Die Ruhe nach dem Sturm: So lebt ein Tornado-Opfer in Petingen

Die Ruhe nach dem Sturm: So lebt ein Tornado-Opfer in Petingen

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Am frühen Abend des 9. August wütete ein Tornado in den Straßen von Petingen und Käerjeng. Dabei wurden zahlreiche Dächer abgedeckt und andere Zerstörungen angerichtet. Die größte Sorge vieler Betroffener ist es, so schnell wie möglich wieder ein neues Dach über ihrem Haus zu bekommen. Fanny Ludig aus Petingen hat dem Tageblatt erzählt, wie es ihr in den letzten Wochen und Tagen ergangen ist.

Gute Zusammenarbeit

Wie hoch der Schaden in der Gemeinde Petingen ist, kann noch nicht genau beziffert werden, sagt Bürgermeister Pierre Mellina gegenüber dem Tageblatt. Bei einer Reihe von Häusern werden noch die Kostenvoranschläge erstellt. In zwei bis drei Monaten könne Genaueres gesagt werden. Dann ist auch erst abzusehen, welche Summe die Gemeinde übernehmen soll. Die geleistete Hilfe der vielen Freiwilligen sei lobenswert. Darüber hinaus sei die Zusammenarbeit zwischen lokalen und nationalen Institutionen sehr gut verlaufen. Jeder habe gut reagiert und die richtigen Entscheidungen getroffen. Allein die Kommunikation mit den Betroffenen, die woanders untergekommen waren und deswegen nicht direkt auffindbar waren, hätte besser sein können. Daran würden sie und die zuständigen Dienste arbeiten, so Pierre Mellina weiter.

In der rue Neuve in Petingen hat der Tornado am 9. August mit am schwersten gewütet. Dort sind mehrere Häuser so lange unbewohnbar, bis die Renovierungs- und Instandsetzungsarbeiten durchgeführt worden sind. In der Straße selbst ist nichts mehr zu sehen: Alles ist aufgeräumt und es herrscht fast wieder Normalität. Auf den ersten Blick sind nur die vielen Planen und Wagen von Unternehmen zu sehen. An manchen Häusern hängen Schilder von der Gemeinde, es stehen Absperrungen davor oder ein Gerüst. Hinter den Häuserfassaden sieht das schon anders aus. Dort ist die Schwere der Schäden zu sehen.

Fanny Ludig hat in einem der Häuser in der rue Neuve gewohnt, bei denen der Tornado das gesamte Dach abgedeckt hat. In ihrem vorher dicht bewachsenen Garten stehen nur noch ein paar karge Bäume. Ein Apfelbaum ist das letzte große Überbleibsel. Eine Plane dient als provisorischer Dach-Ersatz. Dachdecker hatten sie noch am selben Tag angebracht. Wann das Dach ersetzt wird, steht noch nicht fest. Denn die nötigen Steinmetz-Arbeiten sind umfangreicher als angenommen und die Dachdeckerfirmen haben zurzeit sehr viel zu tun.

Das sah Fanny Ludig, als sie aus der Haustür blickte (Foto: Fanny Ludig)

Trotz Plane sei die Gefahr noch nicht gebannt: „Ich habe jedes Mal Angst, wenn sich der Himmel verdunkelt.“ Sie macht sich jedes Mal Gedanken, wenn der Wind wieder stärker bläst. Heute versucht sie das Beste daraus zu machen, auch wenn es nicht immer einfach ist.

Innerhalb von Minuten

Als sie von jenem Abend erzählt, ist es, als durchlebte sie alles noch einmal. Mittags war sie im Restaurant essen. Dann saß sie mit ihrer Katze im Garten, die auf einem Kissen geschlafen hat. „Alles war normal, auch das Wetter“, erinnert sich die 55-Jährige.

Die Minuten des Tornados hat sie an einem alltäglichen und für die Situation doch speziellen Ort erlebt: auf der Toilette. „Ich bin wahrscheinlich der einzige Mensch, der währenddessen auf der Toilette saß“, sagt Fanny, die versucht, ihren Humor auch in dieser Zeit nicht zu verlieren. Durch ein Fenster mit Glasbausteinen habe sie dann gesehen, wie ihre Tuja im Garten immer schneller hin- und hergeschwenkt ist. „Das Rauschen des Windes ist immer schlimmer geworden. So etwas hatte ich noch nie erlebt.“

Mehrere Häuser in der Straße sind unbewohnbar (Foto: Editpress/Alain Rischard)

Draußen im Flur hat sie dann gesehen, dass nach oben hin alles offen war. Zuerst dachte sie, der Schaden sei auf ein paar Quadratmeter beschränkt. Unten angekommen, sah sie ihren Garten und dass die Katze nicht mehr dort lag. „Ein Nachbar ist durch die Wiesen auf mich zugekommen, denn die Zäune standen nicht mehr da. Er hat dann zu mir gesagt, dass mein Dach weg sei. Das habe ich erst in diesem Moment gesehen.“

Erst als sie an die Haustür – die kein Glas mehr hat – tritt, erkennt Fanny die ganzen Ausmaße: Ihr Dachstuhl liegt auf der Straße. Der Schutt liegt bis zu den Treppen hinauf. Ihr neues Auto ist zerstört, das vor ihrem Haus geparkt ist. „Die Menschen auf der Straße waren ratlos. Es war schwer zu verstehen, denn der ganze Sturm hat nur ein paar Minuten gedauert.“

Als sie bei ihren Eltern um Hilfe ruft, realisieren diese zuerst gar nicht den Ernst der Lage. Als sie begreifen, was passiert ist, nehmen sie ihre Tochter bei sich auf, bis Fanny wieder in ihrem eigenen Haus leben kann. Das Angebot der Gemeinde, ihr eine Wohnmöglichkeit zur Verfügung zu stellen, braucht sie somit nicht anzunehmen.

Dankbar für die Solidarität

Seitdem ist sie viele Stunden täglich mit Behördengängen und Versicherungsangelegenheiten beschäftigt: Handwerker und Experten kommen vorbei, um den Schaden zu begutachten. Um ihr Auto musste sie sich ebenfalls kümmern. Es war gerade mal 500 Kilometer gefahren und ihr allererster Neuwagen. Um den Leihwagen überhaupt bei sich und bei ihren Eltern abstellen zu dürfen, musste sie eine neue Vignette beantragen.

Fanny ist vor allem dankbar für die Solidarität, die unter den Menschen herrscht: „Mich haben wildfremde Menschen auf Facebook angeschrieben, ob sie helfen können.“ Auch am Tag nach der Katastrophe haben viele Freiwillige aus der Nachbarschaft wie dem ganzen Land in den Straßen aufgeräumt.

Direkt nach dem Tornado galt Fannys allergrößte Sorge ihrer Katze. Erst nach langen 45 Minuten konnte sie ihren Vierbeiner ausfindig machen. Das Tier hatte sich vor Schreck im oberen Stockwerk des Hauses verkrochen.