Der Moment fühlte sich fast unwirklich an. Patrizia Van der Weken stand da, das glänzende Edelmetall fest in der Hand. Es war Liebe auf den ersten Blick. „Sie ist ziemlich cool. Da steht mein Name drauf und meine Zeit“, sagte Van der Weken und führte dabei ihre Bronzemedaille vor. „Auch auf dem Podium zu stehen, war ein ganz besonderer Moment.“ Für die Luxemburgerin ging damit ein kleiner Traum in Erfüllung. „Heute hat sich alles ausgezahlt, was ich über die Jahre geopfert habe.“

Glauben konnte sie es wenige Augenblicke nach dem Finale aber selbst noch nicht so richtig. „Es ist komplett verrückt. Obwohl ich hier als eine der Favoritinnen angereist bin, war es nicht einfach, diese Leistung heute abzurufen.“ Einen besonderen Dank richtete sie an ihren Trainer. „Arnaud (Starck) hat eine Glanzleistung vollbracht, um mich so gut auf diesen Tag vorzubereiten.“
Gemeinsam mit der Schweizerin Mujinga Kambundji, der Italienerin Zaynab Dosso und der Polin Ewa Swoboda war Van der Weken als Medaillenfavoritin in die Europameisterschaften gestartet. Im Finale am Sonntagabend lieferten sich die vier einen engen Kampf auf Augenhöhe – und am Ende trennten das Quartett nur sechs Hundertstelsekunden. Gold ging in 7,01 an Dosso. Dahinter folgten Kambundji (7,02), Van der Weken (7,06) und Swoboda (7,07).
Van der Weken war noch auf den letzten Metern an Swoboda vorbeigezogen und revanchierte sich damit auch für die Freiluft-Europameisterschaften in Rom im vergangenen Jahr. Damals hatte sie das Podest nur um eine Hundertstelsekunde gegen Swoboda verpasst. „Die Medaille tut deswegen umso mehr gut. Ich habe versucht, mich diesmal etwas besser über die Ziellinie zu werfen. Das ist mir gelungen.“
Zweimal Landesrekord
Der EM-Tag hatte für Van der Weken am Sonntag um 12 Uhr angefangen. Und sie legte perfekt los. Mit dem Sieg ihres Vorlaufs in 7,11 Sekunden sicherte sich die 25-Jährige souverän das Halbfinalticket. „Der Plan war, im Vorlauf kontrolliert zu laufen. Schlussendlich war ich schneller als geplant. Ich war aber entspannt, habe nicht forciert. Das war gut“, blickte sie später zurück.

Danach stand dann erst einmal eine knapp vierstündige Pause an. „Wir sind zurück ins Hotel gefahren. Ich habe etwas gegessen und ein bisschen geschlafen. Dann ging es zurück in die Halle“, erzählt Van der Weken, die anschließend in ihrem Halbfinale Platz zwei hinter Kambundji belegte – und das mit einem neuen Landesrekord von 7,06 Sekunden. Eine Zeit, die sie später im Finale noch einmal wiederholen sollte.
Ich wusste, dass es mit einer Medaille klappen kann, wenn ich gut wegkomme. Ich habe keine Ahnung, wie ich das dann abgeliefert habe, aber es war nicht allzu schlecht.
„Im Halbfinale war ich ein Stück schneller als im Vorlauf. Ich war zufrieden mit mir selbst. Dann habe ich aber gesehen, dass auch die anderen alle schnell unterwegs waren und ich wurde ein bisschen gestresst. Ich habe aber versucht, konzentriert zu bleiben. Ich glaube, das ist mir gut gelungen“, so Van der Weken. „Ich wusste, was auf dem Spiel steht, aber ich wusste auch, was ich kann. Ich bin mit meiner Nervosität relativ gut klargekommen.“

Kuchen als Belohnung
Rund sechseinhalb Stunden nach ihrem ersten Einsatz im Vorlauf stand dann in Apeldoorn das große Finale der Sprinterinnen an. Van der Weken hoffte auf einen guten Start. „Ich wusste, dass es mit einer Medaille klappen kann, wenn ich gut wegkomme. Ich habe keine Ahnung, wie ich das dann abgeliefert habe, aber es war nicht allzu schlecht.“
In 7,06 Sekunden holte die FLA-Athletin schließlich die Bronzemedaille und schrieb damit auch ein Stück Luxemburger Leichtathletik-Geschichte. Nach David Fiegen im Jahr 2006 (Silber über 800 m im Freien) hat sie nun die zweite Medaille bei einer EM für das Großherzogtum geholt.
Feiern wird sie ihre Medaille aber nicht groß. „Ich versuche, ein bisschen zu genießen, vielleicht gönne ich mir ein Stück Kuchen oder Schokolade zur Feier des Tages“, so Van der Weken. Den Blick richtete sie gleich wieder nach vorne. Denn bereits in zwölf Tagen startet sie bei den Hallen-Weltmeisterschaften im chinesischen Nanjing. „Ich werde dort versuchen, noch einmal gut abzuschneiden.“

„Eine Etappe“
Arnaud Starck trat am Sonntagabend kurz nach dem historischen Edelmetall von Patrizia Van der Weken gleich wieder auf die Euphoriebremse. „Es ist eine Etappe und nicht das Ende“, sagte ihr Trainer. „Es ist toll, eine Medaille zu haben. Es ist aber nicht unser ultimatives Ziel, eine Bronzemedaille bei der EM zu gewinnen. Das Ziel ist es, es noch besser zu machen.“ Der Franzose schaut bereits in die Zukunft. „Wir müssen weiterschauen. Sie ist in der Lage, noch mehr zu schaffen.“
„Hätten uns das nicht erträumen können“
Die Freude bei Chantal und Patrick Van der Weken war nach der EM-Medaille ihrer Tochter groß. „Fantastisch, Wahnsinn“, sagte Patrick. „Als sie anfing, Leichtathletik zu machen, hätten wir uns das nicht erträumen können“, so Chantal. „Wir freuen uns sehr für sie. Sie hat sich das verdient. Sie hat in diesem Winter all diese Rennen gewonnen. Die Medaille ist jetzt die Kirsche auf dem Kuchen.“
Bravo fir déi jong Athletin,
eng super Performance