. Die Hälfte des Trinkwassers liefert der Stausee Obersauer, die andere Hälfte die Grundwasserquellen der Gemeinden und die Reservebohrungen von Sebes. 270 Grundwasserquellen gibt es nach Angaben des Ministeriums im Land. Wenn es heiß ist und mehr Wasser verbraucht wird, können aus allen drei Produktionsstätten die Kapazitäten auf 176.000 Kubikmeter pro Tag heraufgeschraubt werden. Das deckt bis jetzt den errechneten Spitzenverbrauch in heißen Wetterperioden von 160.000 Kubikmetern pro Tag ab. Allerdings wird dabei das Grundwasservorkommen an den vier Reservebohrungen stark beansprucht. Ein Störfall an einem der Standorte würde die Situation sofort ins Gegenteil verkehren und eine dauerhafte sprich langanhaltende Lösung ist es ebenfalls nicht. Wohl auch deshalb ging 2016 relativ problemlos das Finanzierungsgesetz zum Bau einer neuen Trinkwasser-Aufbereitungsanlage am Stausee in Höhe von 166 Millionen Euro durchs Parlament. Die Hälfte der Kosten trägt der Staat.

Schutzzonen ausweiten

Das ermöglicht ab 2021 eine Steigerung der Trinkwasserproduktion am Stausee um etwas mehr als 50 Prozent. Derzeit produziert der See 72.000 Kubikmeter Wasser pro Tag, ab 2021 sollen es 110.000 pro Tag sein. Das entspricht 110 Millionen Ein-Liter-Flaschen oder 9,1 Millionen Kästen mit jeweils zwölf Ein-Liter-Flaschen. Zusätzlich ist, wie das Ministerium auf Anfrage des Tageblatt mitteilt, die Erschließung weiterer Grundwasserquellen im Atterttal geplant. Die genauen Standorte und die Ergiebigkeit seien „noch zu erkunden“, heißt es von dort weiter. Auch über die Aufbereitung von Moselwasser wird nachgedacht. So weit, so gut. Das reicht aber nicht.

Um die Zufuhr von Trinkwasser garantieren zu können, müssen die „Produktionsstätten“ vor Verschmutzung geschützt werden. Gerade erst hat die Fraktion von „déi gréng“ in der Bilanz ihrer Parlamentsarbeit darauf hingewiesen, dass die Schutzzonen rund um die Trinkwasserquellen ihrer Arbeit zu verdanken ist. Elf davon sind seit der Verordnung 2014 nach und nach ausgewiesen worden, 32 weitere sind auf dem Instanzenweg. Werden sie genehmigt, besteht 10 Prozent der Landesfläche aus Schutzzonen. Eine weitere steht kurz davor, genehmigt zu werden. Es ist die mit Abstand größte aller Schutzzonen, die rund um den Stausee Obersauer (s. Karte). Sie zieht sich von Esch/Sauer über Nothum an der Grenze zu Belgien entlang bis in die Gemeinde Rambrouch nach Perlé – allesamt ländliche Gebiete mit Landwirtschaft. Probleme mit den Bauern dürften also vorprogrammiert sein.

„Doppelte Absicherung“ aus dem Ausland

Allerdings verweist das Ministerium darauf, dass Bauern, die auf mehr Pestizide und Nitrate verzichten als vorgeschrieben vom „Wasserfonds“ gefördert werden können. Die Gelder des Fonds kommen auch bei den Kosten der Schutzmaßnahmen zum Tragen. Sie können bis zu 75 Prozent über den Fonds gefördert werden. Der „Fonds pour la gestion de l’eau“ (FGE) speist sich aus Anteilen am Wasserpreis, den die Bürger bezahlen, sowie aus einer „Dotation de l’Etat“. Darüber kommen jährlich rund acht Millionen Euro zusammen. Für Mertert-Wasserbillig, Schengen und Rosport reichen aber die verfügbaren Wasserressourcen im Land offensichtlich nicht aus. Anders ist nicht zu erklären, dass zwei Gemeinden bereits Wasser aus dem Ausland beziehen und dies für Schengen geplant ist. Haushalte der Gemeinde Mertert-Wasserbillig werden seit dem 1. Januar 2013 mit fertig aufbereitetem Trinkwasser aus Konz beliefert. Mindestens 277.400 Kubikmeter bezieht das für den Osten des Landes zuständige Gemeindesyndikat Sidere pro Jahr von dort und bestätigt das auf Anfrage des Tageblatt. Das Wasser wird durch eine eigens dafür gebaute Leitung unter der Mosel hindurch geliefert, kommt in Mertert an und wird direkt an die dortigen Haushalte geliefert.

