Als er merkte, welch hohe Wellen seine Aussagen schlugen, ruderte der 78-jährige Jurist am Mittwoch teilweise zurück.
Er habe sich nicht für eine Straffreiheit bei Dopingvergehen ausgesprochen, teilte einer der weltweit bekanntesten Dopingfahnder nach einem Gespräch mit dem Präsidenten des Nationalen Olympischen Komitees Italiens (CONI), Gianni Petrucci, in Rom mit.
Der schnell einberufene Krisengipfel konnte die Wogen jedoch nicht mehr glätten: „Torris Aussagen klingen so, als sage ein Antimafia-Staatsanwalt, alle Sizilianer seien Mafiosi, und wenn es dem Staat nicht schade, solle man das organisierte Verbrechen legalisieren“, empörte sich die Gazzetta dello Sport am Donnerstag.
Torri hatte alle Radprofis kollektiv des Dopings bezichtigt. „Das sage nicht nur ich“, betonte Torri. „Alle Radprofis, die ich in letzter Zeit befragt habe, sagten, dass jeder dopt“, untermauerte eKapitulation
CLAUDE CLEMENS
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Da ist sie also wieder einmal, in einem Gedankenspiel, die ultimative Kapitulation vor der
Geißel des modernen Sports: die Freigabe von Doping, als
„Lösung“ des Problems.
Der Hochleistungssport würde dann zum Kommerz verkommen – ist er das nicht eh schon, mit all den Millionen und Milliarden, die weltweit kursieren? – und die Bezeichnung Sport nicht mehr verdienen.
Alles wäre dann ungefähr so wie Wrestling, mit einem Anschein von Regeln und einer Marionette von Schiedsrichter, der trotzdem zulässt, dass Gegner mit Stühlen aufeinander einschlagen, u.ä. …
Sport ist nämlich etwas anderes: eine die Gesundheit des Menschen fördernde Betätigung, eine soziale Aktivität in der Gruppe, das Ausloten der eigenen persönlichen Grenzen. Und als letzte Stufe, wenn man dieses Ausloten, das Streben nach dem maximal Möglichen, zu mehreren betreibt: der Wettkampf.
Eines sollten (berühmte) Hochleistungssportler nie vergessen: Sie haben auch eine Vorbildfunktion. U.a. für ihre eigenen Kinder! r seine Position. Der Dopingkampf sei schlichtweg nicht zu gewinnen. „Je länger ich mich damit beschäftige, umso erstaunter bin ich, wie weit Doping verbreitet ist. Es wird sich nicht ausmerzen lassen“, meinte der frühere Staatsanwalt.
„Ich gebe auf keinen Fall auf“
Immer wieder würden neue, zunächst nicht nachweisbare Substanzen eingesetzt. „Die Anti-Doping-Einrichtungen sind immer hinter den Dopern zurück“, meinte Torri. Testverfahren würden durch geschickte Betreuer unterlaufen. „Diese Trainer machen ihren Job wirklich gut. Sie sind in der Lage, gerade so viel von einer Substanz zu verschreiben, dass sie unter den Grenzwerten bleibt“, erklärte Torri.
Dies und die Tatsache, dass nach seiner Meinung alle Radprofis dopen und nur einzelne erwischt werden, veranlasste Torri offenbar dazu, eine Dopingfreigabe als mögliche Lösung ins Gespräch zu bringen, wenn die Gesundheit der Radfahrer nicht gefährdet würde. „Es ist nicht fair, wenn wir einen von 100 des Dopings überführen, aber die anderen 99 auch gedopt haben, ohne dass sie bestraft werden“, meinte er.
Torri hat seit 2006 für das CONI unter anderem Doping-Ermittlungen gegen die Giro d’Italia-Sieger Ivan Basso und Danilo Di Luca sowie Rad-Stars wie Alessandro Petacchi, Alejandro Valverde und Riccardo Ricco geführt. Diese Fälle hält er ebenso wie die jüngste Affäre um Tour-de-France-Sieger Contador nur für die Spitze des Eisbergs.
Spekulationen, dass Torri beim mühsamen Abarbeiten dieser Fälle amtsmüde geworden sein könnte, trat der 78-Jährige entgegen. „Ich gebe auf keinen Fall auf“, betonte Torri.
Er räumte jedoch nach Angaben der Gazzetta dello Sport eine gewisse Überforderung ein. Derzeit arbeitet Torris CONI-Stab mit neun Staatsanwaltschaften in Italien zusammen. Diese operieren auf Basis des scharfen Anti-Doping-Gesetzes in Italien mit Hilfe von Durchsuchungen, Abhöraktionen und Vorladungen sehr viel effizienter im Kampf gegen Dopingdealer und -sünder als die Sportverbände.
De Maart
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