Samstag18. Oktober 2025

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InterviewTriathletin Jeanne Lehair über ein „ziemlich unglaubliches“ Jahr 

Interview / Triathletin Jeanne Lehair über ein „ziemlich unglaubliches“ Jahr 
Jeanne Lehair liegt vor dem WM-Finale auf dem dritten Platz Foto: Imago/teamSprint-media/Marcel Hilger

Zwei Wochen nach dem emotionalen Supertri-Triumph in Toulouse, inklusive Heiratsantrag auf dem Siegerpodest, steht Triathletin Jeanne Lehair vor dem nächsten großen Moment: dem Finale der World Triathlon Championship Series (WTCS) im australischen Wollongong. Im Gespräch mit dem Tageblatt blickt sie davor auf ihre bisher erfolgreichste Saison zurück.

Tageblatt: Vor zwei Wochen haben Sie in Toulouse die letzte Etappe des Supertri gewonnen und damit auch die Gesamtwertung für sich entschieden. Auf dem Podium gab es dann den Heiratsantrag von Ihrem Partner Nathan Lessmann. War es ein perfektes Wochenende?

Jeanne Lehair: Ich bin mit gemischten Gefühlen in Toulouse angetreten, da ich in den letzten beiden Jahren dort immer Pech hatte – vor zwei Jahren wurde ich wegen eines nicht richtig befestigten Helms disqualifiziert, und im letzten Jahr hatte ich eine Reifenpanne. Deshalb war ich nur halb begeistert, obwohl es das Finale war und ich in Toulouse lebe und wusste, dass meine Freunde und Familie vor Ort sein würden. Ich hatte Angst, dass wieder etwas schieflaufen könnte – das wäre ein Desaster für die Gesamtwertung gewesen. Doch das Rennen verlief großartig und ich habe nicht nur das Rennen gewonnen, sondern auch die Gesamtwertung. Ich wollte das unbedingt, da ich davor zweimal Zweite geworden war. Und dann hat Nathan mir zusätzlich noch diese wunderschöne Überraschung bereitet. Das war besonders emotional, weil wir auch in Toulouse leben. Seine und meine Eltern waren da, einer meiner Brüder ist extra angereist. Und auch meine beste Freundin war da. Symbolisch war das etwas ganz Besonderes, denn als ich das erste Mal nach Toulouse kam, war es, um sie zu besuchen. Durch sie habe ich dann Nathan kennengelernt. Vielleicht wären wir uns bei Wettkämpfen mal über den Weg gelaufen, aber ich weiß nicht, ob wir auf dieselbe Weise zueinandergefunden hätten. Der Heiratsantrag war perfekt. Da er ihn mit der Supertri geplant hat, haben wir jetzt auch super Fotos. Also ja, es war ein perfektes Wochenende.

Konnten Sie die ganzen Eindrücke aus Toulouse überhaupt schon verarbeiten, bevor es zum WTCS-Finale nach Australien weiterging?

Es stimmt, dass das alles mit vielen Emotionen, aber auch mit viel Müdigkeit verbunden war. Toulouse war mein viertes Rennen in Folge. Davor bin ich in Karlovy Vary bei der WTCS gestartet, bei der Supertri in Jersey und beim französischen Grand-Prix-Finale in Cabourg. Ich war also schon ziemlich ausgelaugt. Als ich für das WTCS-Finale nach Australien gereist bin, hat sich das bemerkbar gemacht. Ich habe angefangen, mich wirklich nicht gut zu fühlen – mir war richtig übel und es ging mir nicht gut. Dazu kam noch der Jetlag. Ich bin letzten Donnerstag in Australien angekommen und bis Montag war mir schlecht. Seit Dienstag geht es wieder besser. Ich habe gemerkt, dass die Energie langsam zurückkommt. Mittlerweile geht es mir wieder gut.

Wenn ich es dieses Jahr nicht auf das Gesamtpodium schaffe, wird auch ein Gefühl von Frust bleiben

Wenn Sie die Saison Revue passieren lassen – wie fällt Ihr persönliches Fazit aus?

