Tageblatt: Heinz Thews, mit Sarah De Nutte und Luka Mladenovic sind zwei Paris-Olympioniken aus der Arbeit der FLTT hervorgegangen. Für ein kleines Land wie Luxemburg ist das sicher ein großer Erfolg, oder?
Heinz Thews: Ja, das stimmt, aber warum sollte man Ni Xia Lian ausklammern? Ich glaube, dass sie ihre zweite Karriere in Luxemburg gestartet hat. Sie hat ihre internationale Karriere 1983 aufgehört und hat 1989 wieder angefangen – in Luxemburg. Also ich denke schon, dass wir drei Sportler nach Paris geschickt haben. Das war schon eine erfolgreiche Kampagne der Senioren-Gruppe. Luka (Mladenovic) hat wirklich zum Schluss unheimliche Aufholarbeit geleistet.
Was passiert hinter diesem Trio?
Wir haben eine Vierjahresperiode und im Moment sind die drei Paris-Olympioniken noch aktiv. Alle haben die Absicht, noch dabei zu sein. Dann gibt es eine Anschlussgruppe, die in der Entwicklung so weit ist, dass sie die Schule beendet hat. Maël (Van Dessel) hat die duale Karriere gemacht: Er hat die schulische Ausbildung mit Hochleistungssport verbunden. Das ist unser Konzept und läuft mit dem Sportlycée und dem COSL zusammen. Maël macht jetzt die Grundausbildung bei der Armee. Er hat seine Weltranglistenposition um 400 Plätze verbessert und wird ab Mitte April in ein professionelles Konzept einsteigen. Er ist der Nächste, von dem man vielleicht schon eine Olympia-Qualifikation 2028 erwarten kann. Dann haben wir eine Gruppe, die sich in der Abiturphase befindet, mit Gene Wantz, Loris Stephany oder Tom Scholtes.
Dahinter wiederum steht mit Aaron Sahr ein talentierter Spieler …
Aaron ist aus der Schülerzeit raus, er war schon in den Top 30 der Welt, das ist außergewöhnlich. Er spielt nun bei den U19, das ist sehr hart. Wenn man sieht, dass schon in der absoluten Weltspitze junge Spieler vertreten sind. Das ist wirklich ein Paradigmenwechsel.
Sie haben erkannt, dass im Tischtennis die Weltspitze immer jünger wird. Muss man auch in Luxemburg früher mit der Nachwuchsarbeit beginnen?
Ich glaube, dass wir früh genug dabei sind. Vielleicht muss man das Training intensivieren. Die Belastung hängt aber immer von der körperlichen Entwicklung der jungen Menschen ab. Wir haben da oft drei bis vier Jahre unterschied. Heißt: 12- bis 13-Jährige sind körperlich bei 15-16 Jahren, und umgekehrt geht das auch. Deswegen ist es immer schwierig. Wir schauen nach der körperlichen Entwicklung und wollen dann im richtigen Moment das Richtige tun.
Blicken wir auf internationale Turniere: Welche Spieler schicken Sie zu WTT-Turnieren?
Wir haben ein Vierjahreskonzept beim COSL und beim Ministerium vorgelegt, das ist eine komplexe Faktorenzusammenstellung. Es geht um die Entwicklung im körperlichen und spielerischen Bereich. So viele Turniere wie möglich spielen wir nicht, das ist nicht zielführend. Wir haben Resultatsturniere, das WTT-Paket, da geht es um Weltranglistenpunkte. Diese Turniere sind zeitaufwendig und teuer. Spieler bekommen dort nur wenig Wettkampfpraxis, wenn man nicht aus den Gruppen kommt. Das heißt, dass wir ein gewisses Niveau verlangen, um an diesen Turnieren teilzunehmen. Es gibt aber auch eine zweite und dritte Gruppe von Turnieren. Das sind Heranführungsturniere. Da schicken wir unsere Athleten gerne hin, vor allem jetzt arbeiten wir mit schwedischen Turnieren zusammen.
