Mit Volldampf in die Zukunft von gestern: Fetisch-Fotograf lädt zur Steampunk-Party

Mit Volldampf in die Zukunft von gestern: Fetisch-Fotograf lädt zur Steampunk-Party

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Die Welt des Steampunk wirkt wie eine Welt, in der die Zeit angehalten wurde: Dampfmaschinen und Elektrizität sind die einzigen Energiequellen. Aus dem Maschinendampf treten Frauen in viktorianisch angehauchten Kleidern und Männer mit Fliegerbrillen, Zylindern und Taschenuhren hervor. Wir haben uns mit dem Fetisch-Fotografen Etienne Braun über die Steampunk-Bewegung und die damit verbundene Kreativität unterhalten.

Tageblatt: Was steckt hinter der Steampunk-Bewegung?
Etienne Braun: Steampunk ist in den vergangenen Jahren zu einer Art Mode geworden. Der Stil erinnert sehr viel an die Werke von Jules Verne. Es scheint, als ob die Welt um 1900 oder das Industriezeitalter eine andere Wendung genommen hat. Seit ein paar Jahren wird die Steampunk-Convention in Fond-de-Gras organisiert und mir kam die Idee, bei mir abends in der Galerie eine private Steampunk-Party zu veranstalten. Da die meisten aus dem Ausland anreisen und dann auch noch abends irgendwo mit ihren Outfits feiern können.

Sie haben die Kostüme angesprochen. Wie lange dauert deren Anfertigung oder gibt es mittlerweile schon spezielle Läden dafür?

Steampunk ist etwas sehr Kreatives. Viele aus der Szene erdenken, erschaffen und schneidern ihre Kostüme selbst. Doch mittlerweile gibt es auch eine eigene Industrie, die solche Kostüme anbietet, sogar zu einem relativ niedrigen Preis. In Fond-de-Gras gibt es ebenfalls das Passende zu kaufen. Vieles wie die Accessoires und die Waffen kann selbst angefertigt werden. Zu den Oktoberfesten ziehen viele ein Dirndl an, von denen es inzwischen massenweise welche von der Stange zu kaufen gibt. Bei Steampunk hingegen ist Kreativität gefragt.

Welche Faszination steckt dahinter?

Es fasziniert, Sachen anzuziehen, die nicht jeden Tag und nicht überall zu sehen sind. Meine Party habe ich ganz gewollt Steampunk-Fetisch genannt, weil ich auch Fetisch-Fotograf bin. Fetisch ist jetzt natürlich noch etwas anderes. Heutzutage werden die Menschen einfach standardisiert. Alle Angaben und Daten eines jeden werden gesammelt und wir werden wie Nummern behandelt. Hinter Steampunk steckt viel Individualität. Keine zwei Kostüme sehen gleich aus. Das fasziniert mich. Als Künstler ist man ja per se mit relativ wenig einverstanden. Man wird heutzutage einfach in ein Schema hineingepresst. Alles hat gleich zu funktionieren, gleich zu denken und auszusehen. Manchmal ziehe ich im Alltag Steampunk-Klamotten oder Fetisch-Sachen an und schon werde ich angeschaut, als ob ich ein Außerirdischer wäre.

Was bedeutet Fetisch für Sie?

Ich bin schon oft gefragt worden, was hinter dem Wort Fetisch steckt. Das Wort kommt eigentlich aus dem Portugiesischen. Früher haben die Seefahrer, wenn sie in See gestochen sind, ein Objekt mitgenommen, das sie an ihre Freundin erinnerte. Ich definiere Fetisch immer als Mehrwertsteuer von der Sexualität. Also man nimmt einen nackten Körper und fügt ihm ein Objekt hinzu, damit sein sexueller Wert steigt. Das können Schuhe, Ohrringe, ein Hut oder auch Schals sein. Es muss nicht unbedingt Lack und Leder sein. Durch den Film „Fifty Shades of Grey“ ist das Thema Lack viel populärer geworden. Heute weiß jeder, dass so etwas existiert. Früher war es verruchter und wurde von den Menschen eher im Domina-Bereich gesehen.

Zurück zu Steampunk: Wann haben Sie den Stil für sich entdeckt?

