Dienstag11. November 2025

Demaart De Maart

„La vache va finir par être condamnée“

„La vache va finir par être condamnée“
(Tageblatt)

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Sieben Schlusserfolge durfte Cyrille Guimard als Teamchef bei der Tour de France in den 1970er- und 1980er-Jahren feiern. 2004 hatter er Andy Scheck unter seinen Fittichen.

2004 war das Jahr, in dem sich Andy Schleck trotz schulischer Verpflichtungen und dementsprechend recht wenig Training die Flèche du Sud sichern konnte. Sein außergewöhnliches Talent war damals bereits den Insidern ein Begriff. Verständlich, dass sich die großen Teams um dieses noch ungeschliffene Juwel stritten.

„Andy kann eines Tages die Tour gewinnen“, sagte Cyrille Guimard bereits damals. Noch hat es der 26-jährige Mondorfer nicht geschafft. Cyrille Guimard hat dafür diverse Gründe ausgemacht, wie er im folgenden Tageblatt-Interview verrät. Der heutige „consultant“ beim französischen Radiosender RMC nahm sich eine halbe Stunde Zeit und wusste vieles zu erzählen über seinen ehemaligen Luxemburger Schützling und dessen Widersacher im Kampf um den Sieg bei der Tour de France, Alberto Contador.

Tageblatt: Die Geschichte müsste eigentlich hinlänglich bekannt sein. Für die, die es nicht wissen: Seit wann kennen Sie die Familie Schleck?
Cyrille Guimard:
„Ich habe Andys Vater bereits gekannt, da war Andy noch nicht geboren. Johny fuhr damals für BIC und ich war bei Mercier. Er mit Ocaña und Janssen, ich mit Poulidor.“

„T“: Und der Kontakt riss nie ab?: „Ja, auch weil ich später bei Renault Lucien Didier unter Vertrag hatte. Lucien Didier war jedes Mal dabei, wenn wir die Tour de France mit Bernard Hinault und Laurent Fignon (6x, d. Red.) gewonnen haben. Ein Jahr habe ich ihn nicht mitgenommen, und wir haben nicht gewonnen. Ein Fehler (lacht). Heute lachen wir darüber. Da wir Lucien im Team hatten, nahmen wir natürlich regelmäßig an der Tour de Luxembourg teil, so hielt ich auch Kontakt mit der Familie Schleck und Andy.“

„T“: 2004 gewinnt Andy Schleck die Flèche du Sud. Sie nehmen ihn bei Roubaix-Lille Métropole als „stagiaire“ unter Ihre Fittiche. Allerdings nicht so lange wie erhofft. Erzählen Sie uns bitte, was damals vorgefallen war: „Bjarne Riis (Saxo-Bank-Teamchef, d. Red.) hat ihn mir damals gestohlen. ‚Riis est un Monsieur, qui manque totalement d’éducation et de respect.’“

„T“: In welchem Sinn?: „Riis hat es nicht mal für nötig gefunden, vorher auch nur einmal anzurufen. Und ich bezahlte ihn (Andy) damals. Die Regeln waren nun mal so, er hat ihn bei der UCI gemeldet, damit Andy für ihn fahren konnte. Einige Jahre zuvor war er sich dagegen nicht zu schade, um den Hörer in die Hand zu nehmen, als er vertragslos war und mich bat, ihn bei sich aufzunehmen.“

„T“: Hätten Sie Andy denn damals ziehen lassen?: „’Il n’y a pas l’ombre d’un doute.‘ Was mir nicht gepasst hat, war, dass er noch nicht mal angerufen hat. Ich hätte ihm viel über Andy sagen und ihm Ratschläge geben können. Ich hätte ihm sagen können, dass Andy noch zu jung war, nicht reif genug, um ins Profilager zu wechseln. Das hat nichts mit seinem Potenzial zu tun.“

„T“: Schleppt Andy Schleck dieses Jahr Ihrer Meinung nach immer noch hinter sich her?: „Il ne la traîne pas comme un boulot derrière lui, mais quand vous avez manqué quelque chose, vous ne pouvez plus jamais le rattraper. Il y a des étapes, qui n’ont pas été terminées.“

„T“: Bernard Hinault hat uns im Interview gesagt, dass Alberto Contador ein „tueur“ sei, Andy Schleck dagegen nicht. Wollen Sie das damit sagen?: „’C’est enfoncer des portes …‘ Ich habe vorhin in der Tour-Bibel (Cyrille Guimard hat die L’Equipe vor sich liegen, d. Red.) folgendes gelesen: ‚Contagladiator et Trop gentil Andy.‘ Ich denke, es ist genau das, was die meisten Menschen denken und fühlen. Wohlverstanden, das behaupte ich nicht.“

