Trotz der ständigen Bedrohung durch Tadej Pogacar hat der italienische Sprinter Jonathan Milan am Mittwoch in Valence seinen zweiten Etappensieg bei der Tour de France gefeiert – und damit einen großen Schritt in Richtung Grünes Trikot gemacht. Ein Erfolg, der ihm bei strömendem Regen gelang und vor allem die Mühen der vergangenen Tage in den Pyrenäen und am Mont Ventoux belohnte. Es war womöglich die letzte Gelegenheit für die Sprinter, sich bei dieser 112. Tour-Edition in Szene zu setzen – einer Ausgabe, die es für sie nicht leicht machte.
Vom frühen Ausstieg Jasper Philipsens bereits am dritten Tag bis zur Etappenwahl der Organisatoren mit zahlreichen Anstiegen – für die Sprinter mit den kräftigen Oberschenkeln gab es meist nur wenig zu holen. Jede sich bietende Chance war daher von unschätzbarem Wert.
Ein Zeichen für die Härte dieses Tour-Verlaufs: Milan bedankte sich direkt nach dem Zieleinlauf bei seinen Teamkollegen von Lidl-Trek, die ihn „in den Bergen gerettet“ und ihm überhaupt erst die Möglichkeit verschafft hatten, am Mittwoch im Zielsprint die Arme zu heben – trotz eines schweren Sturzes unmittelbar vor der letzten Kilometermarke.
„Ohne sie – und das will ich wirklich betonen – wäre ich heute nicht hier. Sie haben mich jeden Tag unterstützt und mir geholfen. Dieser Sieg ist ein Erfolg des ganzen Teams“, betonte der 1,96 Meter große und 87 Kilogramm schwere Fahrer aus Buja, dessen körperliche Statur ihn im Massensprint begünstigt, in den Bergen aber eher zur Last wird.
Montmartre „zu schwer“ für Merlier
Auch am Mittwoch hatte Milan wieder Probleme – selbst am eher harmlosen Anstieg nach Pertuis musste er abreißen lassen. Doch sein Teamkollege Quinn Simmons, genannt „Captain America“ und einer der auffälligsten Fahrer dieser Tour, zeigte erneut eine starke Leistung: Er sprang in die Gruppe der Ausreißer, brachte seinen Kapitän zurück und führte schließlich das Feld an die vier Flüchtlinge des Tages – Vincenzo Albanese, Quentin Pacher, Mathieu Burgaudeau und den kraftvollen Jonas Abrahamsen – heran. Doch Milan weiß, dass ihm am Donnerstag und Freitag mit zwei schweren Alpenetappen noch harte Tage bevorstehen.
„Ich bin froh, dass diese Etappe vorbei ist – bei diesem Scheißwetter“, sagte Pogacar, der sich am Mittwoch jedoch nicht ernsthaft in Gefahr sah. Im Gesamtklassement verteidigt der Slowene weiterhin souverän seinen Vorsprung von 4:15 Minuten auf Jonas Vingegaard.
Milan hingegen hofft, Paris und die Schlussetappe auf den Champs-Elysées zu erreichen. Traditionell ein Tag für die Sprinter – doch in diesem Jahr droht auch hier Gefahr: Mit der dreifachen Überfahrt der anspruchsvollen Butte Montmartre könnte sich das Finale nicht für die Sprinter entscheiden. „Das wird zu schwer für mich. Heute war meine letzte Chance auf einen Etappensieg“, erklärte der belgische Sprinter Tim Merlier schon im Voraus.
Milan „etwas entspannter“
„Es wird schwieriger zu kontrollieren sein, das Rennen wird einen anderen Verlauf nehmen“, sagte Milan, der seine Chancen zwar nicht vollständig abschreibt, aber die Schwierigkeiten anerkennt. Umso wichtiger war für ihn der Sieg am Mittwoch – auch im Hinblick auf das Grüne Trikot, bei dem er sich in direkter Konkurrenz zu Tadej Pogacar sieht, den er als „Rockstar“ bezeichnet.
Mit den 50 Punkten für seinen Sieg in Valence steht Milan nun bei 312 Zählern – Pogacar folgt mit 240. Ein komfortables Polster, wenn man bedenkt, dass Bergetappen nur 20 Punkte für den Sieger bringen, während in Paris nochmals 50 Zähler vergeben werden. „Ich bin jetzt etwas entspannter. Ich habe einen Vorsprung herausgefahren, aber ich werde weiterkämpfen – in den Zwischensprints und für den Etappensieg in Paris“, kündigte Milan an. Die anderen Sprinter haben sich derweil bereits abgefunden – so auch Tim Merlier. Der Belgier, der durch einen Sturz auf dem letzten Kilometer ausgebremst wurde, klagte darüber, in dieser Tour nur an zwei Sprints ernsthaft teilgenommen zu haben – beide hatte er gewonnen.
Biniam Girmay, im vergangenen Jahr Träger des Grünen Trikots, war in den Massensturz unter dem „Flamme Rouge“ verwickelt, prallte hart auf den Asphalt und musste danach humpelnd zum Team-Bus von Intermarché zurückkehren. (AFP)
Im Überblick
112. Tour de France, 17. Etappe: Bollène – Valence (160,4 km):
1. Jonathan Milan (Italien/Lidl-Trek) 3:25:30 Stunden, 2. Jordi Meeus (Belgien/Red Bull-Bora-hansgrohe), 3. Tobias Lund Andresen (Dänemark/Picnic PostNL), 4. Arnaud De Lie (Belgien/Lotto), 5. Davide Ballerini (Italien/XDS Astana), 6. Albero Dainese (Italien/Tudor Pro Cycling), 7. Paul Penhoet (Frankreich/Groupama-FDJ), 8. Jewgeni Fedorow (Kasachstan/XDS Astana) alle gleiche Zeit, 9. Clément Russo (Frankreich/Groupama-FDJ) 0:06 Minuten zurück, 10. Jasper Stuyven (Belgien/Lidl-Trek) 0:09,
Stand in der Gesamtwertung nach 17 von 21 Etappen:
1. Tadej Pogacar (Slowenien/UAE Emirates-XRG) 61:50:16 Stunden, 2. Jonas Vingegaard (Dänemark/Visma – Lease a Bike) 4:15 Minuten zurück, 3. Florian Lipowitz (Deutschland/Red Bull-Bora-hansgrohe) 9:03, 4. Oscar Onley (Großbritannien/Picnic PostNL) 11:04, 5. Primoz Roglic (Slowenien/Red Bull-Bora-hansgrohe) 11:42, 6. Kévin Vauquelin (Frankreich/Arkea-B&B Hotels) 13:20, 7. Felix Gall (Österreich/Décathlon Ag2r La Mondiale) 14:50, 8. Tobias Halland Johannessen (Norwegen/Uno-X Mobility) 17:01, 9. Ben Healy (Irland/EF Education-EasyPost) 17:52, 10. Carlos Rodríguez (Spanien/Ineos Grenadiers) 20:45,
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