Was am Wochenende im „Centre national de tir à l’arc Marcel Balthasar“ in Strassen gezeigt wurde, war schon verrückt. Bei den GT Open, die seit mehreren Jahren Bestandteil der Indoor World Series sind, war für Luxemburgs beste Schützin Mariya Klein-Shkolna sogar ein Landesrekord nicht genug, um das Achtelfinale gegen die Nummer eins der Welt, Ella Gibson, zu gewinnen. Am Ende gelang der Britin ein fehlerfreies Match, in dem all ihre Pfeile die Zehn trafen, und sie setzte sich mit 150:149 durch.
Auch die FLTA-Schützin hatte fast ausschließlich die Mitte getroffen, eine einzige Neun war am Ende dann entscheidend. Froh über ihre Leistung – noch nie hat Klein-Shkolna so viele Punkte in einem direkten Duell erzielt –, aber auch Enttäuschung, weil das nicht zum Weiterkommen gereicht hat, machten sich dann auch bei der Luxemburgerin breit. „Ich habe einen neuen Bogen, was immer unvorhersehbar ist, und deshalb bin ich umso erstaunter über meine Leistung. Aber insgesamt hatte ich mir schon erwartet, dass ich mehr als ‚nur‘ das Achtelfinale erreichen würde“, so das Fazit der Compound-Spezialistin. Wie gut der Wettkampf von Klein-Shkolna war, zeigt auch schon die Qualifikation, in der die Nummer zwölf der Welt mit 591 Punkten einen neuen luxemburgischen Rekord aufstellen konnte. Doch am Ende musste sie dem hohen Niveau in Strassen Tribut zollen.
Dass die Compound-Disziplin immer umkämpfter wird, fast nur noch Profis am Werk sind, das bestätigt auch die COSL-Athletin und erklärt den Boom der letzten Jahre mit einem Lachen: „Es macht halt auch mehr Spaß als Recurve.“ Dass das Compound der FLTA derzeit besonders Spaß machen dürfte, zeigt auch die Kategorie der U21-Mädchen, in der sich Lea Tonus zum zweiten Mal in Folge den Turniersieg sicherte und auf diesem im Viertelfinale mit Kenza Pop ein weiteres großes luxemburgisches Talent besiegen konnte. Zwei große Hoffnungsträgerinnen für die Zukunft.
Rekord eingestellt

Gilles Seywert gehört mit seinen 40 Jahren in seinem Sport hingegen bereits zu den Routiniers, doch auch für ihn war das Niveau am Wochenende etwas, das er so bisher noch nicht gesehen hat. „Ein isländischer Kollege meinte zu mir, dass er den nationalen Rekord schon um drei Punkte hätte verbessern müssen, um überhaupt die Qualifikation zu überstehen.“ Um zu den 32 Besten zu gehören, die danach die direkten Duelle bestreiten, musste auch der Luxemburger Compound-Spezialist seinen Landesrekord bestätigen. Mit 591 von 600 möglichen Zählern stellte er diesen am Freitag ein und belegte damit Rang 25 unter 109 Teilnehmern. Ein Zähler weniger hätte zum Erreichen der K.o.-Runde unter Umständen schon gar nicht mehr gereicht.
Wie stark die Leistung des Berufspolizisten einzuschätzen ist, zeigt allein die Tatsache, dass Seywert in der Woche vor den GT Open aus zeitlichen Gründen gerade einmal zwölf Pfeile schießen konnte. „Sonst fahre ich eigentlich gar nicht erst zum Training, wenn ich nicht wenigstens hundert Pfeile schießen kann, doch bei der Arbeit war einfach viel los.“ Dann lief auch die erste Hälfte der Qualifikation noch nicht so, wie er es sich gewünscht hatte. „Ich habe dann das Setup geändert, mehr Gewicht an den Bogen gehangen und dann lief es plötzlich.“ Gerade einmal drei Neuner folgten im zweiten Teil noch, so gut war er sonst noch nie, wie Seywert lachend bestätigt. Eine bemerkenswerte Leistung, die auch in der K.o.-Runde noch weiter ging, denn mit dem US-Amerikaner Kyle Douglas, jemand, der in der Vergangenheit bereits das World-Series-Turnier in Las Vegas gewinnen konnte, schlug er nicht irgendjemanden, sondern einen Topschützen mit 149:148. Im folgenden Achtelfinale war dann jedoch gegen den Türken Akcaoglu nach einem weiteren starken Match Schluss (147:148).
Wie hoch das Level in den Compound-Kategorien in Strassen war, zeigt allein das Finale der Herren, in dem sich beide Konkurrenten nicht einen einzigen Ausrutscher leisteten (150:150) und das der niederländische Weltrekordler Mike Schloesser im Stechen um wenige Zentimeter gewann. Eine Leistung, von der sich auch Organisator Jeff Henckels am Montag noch immer begeistert zeigt und darüber hinwegtröstet, dass die Recurve-Kategorie etwas weniger gut besetzt war als im vergangenen Jahr, als viele noch Punkte für Olympia sammeln wollten. „Das war einfach nur ‚Wow‘ und hat wirklich alles getoppt. Leute vom Weltverband meinten sogar, unser Compound-Finale könnte das Match des Jahres gewesen sein.“ Dass man sogar 591 Punkte benötigte, um zu den besten 32 zu gehören, zeigt ebenfalls die Qualität, die man für das Turnier in Strassen gewinnen konnte. Beim größten Indoor-Turnier Europas im französischen Nîmes haben Anfang des Jahres beispielsweise 588 Punkte in der Qualifikation gereicht. Für die Organisatoren des Guillaume Tell Strassen eine Bestätigung, dass man sich bei den Topathleten des Bogensports inzwischen einen Namen gemacht hat.
Einen Namen gemacht

„Die einzige Kritik, die wir gehört haben, ist, dass zu wenig Platz hinter der Schusslinie ist. Das können wir aber leider nicht ändern. Auch nach mehrmaligem Nachfragen konnten die Athleten uns sonst nichts nennen.“ Ein „Amateurverein“ mit einer professionellen Organisation, die sich von Jahr zu Jahr immer besser einspielt und wodurch auch Jeff Henckels in diesem Jahr, wie er lachend zugibt, zum ersten Mal überhaupt Zeit hatte, sich mehrere Finalmatches anzuschauen. „Da kann ich mich nur bei allen, die helfen, bedanken, es ist echtes Teamwork.“ Allein was die Teilnehmerzahl betrifft, gehören die GT Open inzwischen zu den Top-drei-Turnieren in Europa und Jeff Henckels, der es derzeit sportlich gesehen etwas ruhiger angehen lässt und dem es in dieser Hinsicht am Wochenende auch nicht in den Händen gekribbelt hat, freut sich, dass sich am Ende auch die Mühe gelohnt hat, die indischen Schützen bei ihren Anträgen auf ein Visum tatkräftig zu unterstützen, denn Compound-Finalist Verma trug einiges zum Spektakel bei, beendete die Qualifikation sogar mit einem perfekten Score von 600 Zählern.
Dass dann Seywert und Shkolna bis ins Achtelfinale einziehen und bei in der Kategorie der U21-Compound-Mädchen Lea Tonus den Organisatoren sogar ein Heimsieg schenkt, lässt Henckels nur noch zufriedener auf diese zehnte Jubiläumsedition zurückblicken, nach der noch lange nicht Schluss sein soll.
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