26. November 2025 - 7.01 Uhr
HandballRaïssa Dapina: Vom HB Museldall zur WM
Jahrelang stand Raïssa Dapina auf den großen Bühnen des Handballs: In Frankreich spielte sie auf höchstem Niveau, nahm an internationalen Wettbewerben teil und erlebte den Profisport in all seinen Facetten. Doch ausgerechnet beim kleinen HB Museldall, für den sie seit dieser Saison aufläuft, hat sie nun eine Seite des Sports entdeckt, die sie so nicht kannte.
„Ich merke, dass meine Teilnahme an der Weltmeisterschaft etwas Unglaubliches ist – nicht nur für mich, sondern auch für meine Mitspielerinnen“, sagt sie. „Alle stehen hinter mir, ich war es vorher nicht gewohnt, so von einer Gruppe getragen zu werden. In einem Profi-Team ist es normal, dass Spielerinnen mit ihren Nationalmannschaften zur EM, WM oder auch der Afrika-Meisterschaft fahren. Hier ist es etwas Besonderes.“ Tatsächlich ist Dapina die erste Spielerin der luxemburgischen Liga, die an einer Weltmeisterschaft teilnimmt.
Dass sie heute im Großherzogtum spielt, hätte Dapina selbst noch vor einem halben Jahr nicht für möglich gehalten. In der vergangenen Saison lief sie noch für OGC Nice in der ersten französischen Liga auf. Gleichzeitig hatte sie für die neue Spielzeit ein Angebot vom deutschen Pokalsieger Ludwigsburg. „Es war alles schon sehr weit fortgeschritten. Ich habe mich schon darauf gefreut, Champions League zu spielen“, blickt die 30-Jährige zurück. Doch dann kam die Nachricht, die alles veränderte: Der Bundesligist musste aufgrund finanzieller Probleme ein Insolvenzverfahren eröffnen. Der Wechsel platzte.
„Ich habe das erst ziemlich spät erfahren, im Juli stand ich ohne Klub da“, erzählt Dapina. Zu spät, um noch unkompliziert einen neuen Topverein zu finden. Denn der Markt war überschwemmt mit Spielerinnen, die sich in einer ähnlichen Situation befanden. Und so traf Dapina eine Entscheidung, die ihr bisheriges Leben von Grund auf veränderte: „Ich entschied, vorauszuplanen, in meine Heimatregion (Metz) zurückzukehren, den Profi-Handball hinter mir zu lassen und eine berufliche Neuorientierung zu beginnen.“
Neues Leben nach der Profikarriere
Eine Zeit, in der sie mit Fiona Carrara in Kontakt war, einer Bekannten und Spielerin des HB Museldall. „Sie hat mir viel über den Verein erzählt – dass es mit dem Trainer eine gute Dynamik gibt und sie Fortschritte machen“, sagt Dapina. „Ich wollte in meiner Karriere immer für Vereine spielen, die sich entwickeln und zu den besten Teams gehören wollen. Das hat schlussendlich auch den Ausschlag für meine Entscheidung gegeben.“ Trotzdem beschreibt sie diesen Schritt als „sehr hart“. „Es war ziemlich schwer für mich, von der Aussicht, für einen Verein in Deutschland zu spielen, der um die vorderen europäischen Plätze kämpft, zu einem komplett anderen Projekt in Luxemburg zu wechseln.“