Nach welchen Selektionskriterien werden die Spieler in den Kader aufgenommen?
Trainingsfleiß, die Perspektive der Spieler und ob jemand dicht am Mannschaftspaket für Jugend-Europameisterschaften dran ist.

Sehen wir uns mal Abbildung 1 an. Nach Tageblatt-Recherche haben luxemburgische Nachwuchsspielerinnen im Vergleich zu ihren gleichaltrigen Kolleginnen im Ausland doch sehr viel weniger internationale Auftritte. Woran liegt das?
Das ist eine präzise Beobachtung. Wir haben deutlich weniger junge Damen, die genug trainieren, und dementsprechend stagniert die Leistungsentwicklung. Im männlichen Bereich sind wir deutlich stärker besetzt. Es gibt weltweit die klare Erkenntnis, dass nach der Pandemie sehr viele junge Männer in den Sport zurückgekehrt sind. Aber bei den Mädchen ist kaum noch jemand da. Wir haben vier bis fünf Spielerinnen, die ernsthaft trainieren und versuchen, internationales Niveau zu erreichen. Bei den Jungen haben wir um die 25.
Es sind ja, wie Sie sagen, dennoch vier bis fünf Mädchen da, auf die man aufbauen könnte.
Im letzten Jahr waren sie nicht gut genug, um WTT-Turniere zu spielen. Wir haben sehr wenig davon, junge Damen in der Gegend rumzufahren, ein Start liegt zudem bei etwa 1.000 Euro, das muss man finanzieren. Im Januar hatten wir zwei junge Damen in Schweden dabei, sie haben ordentlich gespielt. Auch eine Kinda (Mostapha), die aktuell wegen einer gesundheitlichen Sache nicht dabei ist, war stark. Sie hat das Turnier gewonnen. Sie ist auch nicht im Kader, weil sie im Moment Trainingsauflagen, die wir als Kadermitgliedschaft fordern, nicht erfüllt. Ihre letzten Präsenzen waren aber so gut, dass wir sicher bald überlegen, sie wieder aufzunehmen.
Es gibt auch WTT-Turniere in Metz oder Spa. Hat es keinen Wert, die Spielerinnen dort hinzuschicken, um Erfahrungen auf höchstem Niveau zu sammeln? Finanziell wäre das zumindest ein geringerer Aufwand, als Spieler beispielsweise in die USA zu schicken, so wie es bei den Jungen der Fall ist.
Beim WTT-Turnier in Luxemburg haben sie alle gespielt. Wir haben uns auch ihre Leistungen angeschaut, das war o.k. Sie können konkurrenzfähig sein, und das werden wir in diesem Jahr vielleicht probieren.
Haben es Spieler leichter, selektioniert zu werden, wenn sie Teil des Sportlycée sind?
Die Unterstützung ist sicherlich groß. Wenn sie 13 oder 14 Jahre sind und schon zwei bis drei Trainings morgens in die Schulzeit integrieren können, ist das doch ein großer Vorteil. Es wird außerdem viel einfacher, schulisch freizubekommen, wenn man mal wegmuss. Aber es gibt auch andere Spieler wie Luca Elsen, die nicht ins Sportlycée gehen. Das ist keine Voraussetzung.
Das Tageblatt hat eine ähnliche Recherche für die Jungs gemacht (Abbildung 2). Hier fällt doch auf, dass sich Aaron Sahr mit 28 Turnier-Teilnahmen deutlich von seinen Kollegen abhebt – und von den Mädchen sowieso.

