KampfsportKenza Cossu ist Luxemburgs neues Judo-Sternchen

Kampfsport / Kenza Cossu ist Luxemburgs neues Judo-Sternchen
Kenza Cossu und Jugendnationaltrainer Sascha Herkenrath Foto: privat

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Sie ist 17, will irgendwann mal zum Geheimdienst oder Chirurgie studieren und hat seit Mittwochabend den bislang bedeutendsten Titel ihrer Karriere im Lebenslauf notiert: Kenza Cossu hat nicht nur klare berufliche Vorstellungen, sondern auch riesigen sportlichen Erfolg. In Riga wurde die Schülerin des „Sportlycée“ nach fünf Kämpfen U18-Vize-Europameisterin. Ein außergewöhnlicher Moment, der mit einer Portion Apfelstrudel in der „Bubble“ gefeiert wurde.“

Bruder Samuel hatte im Dezember 2019 also doch gar nicht mal so unrecht. Damals, als sich seine kleine Schwester im Alter von 15 Jahren zur Landesmeisterin kürte, betitelte er sie bereits als „nächste Marie Muller“. Inzwischen wirkt diese Aussage realistischer denn je. Kenza Cossu ist am Mittwoch U18-Vize-Europameisterin geworden. Ein völlig unerwarteter Erfolg, auch da ihre Turnierteilnahme vor wenigen Wochen noch in weite Ferne gerückt war.

„Ganz ehrlich: Ich habe mit ihr geweint …“ Worte ihres Bonneweger Klubtrainers Sergio Gonçalves, der die -63-kg-Kämpferin seit ihrem fünften Lebensjahr begleitet und Höhen und Tiefen miterlebt hat. Der Zehen- und Fingerbruch, den sich die talentierte Judoka im Juni zuzog, traf beide gleichermaßen hart. Denn der Traum einer EM-Teilnahme drohte für die FLAM-Athletin zu platzen. Ihr Training wurde umgestellt und angepasst, erst vor drei Wochen konnte sie wieder an den klassischen Einheiten teilnehmen. „Sie selbst hatte nicht damit gerechnet, nach Riga reisen zu können. Diese ganze Situation hatte bestimmt auch etwas Gutes, denn das hat ihr den Druck genommen“, schlussfolgerte der Coach am Wettkampftag.

Auch Sascha Herkenrath, Jugendnationaltrainer der FLAM, traute seinen Augen kaum, als Cossu den Durchmarsch ins Finale mit einer beeindruckenden Souveränität fortsetzte. Besonders im Halbfinale, das erst im sogenannten „Golden Score“ endete, einer Kampf-Verlängerung nach einem Unentschieden, schlug er im Hintergrund vor Fassungslosigkeit und Stolz die Hände über dem Kopf zusammen und blieb für einen Moment lang regungslos an der Matte stehen. „Wir haben daran geglaubt, vorne mitkämpfen zu können, aber erwartet war es nicht. Ich glaube, das ist der Unterschied“, sagte der Deutsche. „Es war meine erste EM auf dem Trainerstuhl, uns es bedeutet mir enorm viel, da wir als Team fleißig und gut gearbeitet haben.“

Cossu hatte einen berauschenden Vormittag hinter sich. Auf dem Weg ins letzte Match des Tages hatte die Luxemburgerin bereits große Nachwuchshoffnungen aus dem Turnier befördert, darunter im Achtelfinale die Nummer drei der Weltrangliste aus Tschechien. „Wir haben seit zwei, drei Monaten den Fokus auf diese Gegnerin und deren Art zu kämpfen gelegt. Es ist natürlich sehr cool, wenn das ausgerechnet beim Saisonhöhepunkt dann klappt.“ Im Finale stand sie der Deutschen Nele Noack gegenüber. Anders als in den Kämpfen zuvor nahm die Gegnerin sofort das Heft in die Hand, Cossu konnte keine Akzente setzen und lief nach wenigen Sekunden einem Waza-Ari-Rückstand hinterher. Kurz darauf wurde die Luxemburgerin nach ihrem eigenen Angriff ausgekontert und das Match war beendet. Für Gonçalves, der sich die Bilder über Livestream angesehen hatte, änderte die Niederlage nichts am Standpunkt: „Ich bin super stolz!“ 

Die Silbermedaille wird in Cossus Zimmer einen Ehrenplatz bekommen. „Ich wollte es unbedingt schaffen, obschon ich eher davon ausgegangen bin, es würde beim Traum bleiben. Es hat mir geholfen, dass ich nur von Kampf zu Kampf geschaut habe. Als ich die Tschechien besiegt hatte, sagte ich mir: ’Dann kannst du auch alle andern schlagen!’“

Zu den ersten Gratulanten gehörten ihre frühere Trainingskollegin Manon Durbach und … Marie Muller. Während die Vorgängerinnen bereits in den Genuss außergewöhnlicher Momente gekommen waren, wird sich Cossu erst an Blitzlichtgewitter und Hymnen gewöhnen müssen. Die FLAM-Judoka wirkte auf dem Podium, als hätte sie noch nicht realisiert, was sie an diesem Mittwoch in Lettland geleistet hatte. Mehrmals legte die junge Frau die Medaille zurecht und schaute sich das Edelmetall verwundert an. Am Ende dieses aufregenden Tages, inklusive der Dopingkontrolle, gab es erst mal „eine Portion Nudeln und danach Apfelstrudel“. 

Geht es nach Samuel Cossu, dann wird seine Schwester noch viel Größeres erreichen: „Dieser Titel ist noch nichts im Vergleich zu dem, was in der Zukunft auf dich wartet“, schrieb er auf Facebook. Dass er mit seinen Aussagen gerne mal ins Schwarze trifft, hat sich ja bereits einmal bewahrheitet … Für Herkenrath steht bereits jetzt fest: „Diese Medaille trägt dazu bei, dass Luxemburg wahrgenommen wird. Viele haben uns nicht auf dem Schirm.“ Macht Cossu so weiter, dann ändert sich das wohl schnell.