Die digitalisierte Stahlfirma

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Ein Stahlwerk ist gewaltig, gigantisch. Und doch es kann nötigenfalls mit einem Handy gesteuert werden. Der Hintergrund: Die Digitalisierung steuert mehr und mehr die Produktion. Auch ein Stahlwerk ist in die Entwicklung der Industrie 4.0 eingebunden.

Der vierte europäische Medientag des weltweit größten Stahlherstellers, ArcelorMittal, war dem Thema der Digitalisierung der Industrie gewidmet. Was sich an sich wie eine ferne Theorie anhört, zieht nach und nach in die Fabriken und Verwaltungen der Unternehmen ein und hat dort weitreichende Auswirkungen.

„Die Digitalisierung spart Zeit, ist ein großer interner Transfer von Informationen und Dokumentationen. Sie erlaubt uns, jedes Jahr mit zehn Prozent neuer Produkte auf den Markt zu kommen“, sagt Wim van Gerven von ArcelorMittal. Die Digitalisierung betrifft den Transport von großen Datenvolumen, neue Formen der Unternehmensführung sowie Interaktivität im Unternehmen bis hin zum 3D-Printing.

Digitalisierung des Unternehmens

Setzt man in den einzelnen Produktionsschritten Sensoren ein, so liefern diese Daten. Diese wiederum können nach Analyse zur Verbesserung des Produktionsprozesses, aber auch zur Vorbeugung von Unfällen und Unterbrechungen im Produktionsprozess genutzt werden. Daten in einem Stahlwerk bedeuten heutzutage eine „erhebliche Verkürzung“ von Entscheidungswegen und Entscheidungszeiten. „Die Digitalisierung“, sagt Van Gerven, „ist die schnellste Veränderung in Produktionsstätten“, die er bisher erlebt hat.

Mit der digitalen Vernetzung kann man alle Orderbücher jederzeit überblicken, alle Walzstraßen je nach Bedarf steuern, Spezialbestellungen in Minuten konfigurieren und durch die Produktion schleusen. Man kann sogar, so Van Gerven, bis zum einzelnen Coil die Bestellung eines Kunden sofort befriedigen. Im Falle einer Eilbestellung eines Kunden kann ArcelorMittal im Zweifel über die Digitalisierung des Unternehmens bestimmen, von welcher nächstgelegenen Walzstraße aus die Bestellung erledigt wird. Digitalisierung in einem Stahlunternehmen bedeutet Transparenz in der Produktion und Reaktivität auf Bestellungen und bei außergewöhnlichen Ereignissen.

239 Millionen für Forschung in Europa

Digitalisierung bedeutet aber auch Automatisierung, zum Beispiel bei Kränenund sogar bei Walzstraßen. Und wieder bestimmen Sensoren, was wirklich geschieht. Und man kann bis auf den Millimeter genau arbeiten, zum Beispiel mit 3D-Druckern. Auf die Frage, welche Auswirkungen das auf die Mitarbeiter hat, erfolgt die Antwort auf Umwegen. Es komme darauf an, über die Digitalisierung eine Erhöhung der Produktivität zu erreichen sprich mehr Stahl herzustellen. Man kann die Antwort auch anders geben. Bei der Fusion von Mittal und Arcelor beschäftigte der Konzern noch 20.000 Menschen in Frankreich. Vor einem Jahr warenes noch 16.000.

ArcelorMittal gibt für Forschung und Entwicklung in Europa im Jahr etwa 239 Millionen Euro aus. Wie viel davon in die Forschung zur Digitalisierung gehen, will offiziell niemand wissen. Was aber sicher ist: „Die Digitalisierung verändert die Arbeit. Sie verlangt anderes Wissen und andere Fähigkeiten. Sie verlangt vom Menschen, sich zu adaptieren“, sagt Van Gerven. „Wir stellen daher eine neue Art der Mitarbeiter ein. Und wir stellen sie quer durch Europa ein.“

Kultur zwischen Kunden und Hersteller verändert sich

ArcelorMittal hat in den vergangenen Jahren der Absatzkrise seinen Konzern in Europa umgebaut. Statt überall Stahlwerke zu besitzen, die nur teilweise ausgelastet sind, wurden Hochöfen, wie etwa in Florange, stillgelegt. Konzentriert wurde die Hochofen-Stahlherstellung für Flachstahl in Gent und in Dünkirchen. Walzstraßen aber wurden beibehalten, wie etwa in Florange. Die Digitalisierung erlaubt die Steuerung der Produktion nun in einem an sich komplizierten Geflecht mit großer Flexibilität. „Die Kultur zwischen Kunden und Hersteller verändert sich durch die technische Verbindung“, sagt Van Gerven.

Digitalisierung hat allerdings auch noch andere Anforderungen. Sie verlangt Investitionen. In Frankreich investierte der Konzern in diesem Jahr 200 Millionen Euro. ArcelorMittal verfügt in Frankreich über 40 Produktionsstätten und produzierte im vergangenen Jahr 9,7 Millionen Tonnen Stahl. Im lothringischen Florange werden 67 Millionen investiert. Hier sollen in Zukunft 600.000 Tonnen galvanisierter Stahl hergestellt werden. Die Produktion soll 2019 beginnen. Im kommenden Jahr starten die Arbeiten dazu. Das geschieht noch in „altertümlichen Zeitplänen“. Wenn aber 2019 die Produktion aufgenommen wird, dann fällt auch diese Straße unter den Begriff der Industrie 4.0.