Weltmeister beschwören historischen Tag

Weltmeister beschwören historischen Tag
(AFP/Vincenzo Pinto)

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Der 2. Juli 2016 soll in die deutsche Fußballgeschichte eingehen. Käpt'n Neuer und seine Kameraden fühlen sich bereit zur Premiere gegen den Angstgegner.

Italien-Trauma? Italien-Fluch? Finito lautet die Antwort der aktuellen Weltmeister-Generation. Deutschlands Fußball-Asse um den unbezwungenen Torwartgiganten Manuel Neuer oder den super-coolen Champions-League-Sieger Toni Kroos lassen sich in ihrem Viertelfinal-Optimismus nicht von der düsteren deutschen Turniervergangenheit schrecken. „Italien ist verwundbar“, erklärte Sami Khedira – basta! Der Italien-Experte möchte seine extrem geschätzten Vereinskollegen von Juventus Turin am Samstag (21.00 Uhr) in Bordeaux auf die Heimreise nach Bella Italia schicken.

„Warum sollte ich ein Italien-Trauma haben?“, entgegnete derweil der 26 Jahre junge Kroos auf den 54 Jahre alten Negativlauf der deutschen Nationalelf gegen die Squadra Azzurra bei WM- und EM-Endrunden. Vier Niederlagen, vier Unentschieden, kein Sieg seit 1962. Aber Joachim Löws 23 EM-Spieler in Frankreich fokussieren sich allein auf die Aussicht, am 2. Juli 2016 die deutsch-italienische Turnierhistorie umschreiben zu können. Europameister zu werden, das bleibt das Ziel.

Kein Sieg seit 1962

„Die Vergangenheit ist eh nicht mehr zu ändern. Für uns ist es entscheidend, wie es am Samstag ausschaut. Es wäre unheimlich wichtig zu gewinnen, weil das Turnier für uns dann noch weitergeht“, erklärte Kroos. Die Weltmeister glauben an ihre Stärke, „jeder ist heiß auf dieses Spiel“, berichtete Teammanager Oliver Bierhoff. Sechs Tage Wettkampfpause waren genug.

Mit dem geheimen Abschlusstraining im Basisquartier in Évian, an dem am Freitagvormittag alle 23 Akteure teilnahmen, startete Trainer Joachim Löw den finalen Countdown für den geplanten Vorstoß ins Halbfinale gegen eine italienische Mannschaft, die dem DFB-Team Respekt einflößt – „aber keine Furcht“, wie Manager Bierhoff versicherte.

Keine Geheimnisse

Große Geheimnisse gibt es nicht voreinander. Trotzdem kann jedes Detail, jeder taktische Kniff, jede personelle Maßnahme entscheidend sein. Und Bundestrainer Löw will sich mit seiner ebenfalls gereiften Mannschaft nicht noch einmal wie beim Halbfinal-K.o. 2012 dem Gegner zu sehr unterordnen. „Wir haben keine Angst vor Italien, sondern Zutrauen in unsere Leistungsfähigkeit. Wenn wir die abrufen, haben wir eine Chance zu gewinnen“, erklärte Löw. Der Bundestrainer hat intensiv getüftelt. Auch am Freitag steckte er auf dem Trainingsplatz wieder mit seinen Assistenten Thomas Schneider und Marcus Sorg die Köpfe zusammen.

Soll Löw die gut harmonierende Siegerelf aus dem Slowakei-Spiel tatsächlich sprengen? Oder sogar das System wechseln, weil es Ende März in München mit einer Dreierabwehrkette ein 4:1 im Test gegen die Italiener gab? „Es ist die Aufgabe des Trainers, für die besonderen Momente besondere Lösungen zu finden“, erläuterte Tüftler Löw.
„Wir haben natürlich eine Rechnung offen. Wir haben genügend Spieler hier, die bei der EM 2012 dabei waren“, sagte Torwarttrainer Andreas Köpke. Zehn Spieler, die damals in Warschau zum Einsatz kamen, als Muskelprotz Mario Balotelli beim 1:2 die deutschen Titelhoffnungen mit seinem Doppelpack zertrümmerte, zählen auch zum EM-Aufgebot 2016.

Juve-Bollwerk und Mount-Everest-Selbstvertrauen

Der Squadra Azzurra des an der Seitenlinie extrem engagierten Trainers Antonio Conte dürfte im Mittelfeld der angeschlagene Fixpunkt Daniele De Rossi fehlen. „Es sind nicht mehr die Italiener, die man normalerweise kennt“, mahnte Löw: „Sie sind nicht mehr nur auf die Defensive fokussiert.“ Aber effizienter Ergebnisfußball zeichnet das Team um Torwart und Kapitän Gianluigi Buffon immer noch aus. Herzstück bleibt das Juve-Bollwerk mit der Dreierkette Barzagli, Bonucci und Chiellini vor Buffon. „Alle Vier sind Weltklasse, sie spielen es wirklich perfekt“, urteilte Intimkenner Khedira. Eine Woche vor dem großen EM-Finale im Stade de France möchte keiner im DFB-Tross die Koffer packen. Italien-Trauma? Italien-Fluch? Nein, diesmal soll Deutschland jubeln.

Das wollen die italienischen Gipfelstürmer bei ihrer bisher schwierigsten Expedition verhindern. „Wir haben einen Berg erklommen, aber jetzt stehen wir vor dem Mount Everest. Wir sind vorbereitet, ihn zu besteigen“, sagte Mittelfeldspieler Alessandro Florenzi vor dem Viertelfinale. Angst vor dem übermächtigen Weltmeister kennt die Squadra Azzurra aber nicht. „Wir kommen jetzt ins Rollen und sind hungrig auf noch mehr“, sagte Trainer Antonio Conte. Das Selbstvertrauen nach dem beeindruckenden Achtelfinalerfolg gegen den Titelverteidiger Spanien ist beim viermaligen Weltmeister riesig.