Anekdotenreich und sympathisch: Begegnung mit der Oscar-Preisträgerin Hilary Swank

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7.000 Zuschauer auf der Piazza Grande: Am vergangenen Wochenende nahm die amerikanische Schauspielerin Hilary Swank auf der riesigen Bühne des Filmfestivals von Locarno mit Stolz den „Leopard Club Award“ entgegen. Wir haben mit ihr gesprochen.

Von unserer Korrespondentin Delia Pifarotti

Die Gelegenheit zu einer Begegnung mit der Schauspielerin Hilary Swank hat das Filmfestival in Locarno am Lago Maggiore geboten, wo gerade die 72. Auflage des prestigeträchtigen internationalen Kino-Events stattfindet. In heiterer Festivalstimmung treffen sich dort sowohl Professionelle und Kinoliebhaber als auch Touristen, die das sommerliche Tessiner Happening mit großer Neugierde entdecken.

Am vergangenen Wochenende nahm Hilary Swank auf der riesigen Bühne auf der Piazza Grande den „Leopard Club Award“ entgegen. Geehrt wurde sie für das Ensemble ihrer markanten Filme. Der Leopard, mit dem ganz Locarno sich in der Festivalzeit schmückt, ist das Emblem der Veranstaltung. Am Tag darauf ließ sie sich auf dem offenen Gelände des „Spazio Cinema“ auf eine lockere Unterhaltung mit Mike Goodridge, dem künstlerlichen Direktor des Macao-Festivals, ein. Auch das Publikum durfte Fragen stellen – und da Hilary Swank von Natur aus gerne in Plauderlaune ist, zog sie alle in ihren Bann und erzeugte hie und da auch ausgelassenes Lachen. Vor allem, weil sie oft Gestik und Mimik hinzunahm, um ihre Aussagen zu bekräftigen.

Alle Themen erlaubt – außer einem

Alle Fragen waren erlaubt, ausgenommen solche über den Film „The Hunt“. Diese heftige Sozialsatire sollte am 27. September in den USA erscheinen, aber angesichts der jüngsten dramatischen Schusswaffenangriffe in El Paso und Dayton bevorzugte Universal es, den Kinostart abzusagen.

Über ihre Anfänge erzählte Swank, dass sie keine Schauspielschule besucht und am meisten durch viele Castings sowie kritisches Beobachten ihrer eigenen Leistungen gelernt habe. „Schade, dass Casting Directors nie gewürdigt werden, denn sie leisten eine tolle und wichtige Arbeit!“, bemerkte sie schmunzelnd. Darüber, dass sie nach vielen Jahren Entbehrungen und harter Arbeit plötzlich Aufmerksamkeit erhielt und die Presse dennoch von einem „Overnight-Erfolg“ schrieb, konnte sie nur ironisch sagen: „Das war aber eine lange Nacht! Neun Jahre hat sie gedauert!“

Weiter sprach sie über die Genres, die sie bevorzugt: „Am Anfang spielte ich in vielen ‚half-hour comedies‘. Als ich eine dramatische Rolle interpretieren wollte, antwortete man mir: ‚No, you are too half-hour!‘ Aber sechs Monate später durfte ich ‚Boys Don’t Cry‘ (1999) spielen!“, erklärte Swank erfreut, denn damit gewann sie ihren ersten Academy Award. Sie gab sich enttäuscht darüber, dass Schauspieler in Schubladen gesteckt werden, unabhängig vom Moment ihrer Karriere. Nach „Boys Don’t Cry“ habe sie lauter maskuline Rollen bekommen, nach „Million Dollar Baby“ (2004) Rollen als Athletin. Sie sei froh, dass sie jetzt frei sei, starke Frauen und Persönlichkeiten darzustellen: „Nichts inspiriert mich mehr als Menschen, die niemals aufgeben!“, äußerte sie. „Perseverance in adversity“ sei ihr Credo und solche Figuren zu spielen, ob real oder fiktiv, fordere stets eine tiefgründige Vorbereitung. Auch lange nach Ende der Dreharbeiten würden diese in ihr weiterleben und sie als Schauspielerin sowie als Mensch bereichern.

Karriere war früher wichtiger

Es komme auch schon mal vor, dass sie interessante Rollen ablehne: „Früher galt nur die Karriere, nichts als die Karriere. Mit dem Alter verlagern sich die Schwerpunkte im eigenen Leben. Ich bin jetzt verheiratet, habe meinen Vater drei Jahre lang nach einer Lungentransplantation gepflegt“, erklärte sie – ihrem Vater gehe es mittlerweile jedoch wieder gut.

Auf die Frage, worin Swank die Bedeutung von Kunst sehe, antwortete sie: „Für mich ist Storytelling eine universale Sprache, egal in welcher Form. Geschichten spiegeln das Geschehen wider. Wir gehen ins Kino, um eine Verbindung zu etwas zu erschaffen, etwas zu lernen oder unterhalten zu werden.“ Über ihre Zukunftspläne verriet sie, dass sie in der kommenden Netflix-Produktion „Away“ eine Astronautin spiele, die zum Mars fliege. Auch habe sie den noch nicht veröffentlichten Band 2 von „P.S. I Love You“, den Cecilia Ahern ihr geschickt hat, schon gelesen und ihn toll gefunden. Eine Folge des Films sei somit nicht auszuschließen. Witzig waren Swanks Erinnerungen an die Entstehung des Films „P.S. I Love You“ (2007): „Es sollte ja eine romantische Komödie sein, aber ich habe nie so viel geweint wie in dem Film – jeden Tag! Die Szenen berührten mich einfach sehr.“

Nach dieser Unterhaltung am frühen Morgen empfing Hilary Swank am Nachmittag Hunderte Zuschauer im Cinema GranRex, um höchstpersönlich die Einführung zum Kultfilm „Million Dollar Baby“ zu übernehmen. Sie erzählte von ihrer Aufregung beim ersten Treffen mit Clint Eastwood in seinem Büro bei Warner Brothers, von seinem Charisma und darüber, wie sie sich physisch und psychisch auf die Rolle als Boxerin vorbereitet hat. „Um in drei Monaten 15 Kilo an Muskelmasse zunehmen zu können, musste ich ein hartes Training absolvieren und sehr viele Proteine essen und trinken. Als Vegetarier ist das kein leichtes Unterfangen! Ich musste jeden Tag rund 60 Eier trinken und so viel trainieren, dass ich sogar Blasen unter den Füßen bekam. Da ich diese selbst aufstach, entzündeten sie sich. Der Arzt riet mir, zu ruhen. Das konnte ich aber nicht. Ich war unter Zeitdruck. Also trug mich mein Trainer auf den Armen von einem Fitnessgerät zum anderen, damit ich wenigstens den Oberkörper weiter trainieren konnte.“ So schilderte Swank ihren qualvollen Einsatz und ihren eisernen Willen, es um jeden Preis zu schaffen. „That was really blood, sweat and tears“, gab sie mit gewohnt kommunikativem Lächeln zu und wünschte den Zuschauern viel Spaß beim Film.