Das große Ziel in diesem Jahr war, zum ersten Mal auf das WTCS-Podium zu kommen, weil ich da schon länger drum herumgeschlichen bin. Das ist mir dann mit dem Sieg in Yokohama früh in der Saison gelungen – und dann war ich erst mal im Modus: „Mist, jetzt muss ich mir neue Ziele setzen.“ Kurz darauf habe ich noch ein weiteres Podium geholt, und da wurde mir dann klar: Das ist mein Jahr. Letztes Jahr war ich mit Platz fünf in der Gesamtwertung sehr zufrieden. Aber dieses Jahr ist wirklich der Moment gekommen, um das Gesamtpodium anzupeilen. Nur ist es jetzt vor dem Finale so, dass viele Athletinnen eine starke Saison hatten und noch gar nichts entschieden ist. Ich habe zwar zwei Podestplätze, aber am Ende lande ich vielleicht trotzdem wieder auf Rang fünf. Und das wäre schon irgendwie eine merkwürdige Situation – denn letztes Jahr wurde ich Fünfte ohne Sieg und ohne Podium, und dieses Jahr mit zwei Podestplätzen könnte es am Ende trotzdem gleich ausgehen.

Jeanne Lehair gewann im Mai in Yokohama erstmals einen Lauf der WTCS
Jeanne Lehair gewann im Mai in Yokohama erstmals einen Lauf der WTCS Foto: World Triathlon

Unabhängig vom Ausgang des Finalrennens: Ist 2025 trotzdem bereits jetzt die erfolgreichste Saison Ihrer Karriere?

Man kann ganz klar sagen, dass das die beste Saison meiner bisherigen Karriere ist. Ich war in jedem WTCS-Rennen in den Top 10. Dazu drei Siege in der Supertri und den Grand-Prix in Frankreich. Ich glaube, mir ist das selbst noch gar nicht ganz bewusst, weil es einfach ziemlich unglaublich ist. Ich genieße den Moment sehr, denn ich weiß auch: Nicht jede Saison läuft so. In den letzten Jahren ging es für mich Schritt für Schritt nach oben. Und wenn man erst mal beginnt, Podestplätze zu holen und Rennen zu gewinnen, wird es schwer, sich noch zu steigern. Auf diesem Niveau ist das alles andere als selbstverständlich. Wenn ich es dieses Jahr nicht auf das Gesamtpodium schaffe, wird deshalb auch ein Gefühl von Frust bleiben. Ich bin so nah dran – und ich weiß nicht, ob ich nächstes Jahr wieder so dicht dran sein werde.

Sie haben diese Saison in der WTCS erstmals ein Rennen gewonnen und sind in jedem Rennen konstant in die Top Ten gelaufen. Woher kommt dieser Leistungssprung?

Ich habe nicht das Gefühl, dass ich einen großen Sprung gemacht habe. Zumindest spüre ich das nicht so. Ich habe auch nichts Grundlegendes verändert. Seit fünf Jahren trainiere ich mit meinem Coach, und ich würde sagen, dass meine Entwicklung seitdem linear verläuft. Ich war in dieser ganzen Zeit nie verletzt und mache die Dinge einfach gewissenhaft. Ich habe ein stabiles und gesundes Umfeld, die Unterstützung des Verbandes ist da und ich bin in einer guten Trainingsgruppe. Ich brauche mich eigentlich nur auf mein Training und die Wettkämpfe zu konzentrieren. Man darf auch nicht vergessen, dass ich noch gar nicht so lange in der WTCS unterwegs bin. Mein erstes Rennen war 2021 – damals noch für Frankreich. Aber erst seit 2023 bestreite ich wirklich die Serie über die ganze Saison hinweg. In den letzten zwei Jahren konnte ich so Erfahrung sammeln – die Rennen besser einschätzen, meine Gegner besser kennenlernen und strategisch klügere Entscheidungen treffen. Wobei ich ehrlich sagen muss: Oft lasse ich mich auch einfach vom Flow leiten und höre auf meinen Körper und meine Beine. Meistens funktioniert das ganz gut. Ob meine Entwicklung so weitergeht, weiß ich natürlich nicht. Wenn sich eine gute Saison an die nächste reiht, ist einem natürlich bewusst, dass irgendwann auch mal ein weniger gutes Jahr kommen wird. Ich denke aber, dass ich auf dem Rad und im Schwimmen noch Luft nach oben habe und bin zuversichtlich.

