Freitag31. Oktober 2025

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Fußball„Mehr getan als jedes andere Land“: Wie Katar mit WM-Protesten umgeht

Fußball / „Mehr getan als jedes andere Land“: Wie Katar mit WM-Protesten umgeht
Protestaktionen gab es bereits viele: Die deutsche Nationalmannschaft trat beispielsweise in Shirts mit der Aufschrift „Human Rights“ auf. Foto: Tobias Schwarz/dpa

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Klima, fehlende Fußball-Tradition, Menschenrechte: Die Liste an Kritikpunkten rund um die Winter-WM von Katar ist lang. Zum Auftakt der Qualifikation in Europa gab es direkt namhafte Proteste. Wie geht der Gastgeber eigentlich mit den Vorwürfen um?

Boykott-Forderungen von allen Seiten, immer lautere Proteste aus dem Profilager und fassungsloses Entsetzen bei Millionen Fußballfans: Gastgeber Katar muss sich im eineinhalb Jahre langen Endspurt bis zur ersten Winter-WM auf mächtig Gegenwind gefasst machen. Die klimatische Situation, wegen der das Turnier vom Sommer auf die Adventszeit verlegt wurde, und die fehlende Fußball-Tradition sind dabei zu Randnotizen geworden. Das Thema Menschenrechte hingegen überstrahlt alle weiteren Aspekte. Wie geht das reiche Emirat eigentlich mit all den Attacken rund um das bevorstehende XXL-Sportevent im November und Dezember 2022 um?

Katars Regierungsmitglied Scheich Thamer Al Thani hält den Inhalt der jüngsten Proteste, an denen unter anderem Fußballstars wie Norwegens Erling Haaland oder auch die deutsche Nationalmannschaft mitwirkten, für verfehlt. „Wir unterstützen die Verbände und Spieler, die ihre Plattform nutzen, um sich für die Menschenrechte einzusetzen. Ihre Kritik an der WM 2022 ist jedoch deplatziert“, sagte Thamer Al Thani, stellvertretender Direktor des Government Communications Office des Staates Katar.

„WM der Schande“

Die Kritik liege seiner Wahrnehmung nach daran, „dass viele Menschen nicht alle Informationen im Bezug auf die Veränderungen haben, die Katar bereits vorgenommen hat“. Seit der Vergabe der WM vor etwas mehr als zehn Jahren hat die Kritik wegen Menschenrechtsverletzungen immer mehr zugenommen.

Im Fokus stand dabei das umstrittene, in den Golfstaaten aber weit verbreitete Kafala-System. Es bindet ausländische Arbeitskräfte an einen einheimischen Sponsor – und öffnet Ausbeutung sowie Missbrauch Tür und Tor. Migranten am Golf klagen etwa häufig, ihnen seien ihre Pässe abgenommen worden, sie müssten übermäßig lang arbeiten und bekämen keinen Urlaub.

Katar reagierte in den vergangenen Jahren auf die Kritik. So baute das Emirat das Kafala-System ab. In Katar können Migranten nun etwa ohne Zustimmung ihres Arbeitgebers ausreisen oder den Job wechseln. Menschenrechtsorganisation lobten die Reformen, bemängelten aber zugleich, sie würden in der Praxis nur mangelhaft umgesetzt. „Wir möchten, dass sich die Fußballverbände, Fanverbände und Spieler mehr mit Katar auseinandersetzen, um zu versuchen, den Prozess zu verstehen, den ein Land wie Katar durchlaufen muss, um seine Arbeitsgesetze zu überarbeiten“, rechtfertigte Thamer Al Thani.

Doch die Kritik bleibt groß. Die jüngsten Proteste und Aufrufe zum WM-Boykott wurden nicht zuletzt durch einen Bericht des britischen Guardian angefacht. Die Zeitung meldete im Februar, seit der WM-Vergabe seien in Katar mehr als 6.500 Arbeiter aus Nepal und vier anderen südasiatischen Ländern gestorben. Die große Hitze bei der Arbeit gilt als eine wahrscheinliche Ursache für viele der Fälle.

Während die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die bei der WM vom „World Cup of Shame“ („WM der Schande“) spricht, von einer „hohen Zahl“ an gestorbenen Arbeitern berichtet, hat Katars Regierung eine andere Lesart. Sie argumentiert, angesichts von mehr als 1,4 Millionen Menschen aus den fünf Ländern, die in Katar lebten, liege die Sterberate in einem zu erwartenden Bereich.

„Aus dem Zusammenhang gerissen, bilden die Zahlen im Guardian eine Schlagzeile, die für Aufsehen sorgen soll. Aber wenn man sie im Rahmen der breiteren Demografie und der Größe der Bevölkerung betrachtet, liegen die Zahlen im erwarteten Bereich“, sagte Thamer Al Thani. Seiner Ansicht nach habe Katar „in den letzten zehn Jahren mehr als jedes andere Land getan, um die Bedingungen für ausländische Arbeiter zu verbessern“. Dies reiche sogar bis vor die Zeit vor dem WM-Zuschlag zurück.

Aus den Zahlen des „Guardian“ geht nicht hervor, welche Tätigkeit die Verstorbenen genau ausübten und wo sie arbeiteten. Einsatzorte gibt es etliche: Seit Jahren etwa gleicht die Hauptstadt Doha, die als Herzstück des wichtigsten Fußballturniers der Welt eingeplant ist, einer Großbaustelle mit unzähligen Projekten. Vieles, wenn auch nicht alles, dürfte, wenn nicht wegen der WM, so mindestens aus deren Anlass entstehen.

Die WM-Organisatoren verweisen dabei darauf, dass die Zahl der gestorbenen Arbeiter, die tatsächlich auf Stadionbaustellen im Einsatz waren, deutlich geringer ist. Das WM-OK kommt in seinen Berichten auf insgesamt 37 Todesfälle.