Lëtzebuergesch: Segen und Fluch zugleich

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Luxemburg tut sich mit seiner Sprachsituation schwer: Die Mehrsprachigkeit ist, je nach Perspektive, Segen und Fluch zugleich. Genau dies bestätigt die jüngste OECD-Studie.
Wer es als Schüler mit Migrationshintergrund in unserem Bildungssystem schaffen will, hat es einfacher, wenn er „Lëtzebuergesch“ beherrscht.

In Luxemburg ist mehr als einer von zwei 15-jährigen Schülern im Ausland geboren oder hat einen Elternteil, der nicht in Luxemburg zur Welt gekommen ist. Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) haben 70 Prozent der Schüler in Luxemburg einen Migrationshintergrund. Luxemburg liegt damit auf Platz zwei hinter der Schweiz.

So viel vorweg: Dies sagt noch überhaupt nichts über die Sprachkenntnisse eines Schülers mit Migrationshintergrund in Luxemburg aus. Denn gerade hier zeigt die gestern veröffentlichte OECD-Studie „The Resilience of Students with an Immigrant Background“, dass man die Sprachsituation eben nicht vereinfacht analysieren kann. Ein Beispiel: Im internationalen Vergleich ist ein schlechtes Abschneiden von Schülern mit Migrationshintergrund besonders in Luxemburg, Belgien, Deutschland, Österreich, Finnland, Japan, Schweden, Island, Schweiz und Dänemark ausgeprägt.

Geringere Aufstiegschancen

Doch was bedeutet dies genau? Sind alle Schüler mit Migrationshintergrund, wie es aus rechten Kreisen verlautet, automatisch schlechtere Schüler? Nein. Es ist vielmehr Ausdruck verringerter gesellschaftlicher Aufstiegschancen.

Die OECD meint hierzu: „In diesen Ländern ist die Wahrscheinlichkeit für Schüler mit Migrationshintergrund (im Land oder Ausland geborene Schüler; Schüler, deren beide Elternteile ausländisch sind) im Vergleich zu Schülern ohne Migrationshintergrund doppelt so groß“, in der Schule keinen grundlegenden Erfolg zu haben.

Durch diese Situation wird nicht nur die berufliche Karriere erschwert. Die Lebensqualität von Schülern mit Migrationshintergrund ist stark beeinträchtigt: „In Österreich, Finnland, Luxemburg und der Schweiz berichten sie im Vergleich zu Schülern ohne Migrationshintergrund eine viel größere Angst, die an ihre Schulleistung gekoppelt ist“, heißt es im Bericht. Zum Vergleich: In Australien, Kanada und selbst im oft gerügten Ungarn haben Schüler mit Migrationshintergrund kein größeres Risiko als Schüler ohne Migrationshintergrund, in der Schule zu scheitern.

Größere Chancen für…

Die OECD weist zudem auf die Unterschiede zwischen den Schülern mit Migrationshintergrund hin. Die Schwierigkeiten in der Schule variieren auch je nach Herkunft und können nicht pauschal dargestellt werden. So hätten in Luxemburg Schüler aus Kap Verde, die zur ersten Generation der Auswanderer gehörten, eine 29 Prozent geringere Chance, schulische Grundkenntnisse zu erlangen als in Luxemburg geborene Kinder. Die erste Generation der Schüler mit Migrationshintergrund aus Portugal habe hingegen „nur“ eine 16 Prozent geringere Chance.

Besonders interessant: Laut OECD hat die erste Generation der Schüler mit Migrationshintergrund aus Frankreich eine fünf Prozent größere Chance als in Luxemburg geborene Schüler, um schulische Grundkenntnisse zu erlangen. Diese Unterschiede näherten sich jedoch bei den Schülern mit Migrationshintergrund zweiter Generation im Vergleich zur ersten Generation an. Dennoch bleibe der Abstand weiterhin groß.
So sei die Kluft zwischen Studenten ohne Migrationshintergrund und Schülern mit Migrationshintergrund der zweiten Generation 13 Prozent größer als im Vergleich zur Kluft, die bei der zweiten Generation von Schülern entstehe, deren Eltern in Kap Verde geboren seien.

Die OECD weist darauf hin, dass der Grad an Bildung und Kultur, der vor dem Auswandern erlangt wurde, stark mit der Leistung der Schüler im Ankunftsland zu tun habe. Dies gelte demnach auch hierzulande. In Luxemburg sei die Wahrscheinlichkeit groß, dass die erste Generation von Schülern mit Migrationshintergrund aus Italien und Portugal die gleichen sprachlichen und sozioökonomischen Probleme erlebe.

Unterschiede beim Zugehörigkeitsgefühl 

Interessanterweise ändere sich aber zwischen der ersten und der zweiten Generation von Schülern mit italienischem Migrationshintergrund wenig. Sie hätten jeweils eine 10 oder 11 Prozent geringere Chance, schulische Grundkenntnisse zu erlangen. All dies ändert laut der OECD jedoch nichts am Zugehörigkeitsgefühl der besagten Zuwanderergemeinschaften.
So sei die Wahrscheinlichkeit größer, dass sich Schüler mit italienischem oder portugiesischem Migrationshintergrund eher in ihrer Schule zu Hause fühlten als Schüler mit französischem Migrationshintergrund. Dies, obwohl Französisch zu den offiziellen Sprachen in Luxemburg gehöre.

