Donnerstag6. November 2025

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Mitten im EntwicklungsprozessSkirennfahrerin Gwyneth ten Raa hat seit Monaten alles auf Olympia ausgerichtet

Mitten im Entwicklungsprozess / Skirennfahrerin Gwyneth ten Raa hat seit Monaten alles auf Olympia ausgerichtet
Um optimal auf Olympia vorbereitet zu sein, wird Gwyneth ten Raa in dieser Saison mehrere Weltcups fahren Foto: privat

Gwyneth ten Raa wird im kommenden Februar – sofern alles nach Plan läuft – an ihren zweiten Olympischen Spielen teilnehmen. Schon 2022 in Peking sammelte sie wertvolle Erfahrungen, die ihr nun in Cortina d’Ampezzo zugutekommen sollen. Um in Italien ihre beste Leistung abzurufen, hat die 20-Jährige in den vergangenen Monaten intensiv gearbeitet.

Manchmal ist es ganz einfach, den Fortschritt von Athleten zu belegen. Dass Gwyneth ten Raa sich noch mitten im Entwicklungsprozess befindet, zeigen ihre FIS-Punkte: Die junge Luxemburgerin blieb schon in der Saison 2022/23 erstmals unter der 30-Punkte-Marke – und auch in der darauffolgenden Saison bestätigte sie dieses Niveau regelmäßig. In der Saison 2024/25 stellte sie schließlich neue Bestwerte auf: Nach einem zweiten Platz bei einem FIS-Rennen in La Clusaz erzielte sie im Riesenslalom ihren bisherigen Karrierebestwert von 23,64 Punkten. Mit gerade einmal 20 Jahren hat ten Raa jedoch noch längst nicht ihr gesamtes Potenzial ausgeschöpft. Sie befindet sich mitten in der Entwicklungsphase – und, wie sie selbst sagt, hat sie in diesem Sommer erneut wichtige Schritte nach vorne gemacht.

Alles richtet sich seit einigen Monaten auf die Olympischen Winterspiele 2026 aus. Am 15. Februar soll Ten Raa voraussichtlich im olympischen Riesenslalom starten, drei Tage später folgt der Slalom in Cortina d’Ampezzo. Dafür hat sie in den vergangenen Monaten intensiv gearbeitet. Von Mai bis Oktober trainierte sie in der Coque unter der Betreuung des LIHPS. Gemeinsam mit Maike Czasche, Wissenschaftlerin und Kraft- sowie Konditionstrainerin des LIHPS, absolvierte sie vor allem Einheiten im Kraftraum.

So werden die FIS-Punkte ausgerechnet

FIS-Punkte zeigen, wie gut Athleten im Vergleich zum Sieger eines Skirennens sind. Ausgerechnet wird es wie folgt: Zuerst schaut man, wie viel langsamer man als der Sieger war. Je kleiner der Rückstand ist, desto weniger Punkte bekommt man – je weniger Punkte, desto besser. Dann kommt noch ein Zusatzwert dazu, der „Penalty“ heißt. Der zeigt, wie stark das Rennen besetzt war – also wie gut die anderen Fahrer waren. Wenn viele starke Läufer mitfahren, ist der Penalty kleiner und die Punkte fallen besser aus. Am Ende gilt: FIS-Punkte = Rückstand zum Sieger (in Punkten) + Penalty. Je weniger Punkte, desto besser ist man im internationalen Vergleich platziert. 

Zwischendurch nahm sie an mehreren Trainingscamps teil, um das im Kraftraum Erarbeitete auch auf der Piste umzusetzen. „Ich denke, dass ich vor allem im Riesenslalom große Fortschritte gemacht habe“, sagt Ten Raa. „Mit dem Trockentraining in der Coque, wo wir Kraft, Ausdauer und Balance trainiert haben, und den Trainingscamps hatte ich eine gute Vorbereitung. Wie es aber wirklich aussieht, werde ich dann bei den Rennen sehen.“ 

Mehrere Weltcup-Rennen im Programm

Eine bedeutende Neuerung betrifft in diesem Jahr ihr Material. Ihr Ausrüster Atomic hat Ten Raa neue, millimetergenau angepasste Modelle zur Verfügung gestellt. Dafür verbrachte sie einen ganzen Tag im Atomic-Hauptquartier im österreichischen Altenmarkt im Pongau. Wie sich die neuen Ski im Wettkampf schlagen, wird sich bald zeigen: Ihre ersten Starts sind am 19. und 20. November bei zwei FIS-Slaloms im schweizerischen Schilthorn geplant. Anschließend folgen Riesenslaloms in Davos sowie der erste Europacup Anfang Dezember, ehe es weiter nach Mayrhofen und zu National-Cup-Rennen in Italien geht.

