„Der CAS riskiert ins Wanken zu kommen“, sagt Rechtsanwalt Marc Theisen angesichts des Urteils, das am Freitag am Europäischen Gerichtshof in Luxemburg erwartet wird. „Wir könnten in ganze neue Dimensionen kommen.“ Es geht darum, ob ein Schiedsurteil des Internationalen Sportgerichtshofs CAS (Court of Arbitration for Sport) verbindlich ist oder durch Gerichte der Mitgliedsstaaten auf Verstöße gegen EU-Recht überprüfbar sein muss.
Bislang kontrolliert den CAS, der im schweizerischen Lausanne und damit außerhalb der EU sitzt, nur das Schweizer Bundesgericht, das aber ganz begrenzt über Verfahrensregeln urteilen kann und nicht zu EU-Recht Stellung nimmt. Und dies zumindest schien dem belgischen Kassationshof fraglich und verwies im Kontext der zivilen Prozedur, die der FC Seraing gegen den CAS angestrengt hatte, mit einer Vorabfrage an das Hohe Gericht in Luxemburg. Die Richter in Luxemburg urteilen jetzt, ob es nach EU-Recht ausreicht, dass lediglich das schweizerische Bundesgericht diese Überwachung hat.
„Der CAS ist in der Schweiz und damit nicht an EU-Recht gebunden. Er hat derzeit eigentlich keine Obligation zu kucken, ob die Entscheidungen, die er trifft, konform zum Europarecht sind“, erklärt Theisen. „Genau da sieht der Anwalt Jean-Louis Dupont allerdings eine Gefahr. Die Entscheidungen in der Schweiz (CAS oder Bundesgericht) werden exklusiv im Kontext der rein sportlichen Regelwerke getroffen. Und wenn der CAS eine Entscheidung trifft, ist diese definitiv. Das ist Duponts Hauptangriffspunkt.“
RFC Seraing am Ausgangspunkt
Dupont vertritt den belgischen Fußballverein RFC Seraing, der am Ausgangspunkt des Falls steht. Der Klub streitet sich seit mehr als zehn Jahren mit der FIFA über das Verbot der sogenannten Dritteigentümerschaft (Third-party ownership, kurz TPO). Dieses Verbot ist in den Regelwerken des Fußball-Weltverbands FIFA, des europäischen Verbands UEFA und der nationalen Verbände festgelegt.
Wenn die Theorie der Generalanwältin vom Gericht übernommen wird, dann kann man schon von einer Bombe sprechen, die im Sport einschlägt

Die FIFA hatte dem Club deshalb untersagt, dass externe Investoren Rechte an Spielern erwerben – und ihn 2015 mit einer Transfersperre und Geldstrafe belegt. „Die Third-party ownership wurde von der FIFA verboten, weil das die Rechte der Vereine beeinträchtigt und es einen ungesunden Einfluss auf die sportlichen Aktivitäten hätte“, erklärt Theisen. Der Fall von Seraing landete dann vor dem CAS, der im Sinne der FIFA entschied. Auch das Schweizerische Bundesgericht hatte nichts daran auszusetzen. Me Dupont beanstandete dann die sogenannte Zwangsschaltung, die, die FIFA und die meisten Sportverbände ihren Mitgliedern auflegen.
Die Grundidee hinter einer Institution wie dem internationalen Sportgerichtshof ist, dass die privat festgelegten Regelwerke im Sport weltweit einheitlich ausgelegt werden – und nicht in jedem Land unterschiedlich je nach den dortigen Gerichtsentscheidungen.
Die Richter in Luxemburg könnten nun mit ihrem Urteil ein wesentliches System in diesem Sportrecht aufbrechen. „Ich würde nicht sagen, dass dadurch der CAS zusammenfallen würde, aber er würde sicherlich einen großen Riss bekommen und in Zukunft müsste man damit rechnen, dass immer mehr Fälle nach dem CAS noch weitergehen und von nationalen Gerichten auf Konformität mit dem Europa-Recht geprüft werden.“
Potenziell neue Dimensionen
Die Entscheidung des EU-Gerichts in Luxemburg erfährt die Öffentlichkeit mit der Verkündung an diesem Freitag. Für den CAS sieht es nicht besonders gut aus: Die zuständige Generalanwältin Tamara Capeta vertrat in ihren Schlussanträgen die Auffassung, dass nationale Gerichte in der EU die Schiedssprüche umfassend überprüfen können müssen. Sie argumentierte, dass die Zuständigkeit des CAS im Fußball den Sportakteuren aufgezwungen werde. „Ein freier Wille der Parteien, eine Streitigkeit vor den CAS zu bringen, ist nicht ohne Weiteres erkennbar“, hieß es in ihren Ausführungen.
Das sei ein entscheidender Unterschied zur Handelsschiedsgerichtsbarkeit, bei der Parteien ebenfalls selbst festlegen, wer über Streitigkeiten zwischen ihnen entscheiden soll. Es geht am Europäischen Gerichtshof in dieser Angelegenheit also nur um Fälle, die „forciert“ vor dem CAS verhandelt werden. Ein großer Prozentsatz der Fälle des CAS kommt auf freiwilliger Basis, mit dem Einverständnis beider Parteien, dorthin. Diese sind von dieser Prozedur nicht betroffen. „In dem Moment, müssen beide Parteien alle Konsequenzen tragen. Der Weg zu normalen Gerichten ist danach ausgeschlossen. Wenn allerdings ein Gericht, wie bei der FIFA zwangsauferlegt wird, besteht diese Wahl nicht“, so Theisen.
Die Einschätzung von Generalanwälten ist nicht bindend, das Gericht folgt ihr aber oft. „Wenn die Theorie der Generalanwältin vom Gericht übernommen wird, dann kann man schon von einer Bombe sprechen, die im Sport einschlägt“, so Theisen. „Wenn nationale Gerichte eine Überprüfung von CAS-Entscheidungen machen können, sind wir in ganz neuen Dimensionen. Und dies wird dann mit Sicherheit zu einem weitreichenden Umdenken der Prozeduren, sowohl beim CAS als auch bei allen Verbänden, die nach dem Prinzip der Zwang-Schiedsgerichtsbarkeit verfahren, nach sich ziehen.“
De Maart
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