Man kann ganz klar sagen, dass das die beste Saison meiner bisherigen Karriere ist

Im WM-Ranking ist vor dem Finale am Sonntag theoretisch noch alles drin – sogar der Titel. Wie gehen Sie mit dieser Ausgangslage um?

Theoretisch kann ich noch Weltmeisterin werden, ja. Aber ehrlich gesagt denke ich nicht wirklich daran. Denn das hängt nicht nur von meinem Rennen ab. Ich müsste das Rennen gewinnen – was an sich schon eine ziemlich große Herausforderung ist. Und zusätzlich müssten Cassandre (Beaugrand) und Beth (Potter) (die beiden Ersten; Anm. d. Red.) außerhalb des Podiums landen. Das sind Faktoren, die ich nicht beeinflussen kann. Schon wenn ich meinen dritten Platz im Gesamtranking halten könnte, wäre das super. Aber selbst das wird schwer. Hinter mir ist es sehr eng. Mit Léonie Périault und Lisa Tertsch ist es mehr oder weniger so: Wer von uns vor der anderen ins Ziel kommt, liegt am Ende vorne. Deshalb gehe ich das Rennen einfach wie ein normales WTCS-Rennen an. Natürlich schwingt die Bedeutung für die Gesamtwertung mit, aber ich versuche einfach, mein Bestes zu geben. Egal, was passiert – die fantastische Saison, die ich erlebt habe, kann mir niemand mehr nehmen.

Die WM-Gesamtwertung

1. Cassandre Beaugrand (F) 2.925 Punkte
2. Beth Potter (GB) 2.925
3. Jeanne Lehair (L) 2.716,45
4. Lisa Tertsch (D) 2.636,26
5. Léonie Periault (F) 2.587,72

Die Gesamtwertung der WTCS basiert auf den drei besten Ergebnissen jeder Athletin aus der regulären Saison. Hinzu kommen noch die im Finale erzielten Punkte. Für einen Sieg in Wollongong gibt es 1.250 Punkte, wobei die Punktzahl danach pro Platzierung um 12,5 Prozent abnimmt.

Cambrésy mit starkem WM-Auftritt bei den U23

Zum Auftakt des WTCS-Finales im australischen Wollongong wurden am Donnerstag und Freitag bereits die WM-Wettkämpfe der Nachwuchskategorien ausgetragen. Einen besonders starken Auftritt lieferte dabei Lucas Cambrésy in der U23-Klasse. Über die olympische Distanz (1,5 km Schwimmen, 40 km Radfahren, 10 km Laufen) erreichte er den starken zehnten Platz – das beste Ergebnis, das je ein Luxemburger bei einer U23-Weltmeisterschaft erzielt hat. Ebenfalls in diesem Rennen am Start war Théo Marti, der jedoch nach einem Sturz auf dem Rad aufgeben musste. Das gleiche Schicksal ereilte Linda Krombach im Rennen der Juniorinnen (Sprintdistanz): Nachdem sie zwischenzeitlich sogar vom Podium träumen durfte und Teil einer fünfköpfigen Spitzengruppe auf dem Rad war, stürzte sie in der letzten Runde und musste das Rennen danach wegen eines technischen Defekts aufgeben. Bei den Junioren belegte Sebastian Ziekman den 19. Rang, Rémi Hirschauer kam als 28. ins Ziel. Am Sonntag stehen in Wollongong noch die Elite-Rennen auf dem Programm: Neben Jeanne Lehair wird aus luxemburgischer Sicht auch Gregor Payet an den Start gehen.