Ja, er hebt sich ab von denen, die auf der Abbildung gelistet sind. Wenn wir aber ältere Spieler dazunehmen, haben wir eine Angleichung. Aaron hat versucht, sich für die WM zu qualifizieren. Er war um Position 25 der Weltrangliste. Am Ende war er 31. und 30 gingen rein. Er hat das nicht geschafft, weil er ein paar Mal nicht konnte, weil er Nationaldivision spielen musste. Aber schauen Sie mal Enisa Sadikovic: Die kommt auf noch mehr Turniere (40 Teilnahmen bei ITTF-Turnieren, U19 Nr. 23). Im Sommer 2026 spielt sie ihre letzte Jugend-EM. Da wollen wir, dass sie angreift, um dann auch bei der WM dabei zu sein. Sie hat ein „Splitting“ gemacht. Die „Deuxième“ macht sie also in zwei Jahren. Dadurch kann sie mehr trainieren und mehr reisen. Bei den jüngeren Damen muss man überlegen, wie man sie richtig auf die Piste bekommt. Trainingspensum, Leistung, Arbeit mit den Trainern und Vereinen, das gehört alles dazu. Wir müssen uns auch an das anpassen, was international läuft. Wir können nicht das weitermachen, was wir seit 30 Jahren hier machen.
Die nackten Zahlen, wenn man die Anzahl der Turniere der männlichen und weiblichen Nachwuchsspieler vergleicht, sind doch schon erheblich …
Ich kenne die Zahlen. Und wir können ja auch ehrlich sagen: wir befinden uns in einer politisch brisanten Situation. Da kann man überall Zahlen zusammensuchen und irgendwas reininterpretieren. Der entscheidende Punkt ist, dass wir genau schauen – und dazu sind unsere Trainer da –, was passt für die Spieler wann am besten. Klar, jeder will gerne WTT-Turniere spielen. Hinreisen, zwei Spiele machen, wieder nach Hause, vier Tage unterwegs und dafür noch schulfrei genommen. Davon haben wir aber nichts.

Sie haben den finanziellen Aspekt bereits angesprochen. Wünschen Sie sich diesbezüglich mehr Unterstützung?
Im Vergleich zu unseren Kollegen im Ausland um uns herum sind wir doch sehr gut aufgestellt. Für jeden Euro, den man ausgibt, wollen wir das Bestmögliche herausholen. Geld ist nicht ubiquitär. Man muss haushalten und ein Budget machen. Für unsere Elite übernehmen wir immerhin acht bis zehn Turniere. Wenn ich nun beim Singapur Smash schaue: Da mussten die deutschen und französischen Kollegen ihre Reisen selbst bezahlen. So was gehört bei uns aber zum Paket dazu.
Wie werden die WTT-Turniere für Jugendspieler finanziert?
Alle zahlen ihren Eigenanteil, das ist ein gewisser Prozentsatz. Da gibt es ein Schema zu, aber der Verband übernimmt auch Kosten.
Vier Jungs haben 2024 beispielsweise ein Turnier in Westchester bei New York gespielt …
Ja, sie waren zu viert. Wenn man aber auf die Kosten guckt: Ein Turnier in den USA ist deutlich billiger als viele Turniere im Ostblock. Ein Ticket nach New York hat uns 560 Euro gekostet. Wenn man nach Bulgarien oder in die Richtung fliegt, liegen die Kosten oft mindestens bei 700 Euro. Das hört sich immer so teuer an, wenn man nach New York fliegt. Aber wir waren auch in Ägypten. Viele fragen sich dann, was wir da suchen. Aber wir hatten Unterkunft und Verpflegung dort umsonst.
Zusammengefasst: Machen Sie sich Sorgen um den luxemburgischen Nachwuchs bei Mädchen und Jungen?
Ich denke, dass wir vor allem im Mädchen-Bereich vorankommen müssen, auch wenn wir keine große Auswahl haben.
Konkret: Wie kommt man voran?
Indem wir gut trainieren, aber die Motivation muss auch von den Mädchen aus kommen. Wir wissen alle, dass die Ausfallquote bei Mädchen größer als bei Jungs in der Pubertät ist. Wir müssen das vorgeben, wo wir guten Gewissens sagen können: das und das muss man in Trainingsintensität und -Umfang liefern, um international konkurrenzfähig zu sein. Mit zwei Trainings die Woche versprechen wir niemandem, Europameister zu werden. Das kennen wir auch – dass viele denken, dass es so geht.
De Maart
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