30. Dezember 2025 - 15.46 Uhr
Akt.: 30. Dezember 2025 - 15.48 Uhr
Gewichtheben„Ich habe sehr an mir gezweifelt“: Mara Strzykalas Rückblick auf das Jahr und das Erreichen der COSL-Elite-Norm
Tageblatt: Am 6. Dezember, beim Vergleichskampf Ihres Vereins Obrigheim gegen Roding, haben Sie die COSL-Elite-Norm geschafft. Und gleich eine Woche danach wiederholt. Hatten Sie damit gerechnet?
Mara Strzykala: Ich habe geweint vor Freude. Nach zwei Jahren Arbeit, um die Minimas zu erreichen, war das einfach ein Gefühl von Freude, Erlösung und Stolz. Ich habe in den vergangenen Jahren viel gelernt und es sind viele kleine Schritte, die jetzt zusammengekommen sind. Dieser Erfolg ist auch das Ergebnis der Arbeit, die Sabine in mich gesteckt hat. Das sieht niemand, aber ich wollte auch dem gerecht werden, was sie in mich investiert hat. Nach diesem Jahr, das für mich persönlich nicht einfach war, gingen wir die letzten Wettkämpfe entspannt an. Dank Sabine habe ich gelernt, dass es nicht das Ende der Welt ist, wenn ich heute etwas nicht schaffe und es nicht bedeutet, dass ich es niemals schaffen werde. „Sich abfinden“ klingt so negativ, aber wir hatten auch die Option miteinbezogen, dass ich die Norm eventuell nicht erreichen könnte. Das hat mir eine enorme seelische Last genommen. Dass ich diese Gewichte gleich zweimal hintereinander geschafft habe, zeigt, dass es kein Zufall war.
Hinter Ihnen liegen auch schwierige Monate.
2024 hatte ich mich am Rücken verletzt, was dazu führte, dass ich monatelang gar nicht mehr trainieren konnte. Dadurch war die WM in Bahrain im September sozusagen der neue Einstieg. Es lief gut (Platz neun, Anm. d. Red.), sodass wir ins neue Jahr starteten mit dem Vorhaben, Bestleistungen im zweiten Versuch zu erzielen. Das war zumindest der Plan. Doch im Februar hatte ich plötzlich Probleme mit der Wade. Obwohl das Jahr vielversprechend begonnen hatte, konnte ich gar nicht mehr aus der Hocke ausdrücken. Das führte dazu, dass ich im Training extrem frustriert war. Ich habe alles angesteuert, doch die Wade wollte einfach nicht mitmachen. Bei der EM in Moldawien (April 2025, Anm. d. Red.) wollte ich dann glänzen. Doch ich habe sehr an meinen Fähigkeiten gezweifelt, da ich wegen der Wadenprobleme im Training vieles habe streichen müssen, und dachte mir: Das kriege ich nicht hin. Einen Monat davor, beim Turnier der kleinen Staaten Europas, hatten wir die Lasten, mit denen wir in den Wettkampf einsteigen wollten, getestet. Das Turnier lief besser als die EM, die eine Katastrophe war: nur ein gültiger Versuch im Reißen und Stoßen. Die erste Jahreshälfte war für mich persönlich schlimm. Ich wusste, dass jeder hinter mir steht, aber es ging nicht. Trotz allem wollte ich nicht aufhören mit dem Training, da ich weiß, wie schwierig es ist, wieder reinzukommen. Aber die Zeit nach der EM gingen wir anders an.

Was hat sich geändert?
Ich trainierte ohne Plan und machte die Übungen, die mir in den Kopf kamen: entspannter und mit weniger Druck. Mein Kopf war einfach „struppevoll“ und ich wollte ihn freibekommen. Da fanden Experten des LIHPS (Luxembourg Institute for High Performance in Sports, Anm. d. Red.) auch heraus, dass die Wadenprobleme eigentlich von der Hüfte kamen. Daraufhin kannte ich den Ursprung des Problems und konnte daran arbeiten. Doch von Jahresbeginn bis Mai, Juni war das ein Thema. So ging es dann zurück zu weniger Wiederholungen mit niedrigeren Gewichten. Auch die Zusammenarbeit mit einer Ernährungsberaterin vom LIHPS infolge der neuen IWF-Gewichtsklassen gab mir viele neue Einblicke. Ich habe vieles gelernt und allgemein lief es nach der EM wieder sehr gut. Der größte Gamechanger war die Zusammenarbeit mit einer Sportpsychologin, die im Sommer begann. Dank ihrer Hilfe wurde mir bewusst, dass mein Pensum überdurchschnittlich hoch ist und ich Müdigkeit durchaus als Entschuldigung angeben darf. Diese Akzeptanz meiner Situation, die sehr ungewöhnlich ist, hat sie mir beigebracht.
Sie arbeiten Vollzeit in einem Bereich, der nichts mit Sport zu tun hat. Das mit dem Leistungssport zu verbinden, ist keine leichte Kost. Wie strukturieren Sie Ihren Alltag?
Genau. Ich trainiere immer unter Zeitdruck, komme nach der Arbeit hierher. Die Sportpsychologin hat mir ans Herz gelegt, dass ich mir die Zeit nehmen soll, um vor dem Training runterzukommen. Hier im HPTRC gibt es einen Ruhebereich für die Athleten. Seitdem ich mir diese halbe Stunde Ruhe gönne, hat sich die Qualität meines Trainings gesteigert. Außerdem nehme ich mir jetzt auch mal eine Woche Urlaub vor einem internationalen Wettkampf. Davor ging es sofort von der Arbeit in den Flieger. (lacht) Insgesamt ist mein Leben sehr strukturiert und durchgetaktet. Gerade in dieser Sportart wird das Nervensystem stark belastet und die Renegeration dauert länger als bei der Muskulatur. Ich habe mich mittlerweise daran gewöhnt. Was nach wie vor ein Stressfaktor ist, ist aber die Tatsache, dass ich keine Verspätung haben darf. Das wirkt sich direkt auf das Training aus und wir wissen ja, wie die Verkehrslage in Luxemburg ist. (lacht)
Das Mentale spielt ja auch eine große Rolle in Ihrer Disziplin.
Egal, wie fit der Körper ist, wenn der Kopf nicht mitspielt, klappt es nicht – das hat mich meine Sportpsychologin gelehrt. Dass das Gewichtheben ein Sport ist, in dem alles schnell geht, ist Fluch und Segen zugleich. Es dauert drei Sekunden. Zweifelst du kurz an dir oder bist nicht konzentriert, beeinflusst das den ganzen Wettkampf. Die Zeit in unserer Disziplin läuft zu schnell, um einen schlechten Moment auszugleichen.


