Sonntag9. November 2025

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FC Wiltz 71Mikhail Zaritski: „Ich bin hier, um eine Rechnung zu begleichen“

FC Wiltz 71 / Mikhail Zaritski: „Ich bin hier, um eine Rechnung zu begleichen“
Mikhail Zaritski ist in Wiltz kein unbeschriebenes Blatt Foto: Editpress/Jeff Lahr

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Der „Zar“ ist zurück. Mikhail Zaritski hat am Montagabend offiziell die Geschicke beim FC Wiltz 71 übernommen. Der ehemalige Merscher Trainer will den Öslingern einen komplett neuen Wind einhauchen und setzt dabei auf die Verrücktheit seines neuen Klubs.

Tageblatt: Herr Zaritski, wie haben Sie die Zeit ohne Fußball überstanden?

Mikhail Zaritski: Wahrscheinlich bin ich meiner Frau auf die Nerven gegangen. Es war das erste Mal seit 15 Jahren, dass ich vier Monate ohne Fußball war. Auf der einen Seite habe ich eine Pause gebraucht, auf der anderen Seite war es ein komisches Gefühl und nach ein paar Wochen wurde mir auch langweilig. Ich habe mich nicht mehr aufgeregt und konnte nicht mehr schreien. Es tut aber auch manchmal gut, Spiele in Ruhe zu beobachten und sich mit den Methoden anderer Trainer zu beschäftigen – ganz ohne Stress. Ein neues, aber auch ein sehr angenehmes Gefühl. 

Im Sommer sind Sie trotz einer erfolgreichen Zeit in Mersch ohne Job geblieben. War das eine Enttäuschung für sie?

Nein. Ich hatte zwei Angebote im Sommer, aber aus den unterschiedlichsten Gründen ist daraus nach langen Verhandlungen nichts geworden. Im September gab es weitere Offerten. Ich habe lieber abgewartet. Es bringt nichts, etwas anzunehmen, das man im Grunde genommen gar nicht will. Das Bauchgefühl muss stimmen. Ich habe auf etwas Verrücktes, etwas, was zu mir passt, gewartet. Wiltz kenne ich noch von früher und auch aus dieser Saison. Der Verein und die Zuschauer sind positiv verrückt und das gefällt mir. Außerdem habe ich in Wiltz noch eine Rechnung zu begleichen.

Er hat wohl auch eingesehen, dass sein Verein jetzt so ein Arschloch wie mich braucht

Mikhail Zaritiski über seinen neuen Präsidenten Michael Schenk

Welche denn?

1997 habe ich mit Mertzig hier gespielt. Einer meiner Mitspieler lag auf dem Boden. Der Ball wurde ins Aus gespielt und wir haben Wiltz nach dem Einwurf den Ball wieder zurückgegeben. So weit, so gut. Ich bin jedoch in vollem Sprint auf den Spieler zugelaufen, habe mir das Leder geschnappt und das Tor gemacht. Das war schon eine sehr krasse Aktion von mir. In dieser Saison wollte ich unbedingt die Torjägerkanone gewinnen und mein ärgster Konkurrent war der Wiltzer Franco Iovino. An diesem Tag habe ich drei Tore gemacht und Wiltz hat 5:3 gewonnen. In Wiltz hat man dieses Tor noch immer nicht vergessen und ich wurde bereits mehrmals darauf angesprochen. Heute möchte ich mich für diese Aktion entschuldigen und hoffe, dass ich es wiedergutmachen kann.

Sie haben immer gesagt, dass der Verein, der Sie unter Vertrag nimmt, sehr viel Mut beweisen muss. Warum ist das so?

Ich bin kein angenehmer Typ. Ich bin streng, laut und verlange sehr viel von den Spielern. Viele Vereine bevorzugen lieber Ja-Sager oder gemütlichere Trainer. Ich habe den Wiltzer Präsident davor gewarnt, aber er hat wohl auch eingesehen, dass sein Verein jetzt so ein Arschloch wie mich braucht.

Der Platz in Weidingen sieht zu schön aus. Nach unseren Spielen muss er so aussehen, als wären 20 Wildschweine darüber gerannt.

Mikhail Zaritski

Es scheint, als hätte Ihr neuer Verein bisher auf dem Rasen nicht so viel Mut gehabt.

Wenn es nicht so wäre, dann wäre ich wahrscheinlich jetzt nicht in Wiltz. Am vergangenen Samstag gegen Hesperingen (0:0) habe ich sehr viele positive Elemente gesehen, aber auch negative Dinge. Einige Spieler sind wahrscheinlich sofort mit mir auf einer Wellenlänge, bei anderen wird es noch ein bisschen dauern. Die Mannschaft muss unter mir Gras fressen. Der Platz in Weidingen sieht zu schön aus. Nach unseren Spielen muss er so aussehen, als wären 20 Wildschweine darüber gerannt.

Kann man mit Wiltz den gleichen Power-Fußball spielen wie damals in Mersch?

Pressing und Gegenpressing gehören zu meiner Philosophie. Dafür brauche ich aber Spieler, die sehr fit sind. Mir wurde gesagt, dass die Mannschaft körperlich auf der Höhe ist. Das werden wir dann sehen. Um diese Art Fußball spielen zu können, muss man bluten. Jeder muss bereit sein, alles für den anderen zu geben. Ich bin mir bewusst, dass einige dabei auf der Strecke bleiben werden. Wenn sie es jedoch schaffen, bei der Stange zu bleiben, können wir zusammen viel erreichen. Und es wird auch für die Zuschauer attraktiv werden. In Mersch hatten wir anfangs 20 Zuschauer, danach sind 400 gekommen. Aber ich muss erst einmal sehen, welchen Fußball ich mit Wiltz spielen kann.

Kann eine solche Art Fußball nur mit den richtigen Charakteren gespielt werden?

Ja. Es wird Spieler geben, die so einen Stil nicht durchhalten können oder wollen. Das war in Mersch auch so. Ich vergleiche diese Situation immer mit den Vögeln. Wenn es ihnen zu kalt wird, fliegen sie in Richtung Spanien. Einige werden nie ankommen, weil sie sterben. Bei mir wird keiner sterben, aber es wird Spieler geben, die mit dieser Philosophie nicht leben können.

Wird es in den ersten Tagen vor allem darum gehen, die Spieler neu zu motivieren?

Absolut. Die Jungs müssen verstehen, dass man viel auf sich nehmen muss, um erfolgreich zu sein. Das ist ein Prozess und wird nicht von heute auf morgen gehen. Wenn man unten steht, muss man doppelt so viel machen wie die Konkurrenz. Aber der Kopf muss frei sein und der Wille muss vorhanden sein.

Eine besser aufgestellte Mannschaft als Wiltz hatten Sie in Ihrer Trainerkarriere nie. Welches Potenzial steckt in diesem Team?

In Hesperingen habe ich einen Ralph Schon gesehen, der eine sehr gute Partie gemacht hat. Chris Philipps hat die Mannschaft mit seiner Erfahrung zusammengehalten und auch viele andere Jungs haben sehr viel Potenzial. Aber es werden mit Sicherheit auch Spieler ihre Chance bekommen, mit denen aktuell keiner rechnet. Ich hoffe, es gelingt mir auch in Wiltz, Spieler zu finden, die unter mir explodieren werden.