Vernunftehe auf Zeit

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Am Mittwoch soll die Transaktion zwischen dem Staat und der Provinz Henan vollzogen werden, welche HNCA zum neuen Partner bei dem Luftfrachtunternehmen macht.

Wenn am Donnerstag gegen 21 Uhr der Flug CV9744 in Richtung Zhengzhou – mit Zwischenstopp in Baku – abheben wird, dann endet vorerst das turbulente Kapitel der Investorensuche für das Luftfrachtunternehmen Cargolux.

Auch wenn die Turbulenzen der Gesellschaft nicht mit der Investorensuche begannen – man erinnere sich an die Kartellstrafen in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro, den Wegfall traditioneller Aktionäre und die weltweite Wirtschaftskrise –, so haben doch das Tauziehen um die Beteiligung von Qatar Airways in einer ersten Phase und jetzt nach dem Vollzug der Transaktion mit der Henan Civil Aviation and Investment (kurz HNCA) die unternehmerischen Schwächen einer Gesellschaft hervorgehoben, der es wirtschaftlich eigentlich hervorragend geht.

Chronische Unterkapitalisierung

In erster Linie steht da die fast schon als chronisch zu bezeichnende Unterkapitalisierung der Cargolux. Diese Tatsache hemmt seit langem die Weiterentwicklung des Unternehmens. Mit dem neuen Aktionär HNCA dürfte sich diese Situation etwas verbessern. HNCA wird sich an der bevorstehenden Kapitalerhöhung beteiligen.

Wie lange die Kapitalspritze in Höhe von 175 Millionen Dollar allerdings reichen wird, ist jetzt schon fraglich. Der neue CEO Dirk Reich hat bereits bei seinem ersten öffentlichen Auftritt vor der Presse darauf hingewiesen, dass die nächste Krise – welcher Art auch immer – auf die Cargolux zukommen wird. Wichtig sei es deshalb, in den nächsten Jahren ein finanzielles Polster – durch die Aktionäre und durch das Geschäft – aufzubauen. Zumindest machen sich Reich und das Unternehmen in dieser Hinsicht keine Illusionen.

Industrielle Schwäche

Es ist und wird vorerst die industrielle Schwäche der Cargolux bleiben, dass sie keinen großen finanzkräftigen Privataktionär hat, der an einer langfristigen Beteiligung an dem Unternehmen interessiert ist. Die staatlichen Institutionen haben durch ihre Entscheidungen in der Vergangenheit bewiesen, dass sie nicht bereit sind, alleine das Gesamtrisiko an der Entwicklung der Frachtgesellschaft zu tragen.

Die Frage, ob HNCA ein langfristiger Investor sein will, stellt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Dafür hat HNCA zu klare Vorstellungen davon, was seine Investition in die Cargolux bringen soll, nämlich die Entwicklung des Flughafens Zhengzhou und den Aufbau einer quasi eigenständigen Luftfrachtgesellschaft in China mit dem Know-how der Cargolux.

Strategie revidieren

In fünf bis zehn Jahren wird HNCA, wenn die chinesische Partizipationsgesellschaft ihre Entwicklungsziele für die Provinz Henan erreicht hat, zwangsläufig seine Strategie revidieren. Ob und wie man danach weiter zusammenarbeiten wird, kann man zum jetzigen Zeitpunkt natürlich nicht voraussagen. Das, was von der Partnerschaft bekannt ist, lässt allerdings auf nicht viel mehr als eine Vernunftehe auf Zeit schließen. Immerhin ist HNCA kein Aktionär vom Schlage der Qatar Airways – die Zerschlagung eines Konkurrenten kommt für die Chinesen auf absehbare Zeit nicht in Frage.

Alles aber langfristig auf die Karte HNCA zu setzen, kann – trotz der massiven Beteiligung in Höhe von 35 Prozent – jedoch kaum im Interesse der staatlichen Aktionäre sein. Weshalb man wohl bereits jetzt davon ausgehen muss, dass man bei Cargolux weiter auf Brautschau gehen wird. Nur hat man jetzt den Zustand erreicht, den man sich vor einigen Jahren durch überstürzte Aktionen nicht gönnen wollte: sich Zeit zu geben, um strategische Partner zu suchen, welche man an das Unternehmen heranführt. Nichts anderes stand hinter der Stand-alone-Option, die für die meisten Verfechter sowieso nur eine Option auf Zeit war. In der Tat hätte man wohl viel Aufregung und den Wechsel quasi des gesamten Managements dadurch verhindern können. Es mutet schon ironisch an, wenn man nach dem Abenteuer Qatar Airways und der darauf folgenden Brautschau nun zu dieser Ausgangsbasis wiederkehrt.

Der Staat geht, der Staat kommt

Zu hoffen bleibt, dass eine weitere unternehmerische Schwäche, welche während der Qatar-Airways-Periode offensichtlich wurde, abgestellt wird. Für das Unternehmen und den Standort Luxemburg wäre es wohl fatal, falls sich die staatlichen Aktionäre in Zukunft nicht auf eine einheitliche Linie einigen können.

Der Staat will ja zudem weiterhin durch den Kauf von Luxair-Anteilen direkt Aktionär bei der Cargolux bleiben – eine Intention, die übrigens alle Mantra-artig vorgebrachten Argumente über den Druck Brüssels zum Verkauf der staatlichen Anteile in den Wind schlägt.

Doch welche Beweggründe hat der Staat, um diesen Schritt zu vollziehen? Denn via die Anteile, die von der SNCI und der Spuerkeess gehalten werden, verfügt er ja nolens volens über „direkten“ und durch die der Luxair über indirekten Einfluss.

Spielraum für den Staat

Der Staat schafft sich zumindest dadurch einen Spielraum, um einen weiteren Investor sofort mit ins Boot nehmen zu können. Diese direkte Beteiligung muss eben nicht auf Dauer gehalten werden.

Andererseits dürfte die Luxair von dieser Operation in finanzieller Hinsicht doppelt profitieren.

Durch den Verkauf einiger Anteile an den Staat käme zudem weiteres Geld in die Kassen von Luxair und die Fluggesellschaft dürfte (zum zweiten Mal) in verminderter Größenordnung an der Kapitalerhöhung beteiligt sein.

Doch auch wenn die Beteiligung des Staates viele Vorteile bringt, aus unternehmerischer Sicht wird die Cargolux bis auf weiteres durch die besonderen Interessen dieses Aktionärs bestimmt werden. Interessen, die, wie die Vergangenheit gezeigt hat, nicht immer zu hundert Prozent im Sinne des Unternehmens sein können.