Es ist das „Risiko“ des Sportjournalisten, sich manchmal ins Blaue hineinzustürzen. Außer der offiziellen Information, dass um 13.00 Uhr eine Pressekonferenz im Carl-Benz-Stadion stattfinden würde, waren logischerweise im Vorfeld keine Bestätigungen zu erwarten. Dabei hatten sich die Gerüchte in den Medien rasch verbreitet: In Mannheim wackelte der Stuhl von Dominik Glawogger seit dem Wochenende. Fast zeitgleich mit der Verkündung der Trennung wurde am Montagnachmittag in Monnerich das Ende der Amtszeit von Luc Holtz als FLF-Nationaltrainer besiegelt. Viele „Zufälle“ – und vor allem enormer Spielraum für Spekulationen.
Je näher der Termin rückte, umso deutlicher wurde das Ganze: Vor der Spielstätte parkte am Dienstag ein einziges Auto mit Luxemburger Kennzeichen. Ein paar Minuten vor dem Beginn der Pressekonferenz herrschte Gewissheit: Holtz würde gleich an der Seite von SVW-Geschäftsführer Gerhard Zuber in der Tür des kleinen Pressesaals erscheinen. Am Abend zuvor hatte er seine erste Stelle als Profitrainer im deutschen Fußball angenommen. Das Dutzend Mannheimer Journalisten wirkten nach den Nachrichten, die sich am Vortag überschlagen haben, nicht, als könnte sie überhaupt noch etwas überraschen: Die Aufstellung, fehlende Weiterentwicklung und Neuzugänge, die in der neuen Saison auf der Bank geblieben sind – all dies seien mögliche Gründe für das Glawogger-Ende gewesen.
Crashkurs absolviert
Und Holtz? Der hatte nach der späten Anreise am Montagabend noch einen „Crashkurs“ in Sachen Waldhof Mannheim absolviert. „Ich habe mir Spiele angeschaut. Am Sonntag war ein wenig Unglück dabei, da ein abgefälschter Ball ins Tor flog.“ An seiner Überzeugung, etwas mit dem Traditionsverein erreichen zu können, hat der schwache Saisonstart jedenfalls nichts geändert. Das neue Arbeitspapier hatte der 56-Jährige nach „sensationellen Gesprächen“ (O-Ton Zuber) unterzeichnet. Etwas weniger euphorisch hatte FLF-Präsident Paul Philipp den Abschiedstermin mit Holtz beschrieben, dennoch habe der Verband seinem langjährigen Cheftrainer keine Steine in den Weg legen wollen. Am 31. Dezember wäre der Vertrag mit Holtz ausgelaufen.
Spätestens nachdem das klassische „Es ging alles sehr schnell“ abgehakt worden war, musste sich Zuber als Vereinsverantwortlicher den Fragen der einheimischen Medienvertreter stellen, die aufklärende Worte bezüglich der Entlassung von Glawogger einforderten. „Es ist ein ungewöhnlicher Zeitpunkt und das Ganze kommt für viele überraschend“, wusste Zuber. „Es war ein Prozess, bei dem die Entwicklung in die falsche Richtung ging. Nach einer langen Analyse haben wir gemeinsam mit dem Cheftrainer beschlossen, uns zu trennen. Wir wollten neue Impulse setzen.“ Den Vorwurf, man habe in der Sommerpause die Augen vor diesen Problemen verschlossen, wollte er allerdings nicht gelten lassen.
„Sehen uns am 4. September“
Das erste Länderspiel nach seiner Amtszeit wird Luc Holtz sich nicht entgehen lassen. Der neue Cheftrainer des SV Waldhof Mannheim verabschiedete sich auf Luxemburgisch mit dem Versprechen, dass er zum Auftakt der WM-Qualifikation im Stade de Luxembourg vorbeischauen wird.
Holtz versuchte ebenfalls, den Vorgänger mit lobenden Worten ins rechte Licht zu rücken. „Ich fand auch vieles gut, beispielsweise gegen den Ball. In Ballbesitz gibt es sicherlich Sachen, die man verbessern kann. Es handelt sich um einen interessanten Traditionsverein. Nach den ersten Gesprächen mit Mathias (Schober, Sportdirektor) war mir schnell klar, dass ich das machen will. Der Verein gehört eine Etage höher. Das ist das klare Ziel, da will ich mitmachen.“
Wenn du mit den Menschen redest und dir dann bewusst wird, dass du am nächsten Tag nicht mehr zurückkommen wirst, ist schon ein besonderer Moment
Für ihn ändert sich der Alltag als Trainer nun schlagartig. Bereits am Mittwoch wird er mit seiner Mannschaft im badischen Pokal gegen den Oberligisten Neckarelz antreten. „Ich versuche heute noch, Gespräche mit allen Spielern zu führen, ich habe den Trainingsplan bereits festgelegt und auch eine Idee, wie wir morgen antreten werden.“ Die Detailversessenheit des neuen Cheftrainers entging bei seiner Vorstellungsrunde nicht. Gezielte Fragen bezüglich eines einzelnen Spielers beantwortete er in entspanntem Ton. „Aufgrund der Belastungssteuerung werden wir morgen und übermorgen (Testspiel gegen saudischen Vizemeister Al-Hilal) mit zwei verschiedenen Teams antreten.“ Aus der Reserve locken ließ er sich nicht: „Wir werden versuchen, eine gute Mischung zu finden.“ Der bisherige Trainerstab von Glawogger wird ihm dabei zur Seite stehen.
