Unternehmenssteuern„Luxemburg ist kein Niedrigsteuerland“ – Gespräch mit Steueranwalt Alain Steichen

Unternehmenssteuern / „Luxemburg ist kein Niedrigsteuerland“ – Gespräch mit Steueranwalt Alain Steichen
Jahrzehntelang senkten Staaten im Standortwettbewerb die Unternehmenssteuern. Lag der durchschnittliche Satz in den OECD-Ländern 1980 noch bei über 40 Prozent, so war er 40 Jahre später nur noch halb so hoch. Mit diesem Steuerwettbewerb soll es bald vorbei sein. Foto: Tageblatt-Archiv

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Kaum jemand kennt sich hierzulande so gut mit der Besteuerung von internationalen Konzernen aus wie der spezialisierte Steueranwalt Alain Steichen. Gegenüber dem Tageblatt erklärt er, warum ihn die rezenten Ankündigungen nicht sonderlich beunruhigen.

Über einen Mindeststeuersatz für Unternehmen wird bereits seit Jahrzehnten diskutiert, sagt Steueranwalt Alain Steichen gegenüber dem Tageblatt. Doch zeitgleich haben die Staaten, im Konkurrenzkampf um Firmensitze und Produktionsstandorte, die Steuern immer weiter gesenkt. In den letzten 40 Jahren sei der durchschnittliche Steuersatz von 42 Prozent auf 24 Prozent gefallen. „Wenn nichts passiert, dann geht das immer so weiter, bis wir bei null Prozent landen“, sagt Steichen. Dann stelle sich die Frage der Gerechtigkeit. Der Verbraucher, der Beschäftigte müsste für alles zahlen. „Keine populäre These.“

In diesem Sinne sei der vorliegende Vorschlag einfach, so der Anwalt. „Jeder kann machen, was er will, nur keine zu niedrigen Steuersätze.“ Dabei unterstreicht er, dass der nun anvisierte Satz von 21 Prozent deutlich über den 12,5 Prozent liegt, die im Rahmen der bisherigen Diskussionen auf dem Tisch lagen. Für Irland, wo der Steuersatz für Firmen 12,5 Prozent beträgt, bedeute dies, dass entweder die Steuern erhöht werden müssen oder die betroffene US-Muttergesellschaft der in Irland ansässigen Firma würde in den USA mit 8,5 Prozent zusätzlich besteuert werden (21-12,5 = 8,5). Das Verlagern von Firmensitzen soll sich nicht mehr lohnen. „Der ungerechte Steuervorteil soll eliminiert werden.“

Dabei geht Steichen davon aus, dass – wegen der Höhe der betreffenden nationalen Steuersätze – Irland deutlich mehr im Visier dieses Vorstoßes steht als etwa Luxemburg, das „kein Niedrigsteuerland ist“. Auch kann er sich vorstellen, „dass Irland versuchen wird, gegen die Initiative vorzugehen“.

Als „eine mögliche Schwierigkeit“ für Luxemburg sieht Steichen, dass die eigentliche Körperschaftssteuer hierzulande mit 18,5 Prozent unter den anvisierten 21 Prozent liegt. Hinzu komme für die Firmen zwar noch die Gewerbesteuer (Red.: dann liegt der Steuersatz bei 24,9 Prozent), doch die gibt es nicht in jedem Land. „Ich bin mir nicht sicher, ob das als ein gemeinsamer Steuersatz wahrgenommen wird“, so der Fachmann. Auf diesen Punkt gelte es aufzupassen. „Vielleicht müssen künftig – juristisch gesehen – diese beiden Steuern miteinander verrechnet werden. Sonst würde Luxemburg als Steuerparadies wahrgenommen, was wir nicht sind.“ Die Gemeinden müssten dann, beispielsweise über einen Anteil aus der Körperschaftssteuer, für die weggefallene Gewerbesteuer entschädigt werden.