„T“: Ist Andy zu nett, um eine Tour zu gewinnen?: „’Ce sont des termes trop vagues. Je dirais, qu’il a une grande insouciance, qu’il est un peu tête en l’air.‘ Er tut sich schwer, ein ganzes Jahr konzentriert zu bleiben. Aber Achtung, das kann auch so gewollt sein. Sich nach außen so geben und intern ganz anders sein. Fragen Sie mal in der Tennisszene, wer der Böse war, John McEnroe oder Jimmy Connors. Jeder wird Ihnen McEnroe sagen. Die Insider aber werden Ihnen etwas ganz anderes sagen. Und wenn Sie die Außenwelt bis in der Tasche haben, haben Sie gewonnen.“

„T“: Die Außendarstellung zählt demnach?: „Es ist ein Rollenspiel. Der Sport ist wie ein Theaterstück, die Tour wie ein Film. Eine Aneinanderreihung von 22 Akten und das Szenario wird erst nachher geschrieben. Lediglich die Zuschauer müssen bereits vorher kommen. Wer hätte denn gedacht, dass Andy 1:30 Minuten vor Alberto liegen würde? Wer hätte gedacht, dass Cadel Evans noch mal zurückkommen würde nach seinem Sturz letztes Jahr?“

„T“: Am Dienstag waren Sie in Ihrer Sendung auf RMC nicht zimperlich mit Andy Schleck …: „… einer musste in der Diskussionsrunde ja der Böse sein (lacht). Wenn jeder der gleichen Meinung ist, gibt es ja keine Diskussionen. Im Ernst, Andy hat am Dienstag acht Sekunden verloren und ist meiner Meinung nach weniger gut als letztes Jahr zum gleichen Zeitpunkt.“

„T“: Andy behauptet dagegen, dass er sich besser vorbereitet hat: „Das Gegenteil kann er ja nicht sagen. Bei der Tour de Suisse war er nicht gut. Okay, letztes Jahr verliert er 42 Sekunden beim Prolog in Rotterdam. ‚Le départ du Tour 2010 a été troqué.‘ Bis zur ‚Pavé‘-Etappe (Frank Schleck schied nach einem Sturz aus, d. Red.) ist nichts zu sagen, ab der Etappe hat sich alles verändert. Da fing die Tour an, aber ohne Frank Schleck.“

„T“: Andy Schleck wird also auch dieses Jahr nicht gewinnen?: „Ich sehe vier Fahrer vorne: die beiden Schlecks, Contador und Cadel Evans.“

„T“: Frank Schleck kann aus Ihrer Sicht also die Tour gewinnen?: „Ja, warum nicht. Alles hängt davon ab, ob Contador das gleiche Niveau hat wie die Schlecks. Wenn das so ist, wird er die beiden nicht abhängen können. Wenn es aber darum geht, Risiken einzugehen, wie bei Abfahrten oder beim Zeitfahren, wo beide den Schaden lediglich in Grenzen halten können, dann können sie nicht gewinnen. Alberto Contador kann alles, sogar gut abfahren.“

„T“: Sie haben über Andy Schleck gesagt, dass er lediglich 70 Prozent seiner Form habe … : „… das war wieder, um die Diskussion zu animieren (lacht wieder). ‚Mais s’il rentre avec 95% de sa forme dans les Pyrénées, il sera mort.’“

„T“: Würde Andy Schleck denn einen schönen Tour-Sieger abgeben?: „Ein schöner Tour-Sieger ist immer einer, bei dem kein positiver Dopingbefund folgt. Wer hat denn letztes Jahr die Tour de France gewonnen? Wir wissen es noch immer nicht. Mich stört es, dass Alberto Contador am Start ist. Die Prozedur wurde mutwillig in die Länge gezogen. ‚Ce qui me dégoute, c’est que la politique espagnole s’y est mêlée.‘ Sollen sie sich um ihre Banken kümmern, die Politiker!“

„T“: Wäre es eine Katastrophe, sollte Alberto Contador auch dieses Jahr gewinnen und Anfang August würden ihm die Titel 2010 und 2011 aberkannt werden?: „’Quand vous regardez, tout ce qui a été dit, je pense que la vache va finir par être condamnée.‘ Die Kuh wird als Schuldige herhalten müssen.“