Gewalt gegen Frauen bleibt noch zu oft ein Tabuthema. Aktionen wie die Orange Week sollen das ändern. Das Tageblatt sprach anlässlich der Kampagne mit der Verantwortlichen eines Frauenhauses und einem Opfer.
2017 wurden in Luxemburg 715 Polizeieinsätze wegen häuslicher Gewalt registriert. 217 sogenannte Fernhaltemaßnahmen („expulsions“) wurden von der Staatsanwaltschaft entschieden. Und auch wenn dieser Wert leicht unter dem der vorherigen Jahre liegt, so sei er aber immer noch viel zu hoch, monieren die Verantwortlichen der Hilfsorganisationen und Frauenhäuser. Hier finden Opfer von häuslicher Gewalt, sei sie physisch oder psychisch, Hilfe. Nun sind die Unterkünfte für die Frau aber quasi überall voll. „Einige mussten sogar Wartelisten einführen“, erklärt uns gegenüber eine Sozialarbeiterin.
Das Fachpersonal der Hilfseinrichtungen versucht den Opfern so gut wie möglich zu helfen. „Häufig bleibt es nicht bei den Schlägen, den Verunglimpfungen, den Drohungen usw. Manche Opfer werden auch sexuell misshandelt“, erzählt die Sozialarbeiterin weiter. In Luxemburg wurden 2017 insgesamt 84 Vergewaltigungen sowie 126 Fälle von „unsittlichem Berühren“ gezählt. Die Frauen würden trotz Therapien oft jahrelang unter den Übergriffen leiden. Zudem würden sie, wenn sie in den Frauenhäusern ankommen, aus ihrer gewohnten Umgebung herausgerissen. Sie fühlen sich schwach, hilflos und haben kein Selbstwertgefühl mehr. Schlimmer wird die Lage, wenn Kinder im Spiel sind.
Gefährliche Arbeit
Nach dem Aufenthalt im Frauenhaus muss die Mehrzahl der Frauen wieder komplett bei null anfangen. Das ist schwer, unter anderem weil sie häufig keine finanziellen Ressourcen haben und sich keine Wohnung leisten können. Die Folge: Viele Opfer bleiben viel länger im Frauenhaus als eigentlich notwendig. „Hier muss der Staat nachbessern“, so die Chefin einer Sozialeinrichtung. Sie erklärt anschließend, dass auch die Arbeit der Helfer nicht ganz ungefährlich ist. Es komme vor, dass ein aufgebrachter Ehemann oder Freund plötzlich vor der Tür steht und mit seiner Partnerin reden will. „Wir schicken ihn dann immer weg. Befolgt er unsere Aufforderung nicht und wird z.B. frech oder gar aggressiv, so bleibt uns keine Wahl, als die Polizei einzuschalten. Die Minuten, bis die Beamten da sind, können aber sehr lang sein“, so die Heim-Chefin.
Aber wie fühlen sich eigentlich die Bewohnerinnen der Hilfseinrichtung? Viele sind hin- und hergerissen zwischen der Abhängigkeit zu ihrem Folterer und dem Wunsch, dass dies alles aufhört. „Es fing vor einem Jahr an“, erzählt L. „Mein Mann verlor seine Arbeit, begann zu trinken und sich immer weniger für die Familie zu interessieren. Wenn er abends nach Hause kam, hatte ich die Kinder bereits ins Bett gebracht. Sie sollten nicht mitbekommen, wie er mich schlug und beschimpfte.“
„Ich schämte mich“
Auf Hilfe verzichtete die gelernte Sekretärin zunächst. „Ich schämte mich und hoffte, dass sich das wieder einrenken wird, spätestens wenn er wieder Arbeit findet.“ Aber auch als der Buchhalter bei einer Firma unterkam, änderte sich nichts – sehr zum Leidwesen der Frau. „Als er dann nach einiger Zeit anfing, meine Kinder als Druckmittel zu benutzen und mir gegenüber Drohungen gegen sie ausstieß, reichte es mir. Ich kontaktierte meine Schwester und verließ unser Zuhause mit den Kindern. Jetzt lebe ich schon einige Wochen hier und fange durch die Therapie jetzt erst so langsam an zu realisieren, was eigentlich passiert ist.“
Die Scheidung ist inzwischen eingereicht, eine einstweilige Verfügung wurde beschlossen, die Wohnungssuche läuft auf Hochtouren. Eine Arbeit hat die junge Frau auch wieder gefunden. „Ich werde neu anfangen, auch wenn es schwer ist. Die Kinder geben mir Kraft“, so L. Den Nachwuchs darf der aggressive Vater vorerst nur unter Aufsicht sehen. „Das ist für die Kleinen nicht einfach. Sie sind erst 5 und 7 und verstehen das nicht“, so die Mutter mit einem traurigen Blick.
Im Fall von L. verließ die Frau das gemeinsame Zuhause und ging in ein Frauenhaus. Das ist aber nicht immer so. Oft muss der gewalttätige Mann die Wohnung verlassen. Bei einer „expulsion“ wird ihm untersagt, im selben Haus wie sein Opfer zu wohnen oder sich ihm zu nähern. Die Botschaft wird von der Polizei überbracht. „Die Maßnahme ist aber nicht sehr effizient“, klagt die Verantwortliche des Frauenhauses. Sie habe nur 14 Tage, mit einer etwaigen Verlängerung drei Monate Bestand. Viele Fälle von häuslicher Gewalt landen vor dem Richter. Im letzten Jahr kam es zu 56 Verurteilungen. In diesem Jahr wurden bisher fast 50 Urteile gezählt. Die Gewalt betrifft aber nicht nur Frauen. Etwa 10 Prozent der Opfer sind Männer, betonen Experten.
De Maart

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