Schengen bekommt eine Leitung

Für Schengen ist laut Umweltministerium eine Wasser-Pipeline geplant. Darüber sollen Wasserlieferungen aus dem gegenüberliegenden deutschen Perl möglich werden. Auch Rosport-Mompach bezieht durch eine Leitung unter der Sauer regelmäßig Wasser aus der Verbandsgemeinde Trier, wie Bürgermeister Romain Osweiler gegenüber dem Tageblatt bestätigt. Das sei aber nur ein Bruchteil dessen, was gebraucht wird, so Osweiler. Den Löwenanteil des Wassers liefern Echternach und Consdorf. Mit der „Sources Rosport S.A.“ sitzt zwar ein großer Mineralwasserlieferant vor Ort, was aber keine Alternative sei, so der Bürgermeister. Das dort gewonnene Wasser enthalte schon bei der Förderung viel zu viel Kohlensäure. Osweiler begrüßt insgesamt die Möglichkeit, „von zwei Seiten“, wie er sagt, die Trinkwasserversorgung in seiner Gemeinde gewährleisten zu können. Genau so argumentiert auch Schengens Bürgermeister Michel Gloden. Die Gemeinde habe genug Wasser, aber aufgrund der Bevölkerungsentwicklung in Schengen und Mondorf sei es von Vorteil, wenn die Versorgung doppelt abgesichert sei, so Gloden. Gleiches gelte für die Gemeinde Perl. Gloden beziffert die geplante Zufuhr mit 100.000 „Fuder“ Wasser. Wasser ist eben ein kostbares Nass.


Produktion in Luxemburg

Die maximale Produktion von Wasser in Luxemburg liegt bei 176.000 Kubikmetern Wasser pro Tag und setzt sich aus drei verschiedenen Quellen zusammen. Der Obersauerstausee in Esch/Sauer speist über das „Syndicat des eaux du barrage d’Esch-sur-Sûre“ (Sebes) 72.000 Kubikmeter pro Tag in die Verteilernetze ein. 66.000 Kubikmeter pro Tag kommen aus den Grundwasserentnahmen der Gemeinden und der Gemeindeverbände. Noch einmal 38.000 Kubikmeter pro Tag können aus Reservebohrungen des Sebes mobilisiert werden. Sebes beliefert fünf Gemeindesyndikate im ganzen Land: die 29 Gemeinden im Norden, elf im Zentrum, 22 im Süden, darunter auch Esch/Alzette, 16 Kommunen im Osten und sechs rund um die Hauptstadt. 270 Grundwasserquellen gibt es im Land.


Abschreckendes Beispiel: Vittel (F)

Wie wichtig Wasser ist, macht das Beispiel Vittel deutlich. Nur knapp 200 Kilometer von Luxemburg entfernt, im lothringischen Vittel, geht den Bürgern das Wasser aus. Dabei sitzt Vittel praktisch auf Wasser, auf Trinkwasser aus einem unterirdischen Reservoir. Das haben auch andere erkannt. Im ehemaligen Kur- und Badestädtchen der französischen Oberschicht des 19. Jahrhunderts pumpt der multinationale Konzern Nestlé seit 2001 rund 750.000 Kubikmeter pro Jahr ab. Das sind umgerechnet rund 750.000 Liter in Plastikflaschen – ein lohnendes Geschäft. Die Bürger des rund 5.000 Einwohner zählenden Städtchens nahe den Vogesen hingegen werden zum Sparen ermahnt. Im Sommer muss laut einem ZDF-Bericht Trinkwasser per Tanklastern aus den Nachbargemeinden herbeigekarrt werden. Der Grundwasserspiegel sinkt und ist, wenn es so weitergeht, bis 2050 ernsthaft gefährdet. Das steht sogar auf der Homepage des Konzerns. In der Mitteilung verpflichtet sich Nestlé auch, auf andere Entnahmestellen, die Überschüsse aufweisen, auszuweichen. Außerdem werde über eine weitere Verringerung der abgepumpten Wassermenge zum weiteren Schutz der „Bonne Source“ nachgedacht. Diese Entscheidung ist am 3. Juli 2018 gefallen, wie der Konzern weiter mitteilt. Es gab massive Proteste von Bürgern.

