Gemischte Gefühle prägten am Montag die Luxemburger Delegation bei der WM in Kigali. Marie Schreiber hatte sich mehr vorgenommen als Platz 14 beim U23-Zeitfahren, während Gwen Nothum mit Rang 17 positiv überraschte. „Natürlich war Marie enttäuscht“, sagt Christian Helmig, Chef de Mission in Kigali. „Sie ist mit anderen Ambitionen hierher gereist. Gleichzeitig bestand aber auch die Gefahr, dass es so laufen kann. Marie wurde nach der Tour de l’Avenir krank. Sie hatte sich zwar erholt und im Training gute Leistungen gezeigt. Aber wir wussten, dass es so oder so laufen kann. Schade, dass es am Ende nicht so lief, wie wir es uns erhofft hatten.“
3:29 Minuten fehlten Schreiber auf Weltmeisterin Zoe Backstedt aus Großbritannien, auf Platz drei waren es 1:18 Minuten. „Es ist im Endeffekt schwierig, zu sagen, woran es lag. Wenn du vorher krank bist, bringt das immer eine Unsicherheit mit. Die erste Hälfte des Rennens war gut, danach ging halt nichts mehr. Eine Woche zuvor haben wir in Luxemburg noch ein Mannschaftszeitfahr-Training absolviert, da war sie sehr stark. Da waren Gwen und Liv (Wenzel) auch dabei – und Marie war mit Abstand die Stärkste. Am Montag hat sie einfach einen schlechten Tag erwischt und konnte ihre Leistung nicht abrufen. Normalerweise liegen Marie und Gwen eineinhalb bis zwei Minuten auseinander – diesmal waren es 40 Sekunden. Mit einer normalen Leistung wäre Marie hier aufs Podium gefahren.“
Schwierige Strecke beim Straßenrennen
Der Lichtblick am Montag war die erst 18-jährige Nothum, die ihr erstes Jahr in der U23-Kategorie fährt. Mit Platz 17 übertraf sie die Erwartungen. „Sie ist extrem gut gefahren“, sagt Helmig. „Es ist eine Freude, mit ihr zusammenzuarbeiten. Sie saugt hier alle Infos und Eindrücke auf und setzt das, was man ihr sagt, sofort um.“ Gerade wegen der beiden unterschiedlichen Leistungen spricht Helmig von „einem lachenden und einem weinenden Auge. Aber jeder wird daraus lernen – und am Donnerstag haben wir schon die nächste Chance, es besser zu machen.“
Am Donnerstag steht das U23-Straßenrennen der Frauen über 119,3 Kilometer und 2.435 Höhenmeter an. Start ist um 13.05 Uhr. Acht Runden sind zu absolvieren, darunter die Côte de Kigali Golf (0,8 km/8,1% Steigung) und die Côte de Kimihurura (1,3 km/6,3%, auf Kopfsteinpflaster). „Vom Profil her ist das eine Strecke, die Marie liegen kann. Es gibt steile Anstiege und längere, steile Abfahrten. Man muss nicht permanent aufs Gas drücken.“
Positionierung von hoher Bedeutung
Die Favoritinnen kommen aus den großen Nationen: Großbritannien mit fünf Fahrerinnen, Spanien und die USA mit vier, Frankreich und Belgien mit drei. Nothum und Schreiber gehen als Außenseiterinnen ins Rennen. „Sie haben beide keinen Druck, das ist eine riesige Chance. Gwen ist sowieso zum Lernen hier. Sie wird Marie aber sicher gut unterstützen können. Wir müssen das Rennen nicht machen und können schauen, wie es sich entwickelt. Einige Nationen haben hier klare Ziele, andere haben Respekt vor der Strecke.“
Anders als im Zeitfahren spielen beim Straßenrennen viele Faktoren eine Rolle – vor allem die Positionierung. „Christine (Majerus) ist bei Olympia kurz vor dem Montmartre-Anstieg in der falschen Position gefahren. Vor ihr gab es einen Sturz – und ihr Rennen war vorbei. Wäre sie vorne gewesen, wäre sie in die Top Ten oder noch besser gefahren. Das zeigt, wie schnell es laufen kann. Wir müssen aufmerksam sein.“
