Die Schuldenspirale in Luxemburg: Nicht einmal reiche Menschen sind vor ihr sicher

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Mehr als ein Viertel der Bevölkerung in Luxemburg hat  Probleme, finanziell über die Runden zu kommen. Die Schuldenberaterin Christiane Steffen versucht Erklärungen für ein Phänomen zu finden, das Menschen ins Abseits treibt. 

Die Schuldenberatungsstelle von Inter-Actions beziehungsweise ihre stellvertretende Verantwortliche Christiane Steffen hat ihre „Gedanken aus Sicht einer Schuldnerberatung in Luxemburg“ dem Tageblatt offenbart. Das Thema der Armut beziehungsweise der „relativen Armut“ in Luxemburg sei aktueller denn je, so die Präventionsbeauftragte Christiane Steffen in ihrer Einführung. Es ist ihr wichtig zu vermitteln, dass sich das Thema Überschuldung nicht rein auf die finanziellen Aspekte beschränkt, eine umfassende Analyse der Problematik sei deshalb schwierig bis unmöglich.

Jede Situation der rund 400 Dossiers, die pro Jahr von den fünf Mitarbeitern in der Escher Zentrale behandelt werden, ist anders. Die Überschuldung ist meist das Produkt (oder auch der Auslöser) von anderen Lebenskrisen wie etwa Arbeitsverlust, Trennung/Scheidung, Krankheit, gescheiterte Selbstständigkeit oder auch eine schlechte finanzielle  Allgemeinbildung (im Volksmund das bekannte Nicht-mit-Geld-umgehen-können); es gibt aber auch die schiere Gier nach materiellem Besitz. Für Christiane Steffen ist die zunehmende Bedeutung materiellen Besitzes denn auch ein Problemfeld, das darauf hindeute, dass die Problematik nicht von heute auf morgen verschwinden wird.

Konsum als Medikament  

Die zunehmende Zahl der Trennungen von Eltern, aber auch die steigende Berufsbelastung beider Elternteile werde oft versucht, durch Geschenke an die Kinder zu kompensieren; eine Abgewöhnung dieser Verwöhnstrategie durch Materielles sei schwer – eine Herausforderung auf gesellschaftlicher Ebene. Das Phänomen Überschuldung sei in allen Einkommenskreisen zu finden, so die Beraterin, die auf die oben genannten Ursachen verweist. Wer bei hohem Einkommen relativ leicht seine Kredite bedienen kann, will, etwa nach einer Scheidung, seinen Lebensstil nur ungern aufgeben, kann aber eventuell den Hauskredit nicht mehr allein abbezahlen, will nicht auf das teure Luxusauto verzichten. Die Konsequenzen sind ähnliche wie beim Kleinverdiener, der mehrere (zu viele), schnell akzeptierte Kleinkredite in Elektronik- oder anderen Geschäften aufnimmt, um am Ende des Monats mit dem Finger im Mund dazustehen.


Hotline

Die Schuldenberatung von Inter-Actions kann über die Nummer
54 77 24 22 erreicht werden. Telefonisch wird eine erste Analyse der Finanzsituation gemacht, weitere Maßnahmen werden dann in der Beratungsstelle besprochen.


Zu der schwierigen finanziellen Situation kommt dann nicht selten, quasi als Kollateralschaden, die soziale Ausgrenzung hinzu, eine gewisse Scham, die oft verhindert, dass die Betroffenen rechtzeitig eine Beratungsstelle aufsuchen, und stattdessen selbst versuchen, aus der Krise herauszukommen, und diese meist nur noch verschlimmern.
Wie Christiane Steffen weiter erklärt, kann ein Anruf bei der Hotline von Inter-Actions ein erster Schritt aus der Überschuldung sein. Telefonisch wird eine erste Analyse der Finanzlage durchgeführt, in Gesprächen in der Beratungsstelle wird dann das weitere Vorgehen besprochen. Oft ist es für Inter-Actions möglich, als Mediator bei den Kreditgebern einzuwirken; sollte die Situation komplett verfahren sein, so bleibt als letzte Möglichkeit die Privatinsolvenz.

Die Altersarmut auf dem Vormarsch

Dieses Gesetz ermöglicht es komplett überschuldeten Menschen, nach spätestens sieben Jahren einen finanziellen Neuanfang zu machen. Während der Zeit bekommt die Person eine Art Finanzberater zur Seite gestellt. Dies sei aber die absolute Ausnahme, so Steffen. Meistens sei es möglich, innerhalb eines halben bis ganzen Jahres die Finanzen einigermaßen ins Lot zu bekommen. Dass die Altersarmut in Luxemburg noch nicht so verbreitet ist wie in den Nachbarländern, ist für Steffen kein Zeichen, dass dies auch so bleiben wird. Die vielen Menschen mit Interimsverträgen oder mit kleinen Einkommen am Mindestlohn oder knapp darüber seien morgen die Empfänger von „Hungerrenten“, das nächste Überschuldungsproblem sei demnach absehbar.


28,6 Prozent mit Finanzproblemen

Laut dem Bericht zur sozialen Kohäsion von Statec haben 28,6 Prozent der Haushalte Probleme damit, finanziell über die Runden zu kommen (Stand 2017).
Innerhalb von zehn Jahren nahm diese Quote um zehn Prozentpunkte zu. Besonders Alleinerziehende sind betroffen: Am stärksten haben jene mit zwei oder mehr Kindern (67 Prozent der Haushalte) mit finanziellen Problemen zu kämpfen, gefolgt von Alleinerziehenden mit einem Kind (51 Prozent) und Alleinlebenden (33 Prozent).


Die Konsequenzen für die Betroffenen können recht dramatisch sein, wie Steffen in ihren „Gedanken“ beschreibt. Viele der Betroffenen empfinden ihre Situation als ein Scheitern, Versagen ihres Lebens oder zumindest einer bestimmten Lebensphase. Oft brauchen sie deshalb lange, um sich der Situation zu stellen und die Beratungsstellen aufzusuchen. Viele versuchen vorher selbst eine Lösung zu finden, etwa durch neue Kredite, privates Geldleihen (bei Familie oder Freunden) und sind überzeugt davon, die Schulden bezahlen zu können. Die Geldprobleme belasten allerdings oft Beziehungen, haben Auswirkungen auf ihre Arbeit (Pfändungen), können aus Scham zu Rückzug aus dem sozialen Leben führen und sowohl physische als auch psychische Gesundheitsprobleme bedingen: Ein Teufelskreis.

Lesen Sie auch Robert Schneiders Kommentar zu dem Thema.

roger wohlfart
8. November 2018 - 13.54

Man kann ja alles und zu jeder Zeit auf Kredit kaufen und dann muss es noch ein " haut de gamme " sein. Sich der Decke nach strecken, war einmal. Aber damit sind unsere Eltern und Grosseltern schuldenfrei durchs Leben gekommen und waren wahrscheinlich zufriedener als ihre Nachfahren.

Jang
8. November 2018 - 9.47

Daat ass d'Resultat vun enger Wuelstandsgesellschaft zou Luxusburg, vun Joër zou Joër ginn ëtt ëmmer méi Leit an d'Armut geheit,dee ganze Liewensstandard zou Luxusbuerg brengt daat alles mat sech,eng Léisung gëtt ëtt nëtt. Weider ësou, reich ëmmer méi reich, aarm méi aarm.