roger wohlfart
24. Juli 2018 - 20.24

Genau so ist es. Und darüber wäre Bodson fast gestolpert. Bodson war einer der fähigsten Minister der Nachkriegszeit. Er war später auch Kammerpräsident Er wird kaum noch erwähnt. " Nul n'est prophète dans son propre pays ". Solche Persönlichkeiten, Politiker von Format werden immer seltener.

René Charles
24. Juli 2018 - 8.43

Dem weitsichtigen Bodson's Vic haben wir auch die Kontrollstation zu verdanken: ohne diese Einrichtung hätten wir noch länger mit so manchem "Teimer" die Sicherheit auf unseren Strassen ignoriert.

roger wohlfart
23. Juli 2018 - 16.37

" Eux ils ont du pétrole, nous on a de l'eau " oder so ähnlich singt Michel Sardou. Aber für wie lange noch?Trinkwasser ist das kostbarste Gut das wir haben und damit müssen wir aufs sorgfältigste umgehen. Millionen Menschen weltweit leiden an Wassermangel oder Wasserknappheit, müssen unter sengender Hitze kilometerweit gehen um sich das " kostbare Nass " zu besorgen. Wenn bei uns der verordnete Bevölkerungswachstum weiterhin zunimmt, werden unsere Quellen auch in absehbarer Zukunft nicht mehr ausreichen. In den fünfziger Jahren hatten wir einen weitsichtigen Minister, Victor Bodson, dem wir Esch/Sauer, Vianden und Rosport verdanken. Ohne diese Wasserreservoirs, zumindest dem von Esch/Sauer, wäre es schlecht um unser Trinkwasser bestellt, das für uns alle so selbsverständlich ist.

leonie
23. Juli 2018 - 10.45

mehfach und von verschiedenen kommentatoren wurde hier in den letzten jahren vor wasserknappheit gewarnt. bereits jetzt muss wasser aus deutschland importiert werden. mehr technologie, mehr leute, mehr landschaftsversiegelung führen unabdingbar zu weiterem wasserverbrauch vielleicht gelingt es jemand auch politikern klar zu machen dass man geld nicht trinken kann. lächerlich dass bereits jetzt massenweise gutes trinkwasser über hunderte km bis nach hier inmportiert werden muss. Notlösung:klärwasser oberhalb des stausees wieder in die sauer einleiten

Jacques Zeyen
23. Juli 2018 - 9.46

Vor einer Ewigkeit mussten viele Gemeinden ihre eigenen Wasserquellen ( mit damals hochwertigem Trinkwasser) stilllegen.Einmal weil sie ans Sebes-oder Siderenetz angeschlossen wurden weil ihre Kapazitäten für die Zukunft nicht mehr ausreichen würden,aber vor allem wegen zu starker Pestizidbelastung. Massive Gülleverteilung auf den Ackerflächen brachte die nötige bakterielle Verseuchung . Wasserschutzgebiete ,wie damals schon in Deutschland üblich, waren noch ein Fremdwort. Nach dem Unglück in Belgien bei dem tausende Liter Chemikalien in den Stausee liefen öffneten den Behörden die Augen. Die berühmten großen, natürlichen weil unterirdischen, Wasserreserven wurden getestet und..Upps.Sie waren genau so stark belastet wie die normalen Quellen.Heute schon muss das Wasser aufwendig aufbereitet werden um Nitrite,Nitrat und andere Schadstoffe auszufiltern.Jetzt liegt das Kind im vergiftetenBrunnen und wir müssen sparen.Es gibt Milliarden Km/2 Wasser auf der Erde.Es wird nicht mehr und auch nicht weniger.Allein die Qualität kann sich ändern.