„Let’s talk about art“ – In Luxemburg gibt es in Sachen Kunst noch Luft nach oben

„Let’s talk about art“ – In Luxemburg gibt es in Sachen Kunst noch Luft nach oben

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Wie hat ein Museum heutzutage zu funktionieren und welche Missionen sollten wie erfüllt werden? Mögliche Antworten hierzu gab es am vergangenen Sonntag auf der Art Week im Rahmen einer einer Konferenz mit dem Titel „Le musée à l’époque contemporaine“. Ansprechpartnerinnen waren in diesem Fall zwei bekannte Damen vom Fach: Emma Lavigne (Centre Pompidou Metz) und Suzanne Cotter (Mudam).

Von unserem Korrespondenten Christian Schaack

Im Rahmen des Gesprächs, das vom Kunstkritiker und freien Journalisten Christian Mosar moderiert wurde, betonte Cotter, dass sie alleine schon aus persönlichem Ehrgeiz heraus künftig versuchen werde, höhere Besucherzahlen im Mudam zu erreichen. Es gehe jedoch weder darum, die Häuser in abschreckende Kathedralen zu verwandeln, noch darum, übertriebene Sensationsangebote aufzutischen.

Doch prioritär solle erst einmal der Zugang zur Kunst erleichtert werden. Ausgehend von der bewährten intellektuellen Analyse, die auf einer kunsthistorischen Basis fundiert, sollte man endlich die Sinne als ergänzendes Erläuterungsmittel hinzugewinnen. Museen müssen heute zum sinnlichen Erlebnis werden. Schon jetzt gäbe man vielerorts den Besuchern die Möglichkeit, Werke mit allen Sinnen zu erfassen.

So kann man beispielsweise, um die aktuelle Ausstellung „Peindre la nuit“ hautnah erleben zu können, eine Nacht im Centre Pompidou schlafen. Auch im Mudam wurden bereits Yoga-Kurse inmitten von Kunstwerken angeboten. Museen sollten sich demnach verstärkt therapeutischen Missionen widmen. Trotz allem sollten aber nach wie vorm kunsthistorische Recherchen den Ausstellungen vorausgehen.

Besonders über Künstlerinnen gäbe es noch viel zu forschen. Gerade weil es in Luxemburg keine Hochschulausbildung im Kunstbereich gibt, möchte Cotter Brücken zu den Akademien in Metz und Nancy schlagen, um so angehende Künstler systematisch einzubinden. Auch weltweit sollten Museen verstärkt mit Universitäten zusammenarbeiten, so der Befund am Sonntag. Im Rahmen einer anderen Konferenz („Is the art market overheating?) am Freitag erklärte die britische Journalistin Georgina Adam, dass der Markt zurzeit 55 dominierende Topkünstler zählt. Weltweit scheine jeder sie haben zu wollen.

Freiheitsk(r)ampf

Lavigne beteuerte ihrerseits in der Runde mit Cotter und Mosar, dass die Verwaltungsräte der europäischen Museen ihren Führungskräfte mehr Freiheiten in dieser Frage zugestehen als beispielsweise die amerikanischen Räte: „Wir können es uns eher erlauben, neue Talente zu entdecken und weniger bekannte Namen dem Publikum zuzuführen.“ Man müsse dabei jedoch Risikobereitschaft an den Tag legen. Erschwert werde dieses Vorhaben allerdings dadurch, dass moderne Kunst im Schnitt mehr Besucher anziehe als zeitgenössische.

Cotter ergänzte diese Analyse mit der Aussage, dass sie persönlich besonders viel Wert darauf lege, auch die Kunst der 1960er-Jahre zu zeigen. In diesem Zeitraum sind nämlich die Grundsätze für die heutigen Werke entwickelt worden. Aus diesem Grund bezeichne sie diese auch als historische zeitgenössische Kunst.

Die damaligen technischen Entwicklungen prägten die Werke in der Tat einschlägig. Und heute stehen wir, dank der Künstlichen Intelligenz, erneut vor solch einer bahnbrechenden Entwicklungsphase. Shows wie jene auf der Biennale oder der Dokumenta sind deshalb auch unumgänglich. Dort kann man Nachwuchskünstler entdecken, es gibt eine kuratorische Geschichte zu entziffern und die Künstler erleben meistens einen Höhepunkt. Cotter erklärte des Weiteren, dass eine Studie aus Großbritannien belege, dass der Mehrwert, den ein Museum seinem Standort bringt, die eigenen Unkosten weit übertrifft. In Metz reist bereits jeder zweite Stadtbesucher wegen des Kunstzentrums an. Daraus ergibt sich ein Mehrwert von 126 Millionen, den das Centre Pompidou bis jetzt eingebracht hat.