Vor vier oder fünf Jahren. Fetisch mache ich schon seit über 40 Jahren. Beide Welten liegen vom Design her relativ nah beieinander: Bei beiden gibt es viele Corsagen, geschnürte Stiefel und so weiter. In Luxemburg habe ich Steampunk zum ersten Mal in Fond-de-Gras gesehen. Ich hatte das vorher schon im Ausland kennengelernt und war positiv überrascht, als auf einmal in Fond-de-Gras ein solches Event stattfand: Die Umgebung, mit den alten Zügen und Lokomotiven, ist passend dazu.

Sie haben vorhin gesagt, die meisten kommen aus dem Ausland. Im Großherzogtum ist Steampunk dann noch nicht so verbreitet?

Hier in Luxemburg gibt es sicher auch eine Szene, die zwar noch sehr klein ist, doch es werden immer mehr. Vor 20 Jahren hat schließlich auch noch niemand von einer Halloweenparty gesprochen.


Die Steampunk-Convention „Anno 1900“

Zum achten Mal entführt die Convention an diesem Wochenende in das viktorianische Zeitalter. Die vielen Besucher in Steampunk-Outfits werden sicherlich wieder mit ihrer originellen Kleidung beeindrucken. Auf einem zeitgenössischen Markt mit mehr als 50 Ständen wird eine große Auswahl an Accessoires, Zeichnungen, Schmuck und anderen Steampunk-Sammlerstücken angeboten. Der Zugang zum Fond-de-Gras ist nur mit den Shuttlebussen von Niederkorn, Differdingen und Lamadelaine (1 Euro pro Person, erste Abfahrt um 10.45 Uhr) oder mit dem „Train 1900“ von Petingen aus möglich.

Wann?
Samstag und Sonntag ab 11 Uhr
Wo?
Im Minettpark Fond-de-Gras
Weitere Infos:
www.anno1900.lu


Steampunk-Party in Etienne Brauns Kunstgalerie

Etienne Braun ist Kunstfotograf und schießt Fetisch-Fotos. Von der Idee bis zum fertigen Foto können schon mal sechs Monate oder auch ein Jahr vergehen, denn passend zum Konzept sucht er sich das richtige Model und die Accessoires zusammen, um das gewünschte Motiv umsetzen zu können. Seine private Kunstgalerie in Crauthem dient nicht-kommerziellen Zwecken, d.h. er verlangt keine Provision und verkauft seine Werke zu Einkaufspreisen. Mit 1.000 m2 handele es sich laut dem Kunstfotografen um die größte des Landes.

Die Ausstellungsräume stehen auch anderen Künstlern gegen Miete zur Verfügung. Einmal im Jahr stellt er seine eigenen Werke aus und alle paar Jahre veröffentlicht er ein Fotobuch. In seiner Galerie hängen Fotos von bekannten Schauspielern wie Gérard Dépardieu und Al Pacino: „Früher habe ich viele Filme gemacht, ich musste ja irgendwie Geld verdienen.“

Im Web ist er nicht präsent – damit niemand seine Fotos herunterladen kann. Seine Bücher verkauft er ebenfalls nur in der Galerie, damit er den Interessenten seine Kunst erklären kann: „Ich weiß, es ist alles etwas speziell und ungewohnt, doch einer muss es ja machen.“ Ein großes Problem sei, dass die Menschen allgemein relativ wenig über Fetisch und BDSM Bescheid wüssten. Es gäbe keine Sexorgien wie damals beim Woodstock-Festival, sondern alles sei klar definiert und geregelt. Am Samstagabend veranstaltet der Kunstfotograf seine zweite „Steampunk- und Fetish-Party“.

Wo?

In seiner Kunstgalerie, 4, rue Dr Auguste Schumacher, Crauthem

Anmeldung

Per E-Mail an etiennebraun@me.com (Vorverkauf 35 Euro, Abendkasse 50 Euro) möglich.

Dresscode

Dabei legt Etienne Braun großen Wert auf den Dresscode und lässt niemanden herein, der in Jeans und T-Shirt feiern will. Outfits, die zum Thema passen, sind also ein Muss.
Für die Musik ist die Live-Band ShadoWhisperS zuständig. Diese ist auf eine Mischung aus klassischer Musik und industriellen Klängen spezialisiert, die jedoch nicht aggressiv klingt.