Neben Ihren Einsätzen für Luxemburg sind Sie ja auch bei Obrigheim und Straßburg aktiv, wurden dieses Jahr auch Landesmeisterin in Frankreich. Und zusätzlich haben Sie zwei Powerlifting-Wettkämpfe bestritten und auch da Landesrekorde gebrochen.
Ich bin vom Wesen her schon eine Person, die, wenn eine Mannschaft mich braucht, auch am Start ist. Das heißt nicht, dass ich jedes Mal meine Bestleistungen aufrufen kann – und das ist ja auch nicht möglich. Dass ich auch in Deutschland und Frankreich stemme, hat sich so ergeben und ich freue mich sehr, Teil der Vereine zu sein. Da die Wettkämpfe häufig am gleichen Wochenende stattfinden, muss ich eine Entscheidung treffen. Da schaue ich nach der Distanz. Dieses Jahr sind auch Wettkämpfe weggefallen, wie der Pokal der Blauen Schwerter und das International Women’s Weightlifting Tournament. Die Coupe de Luxembourg im Powerlifting fand während meiner Phase, in der ich ohne Plan trainierte, statt. Als ich gefragt wurde, ob ich teilnehme möchte, dachte ich mir: Klar, warum nicht? Das war kurz nach den französischen Meisterschaften, die am Vatertag stattfanden. Da ich durch meinen Vater die doppelte Staatsangehörigkeit besitze, wollte ich an dem Tag Gold für meinen Vater gewinnen. Das hat mir nochmal einen Anreiz gegeben, wieder mehr zu reißen und zu stoßen, was zu dem Zeitpunkt etwas weggefallen war.
Als luxemburgische Gewichtheberin befinden Sie sich in einer Pionierrolle.
Also ich bin immer noch überrascht, wenn Menschen wissen, wer ich bin. (lacht) Wenn auf einer EM jemand sagt, wie schön es ist, dass Luxemburg wieder dabei ist. Das ist eine enorme Genugtuung, wenn Leute dich sehen und sehen, was du tust. Ich bin eigentlich ein diskreter Mensch, mir aber auch meiner Rolle bewusst. Vor allem will ich, dass das Gewichtheben in Luxemburg gesehen und den Menschen nähergebracht wird – und wenn das eben durch mich geschehen muss, dann diene ich gerne als Bild.
Was ist Ihr Hauptziel für 2026?
Eine super EM!

„Löst euch von Vorurteilen“
Seit 2024 ist die mehrfache deutsche Meisterin und Olympiateilnehmerin Sabine Kusterer Luxemburgs Nationaltrainerin im Gewichtheben. Die erfahrene Stemmerin befindet sich in einer Trainerausbildung – ständige Weiterbildung ist für sie das A und O – und möchte auch weiterhin als Athletin aktiv bleiben. Optimistisch blickt sie auf das neue Jahr, was das Gewichtheben in Luxemburg angeht. Vor allem die Investitionen in die Infrastruktur beim SC Hamm, dem Mara Strzykala und Sabine Kusterer angehören, sowie die Intitativen von Alain Hammang stimmen sie positiv. Sie selbst ist mit sieben Jahren in den Sport eingestiegen – und rät, sich von Vorurteilen zu lösen, wenn man damit beginnen möchte. „Es ist für jedes Alter geeignet“, sagt Kusterer. „Bei Kindern geht es erst mal um das Erlernen der Koordination und Feinmotorik, um das Selbstbewusstsein. Da gibt es Spiele mit Medizinbällen, mit Sprüngen … Es geht auf spielerische Weise in Richtung Gewichtheben, aber die Hantel ist erst mal Nebensache. Für ältere Semester ist die Sportart gut geeignet, um die Last zu nehmen bei allem, was im Alter beginnt, wehzutun. Eigentlich ist es in allen Lebenssituationen von Vorteil, wann man seinen Körper stabil aufgebaut hat. Und: Man muss nicht stark sein, um mit Gewichtheben anzufangen.“
Auch Mara Strzykala berichtet, mit Vorurteilen in den Sport eingestiegen zu sein – „man denkt da an definierte Körper, doch wir machen ja kein Bodybuilding“. Die Antwort, man würde ihr das nicht ansehen, hört die Athletin, die im Leichtgewicht startet, immer wieder. Doch sie rät: „Traut euch und lasst euch überraschen!“
De Maart


























Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können