Neben der Taktik werden auch die Bedingungen in Ruanda eine Rolle spielen. „Es ist warm und schwül. Man spürt die Höhe. Das sind alles Herausforderungen, die uns bewusst waren. Aber jede Sportlerin geht damit anders um. Die WM ist immer speziell: An einem Tag muss alles zusammenpassen. Dann ist alles drin – auch für Marie. Sie ist fit, sie ist motiviert und sie kann das.“ Ein konkretes Ziel will Helmig nicht ausgeben: „Eine Prognose bei so einem Rennen ist schwer. Ein Top-Ten-Platz wäre aber super.“
„Fokus lag auf dem Zeitfahren“
Für Schreiber geht es um eine Platzierung, Nothum soll Erfahrung sammeln. Sie erhielt bei der WM den Vorzug vor ihren Konkurrentinnen Liv Wenzel und Layla Barthels. Vor allem Wenzel hatte bei der Tour de l’Avenir und kurz darauf beim italienischen Etappenrennen Memorial Michela Fanini (2.2) mit Platz neun in der Gesamtwertung ihre starke Form unter Beweis gestellt. „Die Selektion für WM und EM war strategisch geprägt“, erklärt Helmig. „Das WM-Straßenrennen hatte nicht die oberste Priorität. Obwohl Liv vielleicht aktuell die stärkere Fahrerin ist, haben wir uns entschieden, sie für das Teamzeitfahren bei der EM zu nominieren und Gwen hier Erfahrung sammeln zu lassen. Wenn wir das Zeitfahr-Ergebnis sehen, war das die richtige Entscheidung. Wären wir unbedingt auf eine Medaille im Straßenrennen aus gewesen, hätten wir eine andere, vor allem größere Mannschaft entsenden müssen. Unser Fokus lag auf dem Zeitfahren.“

Ein generelles Problem sei die enge Taktung von WM und EM. „Sportlich hätten wir sicher gerne eine größere Delegation nach Afrika geschickt. Aber auch die großen Nationen stellen bei WM und EM oft unterschiedliche Teams. Die Schweizer konzentrieren sich etwa hier auf das WM-Teamzeitfahren und verzichten bei der EM ganz auf eine Mannschaft. Das liegt nicht am fehlenden Interesse für die EM, sondern daran, dass die Vorbereitung auf beide Wettbewerbe extrem schwierig ist.“ Nach der WM geht es für Nothum und Schreiber direkt nach Frankreich: Beide starten dort beim U23-Zeitfahren (1. Oktober) und U23-Straßenrennen (3. Oktober). Schreiber fährt zudem das Mixed-Teamzeitfahren (2. Oktober).
Lob an die Organisation
Seit dem 18. September ist eine siebenköpfige FSCL-Delegation in Ruanda. Neben Schreiber, Nothum und Helmig gehören Brian Nugent (Trainer), Eric Gleis (Mechaniker) und José Luis García Suárez (Betreuer) zum Team. „Die Organisation hier ist wirklich gut“, lobt Helmig. „Die Strecke ist bestens abgesichert, die Sicherheitsvorkehrungen sind durchdacht, und die Menschen sind freundlich und hilfsbereit. Auch die Fans leben diese WM mit großer Begeisterung.“
Gleichzeitig sei aber spürbar, dass man sich auf ungewohntem Terrain bewegt. „Einige Erfahrungswerte fehlen uns einfach. Hier bekommt man zum Beispiel nicht so leicht Joghurt. Oder man kann nicht schnell mal in einen Decathlon gehen und eine Kühlbox kaufen. In ganz Kigali war kein Massagetisch mehr aufzutreiben – verschiedene Nationen haben sie über Kontakte aufgekauft. Zum Glück hatten wir einen mitgebracht. Auch Rollen oder andere Dinge, die man in Europa problemlos besorgen kann, sind hier schwerer zu bekommen. Aber die Unterstützung der Botschaft ist hervorragend.“
Die angesprochenen Probleme betreffen aber nicht nur die Luxemburger. „Man merkt schon, dass dies eine andere WM ist als in Europa“, sagt Helmig. „Dass wir ohne eigene Fahrzeuge hier sind, versteht sich von selbst. Viele Nationen arbeiten mit Mietwagen, niemand ist voll ausgerüstet. Material ist immer limitiert, wenn man fliegen muss. Aber insgesamt können wir uns nicht beschweren. Hotels und Essen sind top, und wenn man sich hier erst mal organisiert hat, fehlt einem letztlich nichts.“
De Maart
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