Freitag24. Oktober 2025

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LeichtathletikRuben Querinjean über seinen Sensationssieg: „In acht Minuten hat sich alles verändert“

Leichtathletik / Ruben Querinjean über seinen Sensationssieg: „In acht Minuten hat sich alles verändert“
Ausgerechnet in Brüssel, einem Ort, der Ruben Querinjean viel bedeutet, ging ein Traum in Erfüllung Foto: AFP/John Thys

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Es war ein Paukenschlag, den niemand so auf der Rechnung gehabt hatte. Nach seinem Sensationssieg beim Diamond-League-Meeting fällt es Ruben Querinjean noch immer schwer, zu realisieren, was er in Brüssel eigentlich geleistet hat. Der Fokus gilt nun der WM in Tokio.

Auch am Sonntagmorgen fiel es Ruben Querinjean noch immer schwer, das, was sich am Freitagabend im König-Baudouin-Stadion in Brüssel abgespielt hat, im vollen Umfang zu realisieren. „Ich war in den letzten Stunden ziemlich beschäftigt: Es gab schon viele Anfragen und Nachrichten. Wenn ich darüber nachdenke, sage ich mir immer noch: Nein, das kann eigentlich gar nicht sein“, gibt er mit einem schüchternen Lachen zu. Mit seinem Sensationssieg über 3.000 Meter Hindernis, ausgerechnet bei seinem Diamond-League-Debüt, hat der 23-Jährige jedenfalls für Schlagzeilen weit über die Grenzen von Luxemburg und Belgien hinaus gesorgt. Und so wundert es auch nicht, dass sogar die Veranstalter selbst in den sozialen Medien von einem „breakthrough run to remember“ schreiben. 

Wenn ich darüber nachdenke, sage ich mir immer noch: Nein, das kann eigentlich gar nicht sein

Ruben Querinjean, über seinen Sieg in der Diamond League

„In gerade einmal acht Minuten hat sich irgendwie schon alles verändert“, gibt der 23-Jährige, der es erst kurzfristig ins Teilnehmerfeld geschafft hatte, zu. „Ich war eigentlich nur froh, dabei sein zu können, denn es sind genau diese Rennen, bei denen man alles aus sich herausholen und eine gute Zeit laufen kann. Doch zu den Favoriten gehörte ich bei Weitem nicht.“

Den perfekten Lauf, den erwischte Ruben Querinjean dann aber allemal. Nachdem er in den ersten Runden noch im hinteren Teil des Feldes festgehangen hatte, konnte der FLA-Athlet die aufkommende Lücke zu den Führenden Stück für Stück im Alleingang schließen. „Vor dem Rennen hatte ich mir vorgenommen, alles zu versuchen, um mir am Ende nichts vorwerfen zu müssen. Wenn sich eine Lücke vor mir auftut, versuche ich sie zu schließen. Wenn es am Ende nicht klappt und ich einbreche, dann ist das eben so – wenigstens habe ich es versucht.“ Gesagt, getan: „Ich habe gemerkt, dass niemand reagierte und wenn ich es nicht mache, macht es keiner. Und das hätte nicht zu meinem Vorhaben gepasst.“

Ein surreales Gefühl

Doch damit nicht genug: Vier Runden vor Schluss arbeitete sich Querinjean immer weiter nach vorne. „Es war so 800 Meter vor dem Ziel, als ich dann merkte, dass ich dieses Rennen durchaus gewinnen könne“, erklärt er. „Da habe ich gespürt, dass ich zwar müde war, aber es noch halten kann. Und dann, als es noch 500 Meter waren, habe ich mir gesagt: Okay, jetzt ist es wie im 1.500-Meter-Rennen in Lüttich.“ Mitte Juli setzte er sich hier beim internationalen Meeting auf der Mittelstrecke durch. „Damals hatte ich genau das gleiche Gefühl und habe mir am Freitag im Rennen gesagt: Jetzt musst du das einfach wiederholen. Und wenn man merkt, dass ein Sieg möglich ist, dann gibt das Adrenalin noch einmal einen Extraschub.“ Und so überflügelte er im Sprint noch den Äthiopier Getnet Wale – immerhin jemanden, der bereits einmal ein Diamond-League-Finale für sich entscheiden konnte.

