Donnerstag13. November 2025

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Wenn der Körper Fakten liefert

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Sprints, Richtungswechsel, Reaktionen. Die Fitness eines Fußballspielers ist ein komplexes Gebilde und ist mittlerweile zur Wissenschaft geworden. Auch bei der FLF-Auswahl greift man auf modernste Technik zurück, um den Nationalspielern die besten körperlichen Voraussetzungen für die Länderspiele zu verschaffen. Konditionstrainer Claude Origer ist der Experte in diesem Bereich und arbeitet vor und nach jedem Training minutiös am perfekten Plan für jeden Spieler.

„Es ist wichtig, auf jeden Spieler individuell eingehen zu können und auch während eines Trainings flexibel zu bleiben“, erklärt Claude Origer, der im Stab von Nationaltrainer Luc Holtz die Rolle des Assistenten und Fitnesstrainers innehat. Der kleine Tablet-Computer ist der ständige Begleiter des ausgebildeten Sportlehrers. Mit einigen Klicks kann er innerhalb von Sekunden das komplette Fitness-Profil eines Spielers abrufen.

In Echtzeit werden die Werte der Spieler während des Trainings auf das kleine schwarze Teil übermittelt. Über Satellit werden die Bewegungsabläufe, die abgespulten Kilometer sowie die gelaufenen Sprints der einzelnen Akteure geliefert. Anhand eines Chips – der entweder an einem Bändchen befestigt wird oder in einem speziellen T-Shirt getragen werden kann – wird die Herzfrequenz an den Computer gesendet. Jede Einheit wird elektronisch überwacht. Während der Länderspiele greift der FLF-Stab auf die Daten einer externen Firma zurück, welche die Laufwege und Intensitäten per Kamera einfängt und automatisch in ein Programm einspeist.

Die Zeit der Dauerläufe ist vorbei

„Wenn Laurent Jans 26 Sprints und Aurélien Joachim 52 Sprints macht, bedeutet das nicht, dass ein Spieler automatisch zu wenig gelaufen ist. Die Ergebnisse sind von der Position, der Aufgabe und vom Spielverlauf abhängig. Man kann Partien gewinnen, in denen man deutlich weniger Kilometer als der Gegner läuft. Wenn man allerdings als Mannschaft während eines Spiels nur 80 Kilometer läuft und hoch verliert, dann besteht ein Problem.“
Die Zeit, als Dauerläufe zur Verbesserung der Grundlagenfitness dienten, ist im Profibereich schon lange Geschichte. „Der Wandel begann in den 90er Jahren. Es wurde festgestellt, dass es beim Fußball darum geht, Laktat auf- und wieder abzubauen, und das hat die Trainingsmethodik verändert“, erklärt Origer, während er an seinem Tablet eine Frequenz eines Trainings herausschneidet und für die Analyse vorbereitet.

Heute werden die Fußballer durch intermittierende Methoden oder Intervalltraining auf die Spiele vorbereitet. Beim intermittierenden Training werden technische, taktische und konditionelle Faktoren miteinander kombiniert. Die Belastung ist kurz und intensiv und die Muskeln sollen nicht übersäuern. Beim Intervalltraining wird die Herzfrequenz hoch- und runtergejagt. Die Übungen dauern ein paar Minuten und eine Übersäuerung der Muskulatur ist geplant. „Viele Wege führen nach Rom. Beide Methoden führen zum gleichen Ziel: die maximale Sauerstoffaufnahme soll gesteigert werden und dadurch die Ausdauer verbessert werden. In Deutschland setzt man eher auf Intervalltraining, während die Belgier und Franzosen dazu neigen, intermittierende Methoden zu benutzen“, erklärt Origer.

Die wichtigste Information, um das Trainingsvolumen steuern zu können, ist die maximale Herzfrequenz jedes Spielers. Ist ein Akteur zu oft im roten Bereich, kann die Intensität sofort angepasst werden und die nötigen Ruhephasen können einberechnet werden. Nur so ist es möglich, das Optimum aus jedem Nationalspieler herauszuholen. Die maximale Herzfrequenz wird oft zu Beginn des Jahres beim Laktattest (siehe Kasten) in der Coque ermittelt und dann ins Programm eingetragen.

„Jedes Training hat ein Ziel“

Aufgrund dieser Daten wird das Training gesteuert und währenddessen werden Zwischenbilanzen erstellt. „Oft entscheiden wir aufgrund des Zahlenmaterials, eine Übung 20 Sekunden länger oder kürzer zu machen oder die Pausen zu verlängern. Jedes Training hat ein Ziel und mithilfe der Technik können wir dieses erreichen“, so Origer. Hört sich einfach an, ist es aber nicht. Der 45-Jährige spezialisierte sich nach seiner Ausbildung zum Sportlehrer in der Leistungsdiagnostik und der Prävention. „Man kann bei der Dosierung der Einheiten sehr viel falsch machen. Es ist wie beim Kochen. Die ersten beiden Köche fügen die richtige Salzmenge bei und der dritte versalzt die Suppe. Es gibt kein Patentrezept.“

Sorgen machen ihm die Nationalspieler derzeit keine. „Alle haben eine gute Grundlagenausdauer. Es gibt keine großen Unterschiede. Aber es liegt auf der Hand, dass ein Profi, der neunmal pro Woche trainiert, bessere Werte hat als ein Amateurspieler aus der BGL Ligue. Wenn ein Spieler mit starken körperlichen Defiziten ins Trainingslager anreist, können wir innerhalb von zehn Tagen sein Leistungsvolumen von 50 auf 70 Prozent steigern. Seine volle Leistungsfähigkeit wird er jedoch nicht mehr erreichen.“

Kleine Teams müssen körperlich besser vorbereitet sein

Dass die luxemburgische Nationalmannschaft in der Vergangenheit öfters Spiele in den letzten Minuten für sich entschied, ist kein Zufall und hat auch etwas mit der Entwicklung der Trainingsmethoden zu tun. „Früher bauten die Mannschaften ab der 70. Minute konditionell ab. Heute werden Partien oft in den letzten Minuten entschieden, weil die Spieler fast bis zum Schluss im Vollbesitz ihrer Kräfte sind und während 90 Minuten in der Lage sind, dieselbe Intensität abzurufen und sogar noch einmal eine Schippe nachzulegen. Durch die Trainingsmethodik haben die Spieler gelernt, sich mit hoher Herzfrequenz zu erholen“, erklärt Origer dieses Phänomen und fügt an: „Kleine Teams wie Luxemburg, die im Normalfall weniger in Ballbesitz sind, müssen körperlich eigentlich besser vorbereitet sein als der Gegner, weil wir mehr laufen müssen.“

Dies ist den Nationalspielern mittlerweile bewusst geworden. Nicht selten erkundigen sie sich nach ihren Daten. „Manchmal haben die Zahlen einen psychologischen Effekt. Wenn ein Spieler müde ist und sieht, dass die Daten im Normalbereich sind, weiß er, dass er sich bis zur nächsten Trainingseinheit erholt hat.“ Trotz seiner Affinität für das Konditionstraining und seiner Leidenschaft für das Detail will Origer nicht jeden „Roten Löwen“ zum Laufwunder machen. „Es gibt Spieler wie Laurent Jans, die eine unglaubliche Grundlagenausdauer haben und immer Vollgas geben können. Auf der anderen Seite gib es Spieler wie Zinédine Zidane. Er war nicht der beste Sprinter, aber dafür besser als alle anderen was die Antizipation und die Handlungsschnelligkeit anging.“