Holtz-Handschrift in Arbeit
Der Reiz an dem neuen Job sei vor allem, dass er seine Handschrift nun täglich implementieren könne. „Jeden Tag auf dem Platz zu stehen und etwas entwickeln zu können“, sei jetzt seine Motivation. „Als Trainer weißt du nicht, wie lange es dauert, um die eigenen Ideen reinzubringen. Dieses Ungewisse ist auch das Schöne an der Sache. Ich hoffe, dass wir dominant spielen und Siege einfahren, da ich mir bewusst bin, dass diese das Geschäft im Profifußball bestimmen.“
Ihm stehen nun 27 Profispieler zur Verfügung, um diese Pläne umzusetzen. „Wir müssen vermehrt auf das Abwehrverhalten achten“, schickte er voraus. „Ich habe klare Ideen, wie wir verteidigen und uns Tore erarbeiten wollen. Ich bin der Meinung, dass die Mannschaften, die Meister werden, meist viel Ballbesitz haben.“
Die Stadt habe ich auch noch nicht besichtigt, aber das hat jetzt keine Priorität, sondern der Fußballplatz und die Mannschaft
Diese Philosophie erinnert logischerweise an die Spielweise der „Roten Löwen“. Die Tür hinter sich zuzuziehen und das Gebäude der FLF-Verwaltung hinter sich zu lassen, sei „schwierig“ gewesen. „Wenn du mit den Menschen redest und dir dann bewusst wird, dass du am nächsten Tag nicht mehr zurückkommen wirst, ist schon ein besonderer Moment. Ich habe viele Verbindungen aufgebaut. 15 Jahre gehen nicht spurlos an einem vorbei. Ich wünsche der Nationalmannschaft alles Gute und bin überzeugt, dass die Jungs Großes leisten werden.“ Auf dem Weg nach Mannheim sei er in Gedanken das eine oder andere Mal den Tränen nahe gewesen, gab er später im RTL-Fernsehinterview zu.
„Waren noch gut bedient“
An seinen ersten Auftritt im Carl-Benz-Stadion erinnert sich der Luxemburger noch gut: Es war 1998, vor 25.000 Zuschauern fegte die deutsche Mannschaft über die FLF-Auswahl hinweg. „Wir haben 0:7 verloren und waren damit noch gut bedient. Zu dieser Zeit war die Luxemburger Mannschaft noch nicht so gut, wie sie heute ist.“ Er selbst wurde damals beim Stand von 0:5 in der 63. für Ralph Ferron eingewechselt.
Dass er die Vergangenheit, „eine grandiose Zeit“, nicht so schnell abschütteln kann, dürfte ihm schon nach wenigen Minuten in Mannheim bewusst geworden sein. Denn die Causa Rodrigues haftet noch immer an Holtz. „Das Thema ist abgehakt. Ich schaue eher nach vorne. Es gab viele Diskussionen. Ich kann die Meinungen verstehen, aber dieses Kapitel habe ich abgeschlossen.“ Stattdessen gehören nun deutschsprachige Pressekonferenzen zum Trainerdasein. „Das ist neu für mich. Die Stadt habe ich auch noch nicht besichtigt, aber das hat jetzt keine Priorität, sondern der Fußballplatz und die Mannschaft.“
Letztlich war spürbar, wie viel Hoffnung beide Seiten in diese Zusammenarbeit stecken. „Klar ist die Verbandsarbeit etwas anderes, aber im Endeffekt ist der Fußball immer der gleiche. Es geht um Spielphilosophien und Ausrichtungen. Es wäre zu kurz gedacht, diesen Vergleich zu ziehen. Als Nationaltrainer schaut man sich ja alle Ligen an. Unser Kriterium war nicht, einen Ligakenner zu engagieren. Der Vorgänger war es auch nicht“, meinte Zuber. „Er war 15 Jahre im Amt. Das ist eine gute Vorlage. Wenn er so lange bleibt, hätten wir alles richtig macht“, schloss er mit einem Lachen ab.
De Maart
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