Im Schlusssprint überflügelte Ruben Querinjean die gesamte Konkurrenz
Im Schlusssprint überflügelte Ruben Querinjean die gesamte Konkurrenz Foto: AFP/John Thys

Es war diese Portion Extra-Energie, die ein Athlet abrufen kann, wenn das Rennen zudem noch an einem Ort stattfindet, der einem selbst sehr viel bedeutet. So wie es für den Querinjean, der bekanntlich die luxemburgische und die belgische Staatsbürgerschaft besitzt, bei Brüssel der Fall ist. „Seit meiner Kindheit bin ich immer wieder mit dem Verein zum Memorial Van Damme gefahren. Deswegen habe ich eine besondere Verbindung zu diesem Meeting, viele Erinnerungen von damals. Und jetzt selbst dort auf der Bahn zu laufen, mit so vielen Zuschauern und dieser Atmosphäre, das war wirklich ein Traum.“ Für den 23-Jährigen ein surreales Gefühl, denn nun war er es, der am Freitag dann plötzlich Autogramme geben und Fotos mit den Fans machen musste. 

In einer neuen Sphäre

Doch der Sieg am Freitagabend war nur eine Sache. Hinzu kommt noch ein nationaler Rekord, den er um fast fünf Sekunden pulverisierte. Mit seiner Zeit von 8:09,47 Minuten drang Querinjean damit in Sphären vor, die er am Anfang der Saison noch für fast unmöglich gehalten hatte. Vor allem, da seine Hürdentechnik noch längst nicht perfekt ist, wie er mit einem Lachen betont. „Es wird langsam besser, aber schön sieht es immer noch nicht aus. Aber immerhin verbrauche ich jetzt weniger Energie, und das hilft.“

Mit einer Zeit von 8:12 Minuten wäre der Hindernisläufer bei seinem Diamond-League-Debüt schon mehr als zufrieden gewesen. Nun gehört er zu einem illustren Kreis von 14 Athleten, die in dieser Saison die 8:10er-Marke knacken konnten. „Vor zwei Wochen gab es ein sehr schnelles Rennen, bei dem ich nicht am Start war, bei dem aber sehr viele extrem stark gelaufen sind. Das hat mich schon motiviert und ich habe mir gesagt: Wenn die das schaffen, dann kannst du das auch.“ In Brüssel hat Querinjean dann mit der WaveLight auch die neueste Technik geholfen, die am Streckenrand mitläuft und auf den belgischen Rekord von 8:10 Minuten eingestellt war. „Das hilft natürlich, weil man sonst keine anderen Anhaltspunkte, außer vielleicht den eigenen Schmerz, hat, der nun wirklich kein Maßstab ist“, erklärt der 23-Jährige schmunzelnd. 

Fokus auf Tokio

Mit seinem Husarenritt hat Ruben Querinjean derweil auch noch ein anderes Kunststück geschafft. Als einziger Europäer hat er sich für das Diamond-League-Finale am Mittwoch in Zürich qualifiziert, und das bei nur einem einzigen Rennen dieser Serie. Nach längerem Überlegen hat sich der FLA-Athlet jedoch schweren Herzens entschieden, nicht an den Start zu gehen. „Ein Diamond-League-Finale abzusagen, klingt verrückt, doch das war nicht in meinem Rennkalender vorgesehen und der Fokus gilt nun einmal der WM in Tokio.“ Bereits im Vorfeld des Diamond-League-Meetings in Brüssel haben Querinjean und sein Trainer Thomas Vandormael lange hin und her überlegt, ob ein Start überhaupt Sinn machen würde. „Zwei Hindernisrennen innerhalb einer Woche auf diesem Niveau, dazu mit Druck – das ist gefährlich. Es gibt immer ein höheres Risiko für Stürze, also haben wir beschlossen, nicht zu starten. Wir haben bisher immer versucht, Schritt für Schritt vorzugehen und vorsichtig zu bleiben.“

Ich bin einfach glücklich: Die Saison ist jetzt schon perfekt, besser geht es eigentlich nicht

Ruben Querinjean

Bei der WM Mitte September wird Querinjean jedenfalls mit einer gehörigen Portion Selbstvertrauen an den Start gehen. Sah er bisher eine mögliche Finalteilnahme als kaum realistisch an, hat er am Freitag gesehen, dass dies durchaus machbar ist. „Die Voraussetzungen sind da. Jetzt muss es nur an dem Tag klappen.“

Die letzten zwölf Monate kann er jedenfalls schon einmal als die bisher besten seiner Karriere bezeichnen. Von der Olympiateilnahme im letzten Sommer in Paris über den Titel bei den University Games in Deutschland bis hin zum Sieg in der Diamond League und dem neuen Fabelrekord. „Es ist wirklich verrückt, wo man in weniger als einem Jahr ohne Verletzungen hinkommen kann. Ich konnte sehr gut trainieren, genau wie geplant. Früher war ich oft verletzt, also ist das jetzt wirklich eine außergewöhnliche Gelegenheit“, meint der Hindernisläufer. „Ich bin einfach glücklich: Die Saison ist jetzt schon perfekt, besser geht es eigentlich nicht.“