Von unserem Redakteur Christian Muller,
zurzeit in Moskau
Tageblatt: Wie entwickelt sich der neue, fusionierte Konzern?
Jean Lucius: „Gut, würde ich sagen. Das ist jetzt alles bereits ein Jahr her. Der Prozess der Integration und die Veränderung der Strukturen waren sehr viel Arbeit. Heute sind die Netze und der kommerzielle Teil zwei verschiedene legale Einheiten – das war bei Cegedel und Soteg nicht der Fall. Zudem haben wir die Marke Enovos gut initiiert und neue Produkte für die Kunden entworfen. Gleichzeitig haben wir viel investiert, vor allem in erneuerbare Energien.“
„T“: Zusammen mit dem russischen Konzern Gazprom bauen Sie ein millionenschweres Elektrizitätswerk in Deutschland. Wie geht das voran?
J.L.: „In einer ersten Phase investiert Enovos in eine 400-MW-Turbine. Gazprom entscheidet dann – je nach Verfügbarkeit und Preis des Gases –, wie viel Strom produziert wird. Wir erhalten dafür eine garantierte Strommenge. Später wird möglicherweise eine zweite Turbine gebaut.
Derzeit wird noch immer geplant. Die verschiedenen Genehmigungen sind angefragt – und das soll bis zum Ende des Jahres abgeschlossen sein. Frühstens im nächsten Jahr können die Arbeiten dann beginnen. Bei so großen Investitionen ist das immer ein langer Prozess. Zudem haben wir durch die Krise etwas Zeit verloren – innerhalb von Gazprom wurde über Investment-Prioritäten diskutiert.“
„T“: Wie sind die ursprünglichen Kontakte mit Gazprom zustande gekommen?
J.L.: „Die ersten Gespräche wurden noch von der alten Soteg geführt. Gazprom wollte sich damals stärker in Westeuropa engagieren. Da jedoch eine Beteiligung an Soteg/Cegedel kein Thema war, haben wir nach andren Wegen der Zusammenarbeit gesucht.“
„T“: Wie wichtig war dabei die Hilfe durch die Regierung?
J.L.: „Die Unterstützung ist wichtig. Man darf nicht vergessen, dass Gazproms wichtigster Aktionär der Staat ist. Und für den ganzen Konzern ist es wichtig, politische und industrielle Partner in Westeuropa zu haben. Also, die Regierungen sind wichtig, um die Rahmenbedingungen festzulegen – danach muss das Projekt selber weiterlaufen.“
„T“: Werden Sie Gazprom jetzt in Russland – im Rahmen dieser Wirtschaftsmission – treffen?
J.L.: „Ja. Vor allem wegen der Kontaktpflege. Die Situation im Energiesektor verändert sich schnell – da ist es gut, regelmäßig miteinander zu reden, auch über die Fortschritte des Projekts.
Vielleicht werden wir aber auch über neue Projekte reden oder versuchen, sie in die Wege zu leiten. Vor allem in Ländern wie Russland ist es wichtig, viel Geduld und Zeit mit in die Verhandlungen zu bringen. Wenn man ein Projekt hat, muss man es sehr früh vorschlagen.“
„T“: Wie viel Gas importiert Luxemburg aus Russland?
J.L.: „Es handelt sich um 15 bis 18 Prozent unseres Verbrauchs.“
„T“: Wie steht es denn um das Vertrauen gegenüber Gazprom, um politische Unvorhersehbarkeiten?
J.L.: „Das macht mir keine Sorgen. Russland ist ein guter Partner. In der ganzen Geschichte der Energieexporte aus Russland hat es – abgesehen von der Krise mit der Ukraine im letzten Jahr – noch nie Probleme gegeben. Und auch damals war es nicht problematisch, denn es existierten ausreichend Reserven, um diese Zeit zu überbrücken. Zudem werden Schritte eingeleitet, um eine Wiederholung dieser Situation zu vermeiden: Mit NordStream wird eine Pipeline gebaut, die nicht durch Transitländer führt. Die EU hängt für ihre Gas-Importe zwar von Russland ab, aber Russland hängt für seine Exporte auch von Europa ab.
Es gibt keine Infrastruktur, um russisches Gas nach Asien oder in die USA zu verkaufen. Die Abhängigkeit ist gegenseitig. Und wenn wir von dem Partner nicht überzeugt wären, würden wir auch keine großen gemeinsamen Projekte machen. Ich schlafe ruhig mit dem russischen Gas.“
„T“: Haben Sie schon mit dem Gedanken gespielt, direkt in ein Gasfeld in Russland zu investieren?
J.L.: „Das wird Enovos kaum tun. Dafür sind wir zu klein – in ein Gasfeld investieren ist eine ganz andere Risikokategorie. Zudem muss ein Gasfeld ja auch verwaltet werden. Das heißt, falls wir so etwas tun würden, wäre es eher in Norwegen oder in der Nordsee – also näher bei uns und bei kleineren Projekten. In Russland gibt es nur Mega-Projekte.“
„T“: Werden Sie sich auch an anderen großen Projekten, wie etwa Desertec beteiligen?
J.L.: „Nein. Solche Projekte stehen nicht auf unserer Prioritätenliste. Eine Enovos kann da keine Rolle spielen. Zudem gibt es noch viele technische Probleme zu lösen. Das ist alles eher für übermorgen als für morgen.“
„T“: In Deutschland besagt neuerdings ein Gerichtsurteil, dass der Gaspreis für die Privatverbraucher nicht mehr an den Ölpreis gekoppelt sein darf. Hat das einen Einfluss auf Luxemburg?
J.L.: Nein. Ich glaube, die Problematik war, dass verschiedene Firmen nicht transparent genug bei ihren Verkaufspreisen waren. Möglicherweise hatten einige von Ölpreisschwankungen profitiert, um ihre Margen zu erhöhen. Aber wenn man alles korrekt macht, dann ist auch eine Ölpreis-Bindung nicht schlecht. Man darf nicht vergessen, dass in Europa 90 Prozent aller langfristigen Gas-Verträge an den Ölpreis gekoppelt sind.“
„T“: Wie werden die Preise für die Privatleute hierzulande festgelegt?
J.L.: „Unser Verkaufspreis ist an unseren Einkaufspreis gekoppelt. Wir legen die nicht arbiträr fest, wir können uns nicht von den Märkten abkoppeln. Gute Konditionen geben wir an den Endverbraucher weiter.“
„T“: Hat die Regierung einen Einfluss auf die Preise?
J.L.: „Die Regierung mischt sich nicht in unsere Preispolitik ein. Sie kann Wünsche äußern – aber das Management entscheidet.“
De Maart
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