Dennoch ist es für die erste Generation von Schülern aus Portugal im Vergleich zu in Luxemburg geborenen Schülern 16 Prozent weniger wahrscheinlich, das Gefühl zu entwickeln, zu ihrer Schule zu gehören. Für die erste Generation von Schülern aus Frankreich liegt dieser Wert gar bei 25 Prozent.

Die OECD weist aber darauf hin, dass die französischen Schüler theoretisch durch die sprachliche und kulturelle Nähe zu Luxemburg im Vorteil sein könnten. Dennoch spielen ganz andere Faktoren eine Rolle beim Zugehörigkeitsgefühl zur Schule.

Reizthema Sprache

Was aber sagt die OECD zum Reizthema Sprache mit Blick auf Luxemburgs Schule? Im internationalen Vergleich sprechen 12 Prozent der Schüler nicht die Landessprache(n). Im EU-Vergleich sind es 15 Prozent. In Luxemburg sprechen laut OECD 84 Prozent der Schüler keine der Landessprachen zu Hause. Allerdings präzisiert die Organisation nicht, ob die Kinder dennoch eine dieser Sprachen beherrschen.

Luxemburg fällt demnach in eine Kategorie von Ländern mit ähnlich komplexer Sprachsituation. Hierzu zählt die OECD etwa Malta, Singapur, den Libanon und Indonesien. In besagten Staaten spricht die Mehrheit der Schüler nicht die Landessprache. Es handele sich laut OECD um Länder mit etablierten Sprachminderheiten.

Allerdings wird in diesem Zusammenhang auf die Spezifität der Luxemburger Sprachsituation hingewiesen. Luxemburg, Macao (China) und Malta seien die einzigen Staaten, wo es für die einheimischen Schüler wahrscheinlicher wäre, dass zu Hause eine andere Sprache als die Unterrichtssprache gesprochen würde. 39 Prozent der befragten Schüler würden etwa in Luxemburg Portugiesisch zu Hause sprechen.

Die OECD weist zudem darauf hin, dass von Schülern erwartet wird, in zumindest zwei Sprachen ein hohes Niveau zu erreichen. Ohne große Überraschung fordert die OECD deswegen, dass der Schlüssel zum Erfolg die Überwindung der sprachlichen und sozioökonomischen Differenzen sei.

Lol Humbert
20. März 2018 - 21.26

Letzeburgesch ass fir d'intégration vun de Schüler wichteg. Wo et fehlt dat ass dat mer de Schoulniveau ze weit erof gesat hun. Wat als Hellef fir an enger Sproch geducht war ass eng Farce gin, Eis Schüler sin net me domm gin; et get just manner vun hinne verlangt, Och sin Ofschafen vun Strofen an Durchfalen e Selbstgoal. Mir sollten no eiser spezifescher Situation kucken an net no OECD. Och sollten Elteren me an d'Verantwortung gezu gin. Eng Madame huet gemment: Mais c'est l'Etat qui exige que mes enfants aillent à la crèche. (Madame schaft net)

Nilles
20. März 2018 - 14.50

Wat sollen d'Immigranten dann och mat Lëtzebuergesch ufänken? Op hirer Aarbecht bestëmmt näischt. Beim Bäcker a beim Metzler notzt et näischt, am Café an am Restaurant och net. A wann se an de Park ginn, da gesinn se Stacklëtzebuerger déi mat hire Muppen auslännesch schätzen. 'Sitz!', 'Apporte!'. Just d'Kanner kënnen et gebrauchen.

L.S
20. März 2018 - 10.41

Vielleicht liegt es auch den sozio-kulturellen Hintergründen in den jeweiligen Haushalten. Bei Migrantenfamilien stehen oft andere Sorgen als die Bildung ihrer Kinder im Vordergrund. Viele Familien leben in ihrem besonderen Umfeld und bevorzugen Kontakte mit den Menschen aus ihrer Heimat. Sie bleiben « unter sich ». Ausserdem, bleibt bei vielen der Wunsch nach einer Rückkehr ins Heimatland erhalten, die Bereitschaft zur Integration verliert dadurch an Wichtigkeit. Die Eltern bewerten die erzielten Resultate ihrer Kinder oft als ausreichend, wenn auch nicht unbedingt ein Spitzenplatz belegt wird. Erst viel später wird den Menschen klar, dass sie eine neue Heimat gefunden haben und erst einige Generationen später kommt es zu einem Ausgleich. Migranten sollten daher speziell gefördert und besonders die Eltern sensibilisiert werden. Sie sind es im Endeffekt, die Einfluss auf die Schüler haben und ihnen die Wichtigkeit eine « guten Bildung » vermitteln können. Es ist nicht nur ein Sprachenproblem, auch die Wertstellung der Bildung durch die Eltern ist ausschlaggebend. Von einigen unterschätzt, von anderen unterbewertet.