Radsport„Der Beste hat gewonnen“: Van Aert bezwang Alaphilippe bei Mailand-Sanremo

Radsport / „Der Beste hat gewonnen“: Van Aert bezwang Alaphilippe bei Mailand-Sanremo
Wout van Aert (r.) gewann am Samstag sein erstes Monument. Zweiter wurde Julian Alaphilippe (l.). Foto: AFP/Marco Bertorello

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Mailand-Sanremo wurde vom Belgier Wout Van Aert gewonnen, der im Sprint den Franzosen Julian Alaphilippe eine halbe Radlänge hinter sich ließ. Bob Jungels (73. auf 5:05) leistete viel Arbeit für seinen Kapitän.

Die „Strade Bianche“ scheinen eine gute Generalprobe im Hinblick auf Mailand-Sanremo zu sein. Genau wie letztes Jahr der Franzose Julian Alaphilippe gewann der Belgier Wout Van Aert beide Rennen. In Siena setzte er sich im Alleingang durch, in Sanremo bezwang er im Sprint den Gewinner von 2019, der im Anstieg des Poggio, sechs Kilometer vor der Ankunft, die entscheidende Attacke eingeleitet hatte. Beide Fahrer tauchten zusammen auf der Via Roma auf, dort, wo Eddy Merckx seine sieben Erfolge feierte, gejagt von der Meute, die, mit dem Australier Michael Matthews und dem Slowaken Peter Sagan an der Spitze, bis auf zwei Sekunden an die Führenden herankam. Peter Sagan musste sich also auch in seinem zehnten Anlauf bei Mailand-Sanremo mit einem Ehrenplatz zufriedengeben. Zum vierten Mal beendete er das längste Rennen des Radsportkalenders auf dem vierten Platz.

21 Jahre danach

„Es ist unglaublich, ich kann es kaum fassen, dass die zeitversetzte Saison so erfolgreich für mich beginnt“, meinte Van Aert, nachdem er auf der Via Roma seine schwangere Frau Sarah de Bie umarmt hatte. Beide teilten kürzlich in den Netzwerken die freudige Nachricht mit, sie hätten die „distanciation sociale“ nicht respektiert, bald würde sich Nachwuchs einstellen.

„Zwei Rennen, zwei Siege, das ist einfach verrückt“, sagte Van Aert. „Ich muss mich bei Julian bedanken, dass er mit offenen Karten gespielt hat. Nach seiner Attacke im letzten Teil des Poggio wartete er in der Abfahrt auf mich, dann übernahm ich die Führung. Es war nicht so einfach, den minimen Vorsprung über die Distanz zu retten. Im Sprint habe ich meine Chance genutzt.“

Wout Van Aert ist der erste Belgier, der seit Andrej Tschmil (1999) seinen Namen ins „Palmarès“ von Mailand-Sanremo einschreibt. Der gebürtige Russe, der ein Jahr zuvor die belgische Staatsbürgerschaft angenommen hatte, schlug damals auf dem letzten Kilometer dem Peloton ein Schnippchen, als er resolut angriff und bis ins Ziel einen winzigen Vorsprung behielt.

Eigentlich ging man davon aus, Johan Museeuw, Tom Boonen, Greg Van Avermaet oder Philippe Gilbert könnten die Nachfolge Tschmils antreten. Weit gefehlt! Gilberts Traum, nach der Ronde van Vlaanderen, Liège-Bastogne-Liège, Paris-Roubaix und Il Lombardia auch Mailand-Sanremo zu gewinnen, rückt damit in weite Ferne. Der Wallone (geb. am 5.7.1982 in Verviers) ist mittlerweile 38 Jahre alt. Es ist kaum anzunehmen, dass er wie vor ihm seine Landsleute Rik Van Looy, Eddy Merckx und Roger De Vlaeminck alle fünf „Monumente“ des Radsports gewinnen kann. Am Samstag kam er immerhin auf den neunten Rang.