China wird der größte Gewinner sein

Zudem stellt Steichen sich Fragen zu den möglichen Details der zukünftigen Regelungen. Etwa, ob auch Investmentfonds darunter fallen. Das sei eine „nicht unwesentliche Frage“. Er geht aber davon aus, dass die Fonds wohl ausgeklammert bleiben. Auch fragt er sich, was die neuen Regeln für „Sociétés de participations financières“ (Soparfis) bedeuten werden. Letztere zahlen hierzulande fast eine Milliarde Euro an Steuern. Wird die Körperschaftssteuer für sie von 18 auf 21 Prozent steigen? Er sei aber „relativ entspannt“, sagt er. Wenn einige das Land verlassen und die anderen mehr zahlen würden, dann bleibe bei den Einnahmen alles gleich. „Die Auswirkungen für Luxemburg werden wohl eher klein sein“, schätzt er.

„Für Luxemburg würde ich die Initiative grundsätzlich als gut, als positiv sehen“, erläutert er weiter. „Es wird relativ einfacher werden, unsere Nicht-Steuervorteile auszuspielen.“ Ein großer Vorteil vom Standort-Wettbewerber Irland wäre weg, und das wäre gut für Luxemburg, merkt er an. „Wenn Pierre Gramegna recht hat, dann bleiben alle hier.“

Alain Steichen: „Für Luxemburg würde ich die Initiative grundsätzlich als gut, als positiv sehen. (…) Es wird relativ einfacher werden, unsere Nicht-Steuervorteile auszuspielen.“
Alain Steichen: „Für Luxemburg würde ich die Initiative grundsätzlich als gut, als positiv sehen. (…) Es wird relativ einfacher werden, unsere Nicht-Steuervorteile auszuspielen.“ Foto: BSP

Auch beim zweiten Teil des OECD-Konzepts (eine Verlagerung der Besteuerung weg von der Firmenzentrale – hin zum Land, in dem der Verbraucher sitzt) macht er sich „eher keine Sorgen“ um Luxemburg. „Seit vielen Jahren wird bereits angenommen, dass alles in diese Richtung gehen wird“, sagt er. Die großen Länder seien praktisch alle dafür und Luxemburg eh „nur Zuschauer“. Bei den G20-Verhandlungen „wird das wohl ein einfaches Thema sein“, schätzt Steichen. „Die kriegen dann alle mehr.“ Langfristig jedoch werde China, einfach wegen der Größe seines Marktes, auch der größte Gewinner werden, hebt er hervor.

Und auch danach werden noch Menschen bei beispielsweise Amazon arbeiten, so der Anwalt weiter. Aktuell beschäftigt der US-Konzern hierzulande etwa 2.000 Angestellte. Und „aus reinen Steuergründen geht dann niemand mehr weg“, bemerkt er. Zudem sei die Verlagerung eines Firmensitzes oder das Entlassen von Mitarbeitern mit Kosten verbunden. „Man geht nicht nach Irland, wenn es auch da nicht billiger ist. (…) Die Gruppe wird wohl bleiben, wo sie ist, wenn es andernorts nicht substanziell besser ist“, glaubt er. „Vielleicht ist der Konzern wegen der Steuern nach Luxemburg gekommen – aus anderen Gründen werden sie dann bleiben.“ Was diese Faktoren sein werden, sei schwierig zu sagen, höchstwahrscheinlich sei dies unterschiedlich je nach Firma.

Weiter weist Steichen darauf hin, dass Amazon seine Mehrwertsteuer bereits heute im Ausland bezahlt. Die wichtigste Einnahmequelle für die Luxemburger Staatsfinanzen seien die Steuern auf den Gehältern. Und die bleiben dort, wo die Mitarbeiter arbeiten. In Zukunft werde man dann sehen, ob sich der Paradigmenwechsel, von dem der Finanzminister spricht, bereits vollzogen hat, so der Anwalt.