AUTOSPORT – 1966 gab ein junger Deutsch-Österreicher sein Debüt in der Formel 1: Jochen Rindt. Im Jahr zuvor hatte er ganz unerwartet das 24-Stunden-Rennen von Le Mans gewonnen, zusammen mit dem amerikanischen Altmeister Masten Gregory in einem alten Ferrari 250 LM des North American Racing Teams.
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Vor allem jedoch war Jochen Rindt wegen seines ungestümen Fahrstils und seiner Siege in der Formel 2 aufgefallen. In der Formel 1 gelangen ihm wenige gute Resultate, denn mit dem viel zu schweren Cooper-Maserati waren 1966 und 67 keine Trophäen zu gewinnen.
Draufgänger
Dennoch fiel er bei den Teamchefs durch seine Schnelligkeit auf, und somit bekam er für die Saison 1968 einen Vertrag bei Brabham, dem Weltmeister-Team der Jahre 66 und 67. In der Formel 2 fuhr Rindt von einem Sieg zum andern, aber in der Formel 1 brachte er es mit dem nunmehr unterlegenen Brabham auf lediglich zwei Podiumsplätze.
Sein Talent war aber nach wie vor offensichtlich, und so winkte ihm für 1969 ein Vertrag mit dem Weltmeister-Team von 1968: Lotus. Rindt wusste, dass er mit Lotus über das schnellste, wenn auch nicht das standfesteste und sicherste Auto verfügen würde.
Dies sollte sich dann auch in der 69er Saison bewahrheiten. Rindt war der einzige wirkliche Gegner für den späteren Weltmeister Jackie Stewart im neuen Matra-Cosworth. Im Gegensatz zum Schotten fiel Rindts Lotus jedoch bei den meisten Rennen durch technische Defekte aus.
Eines gelang Jochen Rindt dennoch in der Saison 1969: der erste Sieg beim letzten Rennen in Watkins Glen/USA. War nun endlich der Bann gebrochen?
Year of change
Das neue Jahrzehnt begann für Jochen Rindt in etwa so, wie die ganze Saison 1969 abgelaufen war: mit einem Ausfall beim Auftakt-GP in Kyalami/Südafrika.
Für den zweiten Grand Prix aber hielt Colin Chapman („Mr. Lotus“) eine neue Wunderwaffe für sein Team bereit: den revolutionären Lotus 72. Dieser hatte nicht länger, wie bis dahin gewohnt, die übliche Zigarrenform, sondern verfügte über eine ganze Reihe technischer Innovationen: aerodynamisch günstige Karosserie-Keilform, Kühler an den Seiten auf Fahrerhöhe, innenliegende Scheibenbremsen und Torsionsstab-Federung.
All diese Neuerungen waren wohl etwas viel beieinander für das Debüt des Lotus 72 in Jarama/Spanien, so dass dieses katastrophal ausfiel. Beim nächsten Rennen in Spa setzte man wieder auf den alten Lotus 49. Hier gelang Rindt sogar mit dem Oldtimer noch die zweitschnellste Trainingszeit. Im Rennen fiel er aber erneut aus, und somit wies sein Punktekonto nach vier Rennen genau null Punkte auf.
Auch beim darauffolgenden Grand Prix von Monaco wollte man bei Lotus, auf Drängen von Rindt, auf Nummer sicher gehen und fuhr erneut mit dem alten 49er. Rindt startete aus dem Mittelfeld, doch es fielen etliche vor ihm liegende Fahrer aus, andere konnte er im Kurvenlabyrinth des Fürstentums überholen.
So kam es, dass er in den letzten Runden auf Platz zwei fuhr und immer näher an den Führenden Jack Brabham herankam. Rindt schien Blut geleckt zu haben und peitschte den alten Lotus so schnell um den Kurs, wie er es nicht mal im Qualifying geschafft hatte. In der letzten Runde stellte er einen neuen Rundenrekord auf und bedrängte Brabham so stark, dass dieser sich in der allerletzten Kurve verbremste und in die (damals noch aufgestellten) Strohballen rutschte.
Somit gelang Jochen Rindt ein schier für unmöglich gehaltener Sieg in einem Auto, das eigentlich schon vom Nachfolgemodell ersetzt war. Das Publikum war außer sich.
Hassliebe
Jochen Rindt und Lotus, das war von Anfang an eine Hassliebe. Der Österreicher wusste, dass er mit einem Lotus über ein unheimlich schnelles Auto verfügte, mit dem er Siege erringen konnte. Er wusste aber genauso gut, dass die Konstruktionen von Colin Chapman immer am Gewichts- und somit auch am Gefahrenlimit gebaut waren.
Schon 1969 nach dem Spanien-GP, wo sowohl an Hills wie auch an Rindts Lotus die überdimensionalen Heckflügel brachen und beide fürchterliche Unfälle hatten, hatte sich Rindt mit Chapman überworfen. Dieses angespannte Verhältnis hielt auch 1970 weiter an. Bei den ersten Einsätzen war der Lotus 72 nur sehr schwer zu bändigen. Vor allem die Radaufhängung musste arg überarbeitet werden.
In Zandvoort war es dann soweit: Der modifizierte 72er war bereit, und auch gleich konkurrenzfähig, wie Rindts Pole und sein Start-Ziel-Sieg bewiesen.
Doch Rindts überragender Sieg wurde vom tödlichen Unfall seines besten Rennfahrerfreundes, Piers Courage, überschattet. Der noble Engländer verbrannte in seinem De Tomaso. Nach diesem Rennen überlegte Jochen Rindt immer intensiver, ob er den Helm nicht an den Nagel hängen sollte.