„Ich fühle mich körperlich richtig gut“, sagt die Sportsoldatin, die 2024 ihre Grundausbildung abgeschlossen hat. „Ich merke, dass ich Fortschritte gemacht habe. Jetzt gilt es, das bei den Rennen zu zeigen. Ich hoffe, dass sich die harte Pre-Season wirklich auszahlt.“ Um bei Olympia in Italien ihre volle Leistungsfähigkeit abrufen zu können, wird Ten Raa in dieser Saison auch bei Weltcup-Rennen starten. Geplant sind laut ihrem Vater Roger ten Raa Teilnahmen in Semmering (28. und 29. Dezember), Kranjska Gora (3. und 4. Januar 2026) sowie am Kronplatz (20. Januar 2026). „Es geht darum, schwierige Weltcup-Rennen zu bestreiten, um sich optimal auf Olympia vorzubereiten“, erklärt Roger ten Raa. „Sie soll sich an das Niveau, die Pisten – und auch an das ganze Drumherum gewöhnen: Kameras, Zuschauer, Medienrummel. Wenn sie das im Weltcup erlebt, wird sie bei Olympia gelassener sein und sich voll auf ihre Leistung konzentrieren können.“

Auch im Super-G aktiv

Olympia-Erfahrung bringt Ten Raa bereits mit: 2022 war sie in Peking am Start, schied dort jedoch sowohl im Slalom als auch im Riesenslalom im ersten Durchgang aus. Damit sich das in Cortina nicht wiederholt, wird in der Familie Ten Raa nichts dem Zufall überlassen. „Es gibt große Unterschiede zwischen FIS-, Europacup- und Weltcup-Rennen“, erklärt Roger. „Bei FIS-Rennen kannst du einen kleinen Fehler noch korrigieren – im Weltcup kostet dich derselbe Fehler sofort das Rennen. Genau daran wollen wir Gwyneth gewöhnen.“

Die vom COSL ausgeschriebene Olympia-Norm ist für Ten Raa übrigens reine Formsache. Sie muss in dieser Saison unter 40 FIS-Punkte bleiben – eine Marke, die sie bereits mehrfach deutlich unterboten hat. Spannend ist, dass sie auch im Super-G aktiv ist: Für die Speed-Disziplinen Super-G und Abfahrt gilt eine Norm von 55 Punkten, die Ten Raa ebenfalls schon zweimal unterboten hat. Ein Start im olympischen Super-G steht dennoch nicht zur Debatte. „Wir haben die Speed-Disziplinen auf Weltcup- oder Olympia-Niveau noch nicht ausreichend auf eisigen Pisten trainiert“, sagt Roger ten Raa. „Das Risiko wäre zu groß. Trotzdem bleibt der Super-G Teil ihres Trainings, um auch in dieser Disziplin die FIS-Punkte weiter zu senken.“

Und selbst wenn es in Italien nicht so läuft, wie sich Familie Ten Raa das vorstellt, ist die Sportlerin noch längst nicht am Leistungsmaximum angekommen. Ihre zweiten Winterspiele werden so oder so ein weiterer wichtiger Teil in ihrem Entwicklungsprozess sein – und mit erst 20 Jahren ist die Chance sicher noch gegeben, an weiteren Winterspielen teilzunehmen.

Joyce Ten Raa mit Knieproblemen

Joyce ten Raa wird zu Beginn dieser Saison keine Rennen bestreiten. Die 22-jährige Schwester von Gwyneth kämpft noch immer mit den Folgen eines Kreuzbandrisses, den sie sich 2022 während einer Trainingsfahrt zugezogen hat. Zwar konnte sie danach noch regelmäßig Rennen bestreiten – unter anderem bei den Weltmeisterschaften in Saalbach –, doch die Knieprobleme blieben bestehen. „Der Druck auf das Knie ist einfach zu groß“, erklärt ihr Vater Roger. „Zusammen mit dem COSL versucht sie viel Krafttraining zu machen, damit sie wieder an Rennen teilnehmen kann. Wir hoffen, ab nächstem Jahr im März noch Rennen zu fahren.“