In der Frage, inwiefern private Museen wie die Fondation Louis Vuitton den staatlichen Häusern schaden, sind sich beide Leiterinnen einig, dass diese keine existenzielle Bedrohung darstellen. Nichtsdestotrotz wird ihre eigene Arbeit dadurch wesentlich komplizierter. Und gerade weil die Versicherungskosten mittlerweile astronomisch in die Höhe geschnellt sind, können sich staatliche Institute kaum noch moderne Kunst leisten. Diese Kunstperiode ist zum puren Luxus geworden. Die privaten Häuser nutzen dies gezielt aus, um ihr Image zu verstärken. Lavignes Bemerkung, das Gesetz des Stärkeren oder des Reicheren dürfte nicht weiterhin so dominieren, erntete verdientermaßen großen Applaus.

Aus der Diskussionsrunde kann man schlussfolgernd schließen, dass die Politik mehr denn je gefordert ist. Indem man Mäzenengelder für öffentliche Museen steuerlich viel attraktiver als für private Institutionen machen würde, könnte man dem Problem eventuell schon etwas beikommen.

Dazu braucht man eigentlich neben politischem Willen „nur“ führende Politiker mit ausreichend Sachkenntnis. Daran sollte es hierzulande doch wohl nicht scheitern … oder doch?


Mudam-Direktorin Suzanne Cotter im Gespräch

Tageblatt: Welchen Umgang pflegen Sie mit den Künstlern? Gibt es zum Beispiel Atelierbesuche?

Suzanne Cotter: Die Künstler stehen im Mittelpunkt meiner Überlegungen, meiner Arbeit. Sie zu treffen, ihnen zuzuhören, ihre Arbeit kennenzulernen, all dies ist sehr wichtig. Es gibt verschiedene Kontaktformen, es hängt vom Alter der Künstler ab, von ihrem Wohnsitz oder vom jeweiligen Karrieremoment. Heute empfangen einen die meisten Künstler in ihrem Büro umgeben von einer Reihe Mitarbeiter. Junge Künstler verfolge ich über ihre gesamte Karriere hinweg. Starke Verbindungen entstehen besonders im Falle einer Ausstellung. Es ist schon sehr zeitaufwendig, die vielen Künstler, mit denen ich bereits zu tun hatte, zu verfolgen. Es ist jedoch unentbehrlich.

Wie erfassen Sie das Publikum des Mudam?

Bisher wurde nur die Nationalität der Besucher erfasst. Eine genaue Profilanalyse gab es bis jetzt noch nicht. Dies geschieht jedoch tatsächlich zurzeit während der Jeff-Wall-Ausstellung in unserem Haus. Natürlich spreche ich auch selbst mit den Besuchern.

Zählt Ihr Mudam-Team ausreichend Mitarbeiter?

Wir haben ein exzellentes Team – und doch fehlen uns einige Kompetenzen. In der Tat verändert sich die Kunstwelt sehr rapide. Es gibt immer neue Kunstformen und Techniken, an die man sich anpassen muss. Also überlegen wir, welche Kompetenzen wir künftig benötigen werden. Ein Team kann nicht statisch bleiben, man muss sich den Evolutionen der Werke anpassen.

Kürzlich haben drei Mitarbeiter Ihr Team verlassen. Beunruhigt Sie das?

Aktuell haben wir 46 Mitarbeiter. Dass es ein „Turnover“ gibt, ist normal, solche Bewegungen sind nicht außergewöhnlich und dies beunruhigt mich keineswegs. Das Haus funktioniert seit 12 Jahren, einige sind von Anfang an dabei gewesen und suchen nun einfach anderswo neue Herausforderungen. Auf diese Weise können wir unser Team verjüngen und auffrischen, was ein wichtiger Aspekt ist.

Wie sieht Ihre persönliche Wunschliste für das Mudam aus?

Ich hätte gerne einen Ort, der nur Schulklassen-Workshops oder der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gewidmet ist. Das Heranführen dieser Generation an die zeitgenössische Kunst ist prioritär. Zweitens wünsche ich mir mehr Geld für die Ausstellungen und mehr Geld, um die Sammlung noch besser zu ergänzen.

roger wohlfart
1. Dezember 2018 - 18.29

Ët kann een alles iwwerdreiwen. Ët gi vill méi wichteg Saachen op der Welt an zu Lëtzebuerg e wéi d'Konscht. Per Definitioun ass d'Konscht eppes Kënschtleches, Onnatierleches, dat d'Liewen zwar ka verschéineren a beräicheren, dat awer nët noutwendeg a reng matériel gesinn, iwwerflësseg ass.

Bananana
15. November 2018 - 8.39

"Lavigne beteuerte ihrerseits in der Runde mit Cotter und Mosar, dass die Verwaltungsräte der europäischen Museen ihren Führungskräfte mehr Freiheiten in dieser Frage zugestehen als beispielsweise die amerikanischen Räte: „Wir können es uns eher erlauben, neue Talente zu entdecken und weniger bekannte Namen dem Publikum zuzuführen.“ Man müsse dabei jedoch Risikobereitschaft an den Tag legen. Erschwert werde dieses Vorhaben allerdings dadurch, dass moderne Kunst im Schnitt mehr Besucher anziehe als zeitgenössische." Domader hunn eis Leit bis elo net geglänzt....