Gabelbruch

Für den dreifachen Cyclocross-Weltmeister (2016, 2017, 2018) Wout Van Aert war der Sieg bei Mailand-Sanremo der bisher größte Erfolg auf der Straße. Letztes Jahr gewann der 25-Jährige (geb. am 15.9.1994 in Herentals) die belgische Meisterschaft im Einzelzeitfahren, zwei Etappen und die Punktwertung des Critérium du Dauphiné, das Mannschaftszeitfahren und die zehnte Etappe der Tour de France, ehe er beim „Contre-la-montre“ von Pau schwer stürzte, in die Absperrung schlitterte und sich eine tiefe Fleischwunde am Oberschenkel zuzog, die zwei Operationen und eine monatelange Zwangspause nach sich zog. Dass er ein Jahr später wieder so fit ist, grenzt an ein kleines Wunder.

Für Julian Alaphilippe gab es nach einem dritten Rang (2017) und einem Sieg (2019) zum dritten Mal einen Podiumsplatz (2.) bei Mailand-Sanremo. Der Franzose, der nicht in derselben optimalen Verfassung war wie bei seinem Erfolg im März 2019, gab neidlos zu, dass Van Aert verdienterweise gewann. „Der Beste wurde belohnt“, so Alaphilippe. „Ich hatte mir vorgenommen, im Poggio anzugreifen, doch merkte ich in der Abfahrt, dass ich es alleine nicht schaffen würde. Darum habe ich Van Aert abgewartet. Es war ein langer Tag, ich bedanke mich bei meinen Mannschaftskameraden, denn sie haben hervorragende Arbeit geleistet. Ich musste viele Kräfte vergeuden, weil ich in der Anfahrt zur Cipressa das Rad wegen eines Gabelbruchs wechseln musste. Danach machten wir Jagd, um das Peloton wieder einzufangen. Im Sprint wirkte das sich aus. Ein bisschen enttäuscht bin ich wohl, doch weiß ich, dass ich das Maximum gegeben habe.“

Die Jungels-Lok

Einer, der tatkräftig mit Hand anpackte, war Bob Jungels. Als der Vorsprung der sieben Fahrer der „Echappée matinale“ Mattia Bais (Androni Giocattoli – Sidermec), Manuele Boaro (Astana), Fabio Mazzucco, Alessandro Tonelli (Bardiani-CSF-Faizanè), Damiano Cima (Gazprom – RusVelo) Marco Frapporti (Vini Zabù – KTM) und Hector Carretero (Movistar) auf über sieben Minuten angewachsen war, sah man den Luxemburger Meister immer wieder als Lokomotive an der Spitze des Pelotons, um den Rückstand zu verringern.
Auch später war es neben Zdenek Stybar, Tim Declercq und Kasper Asgreen meistens Jungels, der bis an den Fuß des Poggio darauf achtete, dass der Deceuninck-Leader Julian Alaphilippe unter den besten Voraussetzungen in die Schlussphase gelotst wurde. Nach getaner Arbeit ließ der Luxemburger, der nächste Saison zu Ag2r-Citroën wechseln soll, es lockerer angehen. Er traf in Sanremo als 73. auf 5:05 ein. 150 von 162 gestarteten Fahrern erreichten das Ziel.

Nicht am Start war Kevin Geniets, der nach Redaktionsschluss unserer Samstagsnummer im Groupama-Team durch den Australier Miles Scotson ersetzt wurde. Was Leader Arnaud Démare (Platz 24) allerdings nicht viel half!

Ergebnisse

Mailand – Sanremo (305 km): 1. Wout Van Aert (B/Jumbo-Visma) 7:16:09 Stunden, 2. Julian Alaphilippe (F/Deceuninck-Quick Step) gleiche Zeit, 3. Michael Matthews (AUS/Sunweb) 0:02 Minuten zurück, 4. Peter Sagan (SVK/Bora-hansgrohe), 5. Giacomo Nizzolo (ITA/NTT Pro Cycling), 6. Dion Smith (AUS/Mitchelton-Scott) alle gleiche Zeit, 73. Bob Jungels (LUX/Deceuninck-Quick Step) 5:05