Allzu viele seiner Fahrerkollegen waren in den letzten Jahren umgekommen: Clark, Hawkins, Spence, Laine, Scarfiotti und … Bruce McLaren, der drei Wochen vor Piers Courage bei einem Testunfall in Goodwood tödlich verunglückt war. Jackie Stewarts und Rindts Bemühungen um die Sicherheit der Fahrer wurden immer stärker.
Nachdem die Formel 1 zu einem letzten Mal im schnellen und gefährlichen Spa-Francorchamps angetreten war, beschloss die Fahrergemeinschaft, den Deutschland-GP am (alten) Nürburgring zu boykottieren, da die nötigen Umbauarbeiten nicht durchgeführt worden waren. Das Rennen wurde im allerletzten Moment vom Ring nach Hockenheim verlegt. Doch zuvor standen noch zwei andere Grand Prix auf dem Programm. In Clermont-Ferrand (F) gelang Jochen Rindt ein erneuter Sieg, genauso wie beim darauffolgenden Rennen in Brands Hatch (GB). Hier hatte er sich über das ganze Rennen einen unerbittlichen Zweikampf mit seinem früheren Arbeitgeber und Freund Jack Brabham geliefert. Dieser lag dann auch zum Schluss an der Spitze … bis ihm einige Kurven vor Schluss der Sprit ausging und er, nach Monaco, erneut Jochen Rindt den Sieg überlassen musste.
Ganz Deutschland fieberte nun dem Hockenheim-Grand-Prix entgegen, da der am 18. April 1942 in Mainz geborene und mit österreichischer Lizenz fahrende Rindt Führender der Gesamtwertung war. Nach einem Zweikampf mit Jacky Ickx im Ferrari 312 gelang Jochen Rindt sein vierter Sieg in Folge mit dem neuen Lotus 72 und sein fünfter der Saison 1970. Der Mann, der erst vor gut acht Monaten sein erstes F1- Rennen gewonnen hatte, war nun unaufhaltsam auf WM-Kurs.
Zu diesem Moment verriet Jochen einigen vertrauten Reportern: „Mein Glück fängt allmählich an mich zu beunruhigen!“ Über die ganzen Sommermonate machten ihm der Tod seines engsten Freundes und die Rücktrittsüberlegungen das Leben schwer, doch er war auf dem besten Weg zum lang ersehnten Weltmeister-Titel.
Die Formel 1 war derweil im Jochen-Rindt-Fieber. Mit seiner Unbekümmertheit und seinem Charisma vermochte er die Massen unbeschreiblich zu begeistern, er war ein Idol! Als Nächstes stand sein Heim-GP an: Zeltweg/Österreich. Erneut startete er von der Pole Position, doch schied er im Rennen mit Motorschaden aus – die Enttäuschung bei den Fans war groß. Aber Rindts Vorsprung in der WM war groß, und es blieben nurmehr vier GP: Monza, Saint-Jovite, Watkins Glen und Mexiko.
Im Land von Ferrari wollte das Lotus-Team den Titel so gut wie sicherstellen. Erneut ging Chapman volles Risiko. Er ließ von Freitag auf Samstag an den Lotus von Rindt, Miles und Fittipaldi sowohl die Vorder- als auch den Heckflügel abmontieren, um somit im Windschatten eine bessere Höchstgeschwindigkeit zu erzielen. Der Trick ging auf, Rindt konnte sich beträchtlich steigern, doch der Lotus verhielt sich extrem unstabil.
Posthum
Im Qualifikationstraining am Samstagnachmittag, dem 5. September 1970, passierte es dann: Beim Anbremsen der Parabolica, bei etwa 250 km/h, riss es den Lotus nach links. Das Auto zerschellte an einem Halterungspfosten der Leitplanke, wurde zurück auf die Strecke geschleudert, bevor das Wrack im Sand der Auslaufzone stecken blieb.
Nachdem sich der aufgewirbelte Staub gelegt hatte, bot sich ein Bild des Grauens: Der gesamte Vorderwagen war bis auf Höhe des Cockpits abgerissen und Rindts lebloser Körper ragte vorne aus dem Auto heraus. Der unaufhaltsam geglaubte Aufstieg des 28-jährigen Jochen Rindt endete abrupt an einer Leitplanke im königlichen Park von Monza. Die wahrscheinliche Ursache war eine gebrochene (hohle!) Bremswelle. Die Formel-1-Welt stand erneut unter Schock. Der WM-Führende war tot!
Dass Jochen Rindts größter Wunsch, Weltmeister zu werden, dennoch in Erfüllung ging, obschon er es selbst nicht mehr erleben durfte, verdankte er seinem neuen, erst 23-jährigen Teamkollegen Emerson Fittipaldi, der Rindt mit seinem Sieg beim US Grand Prix in Watkins Glen die Weltmeisterschaft sicherte.
Bis heute bleibt Jochen Rindt der einzige posthume Weltmeister der Formel 1.
JOCHEN RINDT ZUM THEMA
o Internet:
o Bücher:
– Jochen Rindt – der erste Popstar der Formel 1 (ISBN 798-3-7688-2650-1)
– Jochen Rindt – Champion Lost
(ISBN 798-1-8442-5472-9)
o Im Fernsehen:
– 3sat, in der Nacht zum Sonntag, 29. August, um 3.00 Uhr: Jochen Rindt lebt. Eine Spurensuche – Film von Christian Giesser und Erich Walitsch
– 3sat, Sonntag, 29. August, um 21.45 Uhr: Jochen Rindts letzter Sommer – Ein Toter wird Weltmeister. Doku-Film.
De Maart
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