Gerade die ersten Wochen in Luxemburg waren herausfordernd. Dapina musste sich an ein neues Leben gewöhnen. Weg vom Profialltag, hin zu einer 40-Stunden-Arbeitswoche und Handball als Nebenrolle. „Es war nicht einfach, mit dieser neuen Realität umzugehen“, sagt sie. „Ich musste akzeptieren, was auf mich zukam.“ Dass sie heute von sich behaupten kann, ein gutes Gleichgewicht zwischen Privatleben, neuer Arbeit und der Verantwortung beim HB Museldall gefunden zu haben, macht sie stolz. „Es war eine Herausforderung, an der ich gewachsen bin.“
Gleichzeitig hatte Dapina in den vergangenen Monaten aber auch immer die Weltmeisterschaft im Hinterkopf, für die sie in Profi-Form bleiben musste. Vor ihrem Wechsel nach Luxemburg tauschte sie sich intensiv mit dem senegalesischen Verband aus, der ihr einen persönlichen Trainingsplan erstellte, den sie neben dem Mannschaftstraining mit Museldall abspulte. „In Luxemburg hat man nicht die gleiche Trainingsbelastung wie das, was ich vorher gewohnt war“, so Dapina. „Das war etwas, das ich im Vorfeld mit dem senegalesischen Verband besprochen habe. Da ich seit zehn Jahren zu den Führungsspielerinnen des Nationalteams gehöre, war es für sie aber selbstverständlich, mich in mein neues Leben zu begleiten. Wir wussten, dass es nicht einfach werden würde, aber sie haben mich unterstützt, damit ich jetzt körperlich auf dem Niveau einer Weltmeisterschaft bin.“
In den Jugend-Auswahlen Frankreichs
Geboren wurde Raïssa Dapina 1995 in Paris. Ihre Eltern stammen aus Senegal und kamen für ihr Studium nach Frankreich. Schon früh bewegte sich Dapina zwischen diesen beiden Welten. Sportlich durchlief sie in ihrer Jugend verschiedene französische Klubs und gehörte zeitweise zu den Nachwuchskadern des französischen Nationalteams – ehe Verletzungen sie ausbremsten. „Ich habe mir in meiner Jugend die Knie kaputtgemacht – die Kreuzbänder. Danach wurde ich nicht mehr in die französische Auswahl berufen“, erinnert sie sich.
Als sie nach der Verletzungspause zurückkehrte, meldete sich der senegalesische Verband. Dank ihrer doppelten Staatsbürgerschaft war es ihr auch erlaubt, für das Land zu spielen. „Ich war sehr überrascht, ich hatte bis dahin eigentlich nicht daran gedacht, für Senegal zu spielen“, sagt sie. Doch das Projekt überzeugte sie – unter dem international erfahrenen Trainer Fred Bougeant wollte Senegal die Entwicklung eines Teams vorantreiben, das durch binationale Spielerinnen und Spielerinnen aus der nationalen Liga im Aufschwung war.
Es war ziemlich schwer für mich, von der Aussicht, für einen Verein in Deutschland zu spielen, der um die vorderen europäischen Plätze kämpft, zu einem komplett anderen Projekt in Luxemburg zu wechseln
Dapina nahm an – und hat diesen Schritt nie bereut. „Die Nationalmannschaft war immer das Schaufenster meiner Karriere. Dies hat es mir ermöglicht, mit sehr guten Vereinen in Kontakt zu kommen. Sie hat mir auch ermöglicht, meiner Familie in Senegal näherzukommen und mehr Zeit dort zu verbringen.“

2016 nahm sie mit Senegal erstmals an einem Turnier teil und wurde bei der Afrika-Meisterschaft Zweite. 2019 folgte dann ein historischer Moment. „Wir qualifizierten uns das erste Mal für die WM. Diesen Moment miterlebt und mitgestaltet zu haben, ist unbeschreiblich. Beim Turnier in Japan haben wir dann auch gleich unseren ersten Sieg gegen Kasachstan errungen. Das war sehr emotional.“ Senegal belegte am Ende Platz 18. Auch 2023 war Dapina bei der zweiten WM-Teilnahme des Landes dabei, diesmal gelang sogar der Sprung in die Hauptrunde.
Letzte Weltmeisterschaft?
„Heute kann man sagen, dass Senegal zu den Top drei in Afrika gehört. Das ist ein großer Erfolg für uns“, sagt sie. Bei der anstehenden Weltmeisterschaft, die in Deutschland und den Niederlanden ausgetragen wird, trifft Senegal nun in der Gruppenphase in ’s-Hertogenbosch auf Ungarn (27. November), die Schweiz (29. November) und Iran (1. Dezember). Dapina wird dabei wie gewohnt zu den Führungsspielerinnen zählen. Das klare Ziel ist der Einzug in die Hauptrunde.
Während die 30-Jährige die Teilnahme an jedem großen Wettbewerb mit Senegal als „besonders“ beschreibt, könnte die diesjährige Weltmeisterschaft für sie persönlich noch mal spezieller werden. „Es könnte meine letzte WM werden“, sagt sie. „Wir haben bereits viel darüber gesprochen. Meine endgültige Entscheidung fällt erst nach der WM – aber es wird wohl in Richtung eines ruhigeren Lebens gehen. Schon nach den Afrikameisterschaften war eigentlich geplant, dass ich aufhöre.“ Doch sie wollte noch einmal einen „letzten großen sportlichen Wettkampf, auf höchstem Niveau, mit der Nationalmannschaft erleben“ und zusammen mit dem Team „noch einmal eine große Leistung bringen“. Die Unterstützung ihres neuen Klubs aus Luxemburg hat sie dabei sicher.
Steckbrief
Raïssa Dapina
Geboren am 27. September 1995 in Paris
Nationalität: senegalesisch/französisch
Position: Rechtsaußen
Vereine: Cergy-Pointoise, Olympique Rodemack, Yutz HB (Jugend), Metz HB (2013-2016), Strasbourg Achenheim Truchtersheim HB (2016-2017), CJF Fleury Loiret HB (2017-2021), Neptunes de Nantes (2021-2023), OGC Nice Côte d’Azur HB (2023-2025), Museldall (seit 2025)
De Maart

Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können