Auch am zweiten Tag nach dem dramatischen Ausscheiden Italiens von der Endrunde der Fußballweltmeisterschaft beherrschen die Schlagzeilen dazu die italienische Presse. Rücktritte von Cheftrainer und Fußballverbandsvorsitzendem werden gefordert, neue Namen bereits gehandelt: U.a. Rekordtorhüter Gigi Buffon oder Carlo Ancelotti sollen Nachfolger des Pechtrainers Gian Piero Ventura werden.
Gazzetta verliert an Wert
Doch zunehmend wird auch die Frage gestellt: Wer soll das alles bezahlen? Denn das torlose Unentschieden von San Siro kostete nicht nur die Azzurri die Fahrkarte nach Russland, sondern auch die italienische Wirtschaft eine schöne Summe Geld. So fiel zum Beispiel die Aktie des Medienimperiums RCS, zu dem die größte Sportzeitung „La Gazzetta dello Sport“ gehört, am Tag nach dem Niedergang um 8,25 Prozent auf 1,12 Euro und musste zeitweise sogar vom Markt genommen werden.
Millionenverluste kommen
Das verpasste Ticket wird den italienischen Fußballverband etliche Millionen kosten. Die WM 2018 in Russland soll finanzielle Aufwendungen in Höhe von 790 Millionen US-Dollar (673 Millionen Euro) sehen. In Brasilien waren es noch 576 Millionen Dollar.
Etwa 400 Millionen dieser Summe sind für Gratifikationen der 32 teilnehmenden Mannschaften gedacht. Schon die sechzehn nach der Vorrunde in Russland ausscheidenden Mannschaften erhalten je 8 Millionen Dollar. Die Finalisten hingegen können mit einer Zahlung von etwa 70 Millionen Dollar rechnen. Gelder, die aus Werbeverträgen, Fernsehrechten und Sponsorings zusammenkommen.
Nicht nur, dass diese hypothetische Summe den Italienern – für den Fall, sie hätten das kommende WM-Endspiel erreicht – verloren geht, auch im Inland wird das Ausscheiden deutliche Folgen haben. Voraussichtlich wird der nationale Fußballverband FIGC erhebliche Werbeeinnahmen verlieren. Ein Vertrag mit der Gruppe Infront sah für eine vierjährige Periode eine jährliche Zahlung von 14,25 Millionen Dollar vor, dazu sollte FIGC vom Hauptausrüster der Mannschaft Puma bis 2022 – der WM in Katar – jährlich 18,7 Millionen kassieren. Derzeit sind zudem noch 21 weitere Sponsoren bis 2022 involviert, von denen etliche nach dem Debakel abspringen dürften.
Verluste auch beim Fernsehen
Mühevoll hatte das staatliche Fernsehen RAI die Übertragungsrechte vom Privatanbieter Sky zurückgewinnen können, wenngleich im Tausch gegen die Übertragungsrechte für die Olympischen Spiele. Man erhoffte sich erhebliche Werbeeinnahmen, denn zur WM 2014 sahen in Italien durchschnittlich 8 Millionen Zuschauer die Qualifikationsspiele und schließlich je 17,7 Millionen die Spiele der Endrunde. Summarisch aufgelistet nahmen 1,2 Milliarden Zuschauer für 42 Stunden am Fernsehspektakel Fußballweltmeisterschaft teil – eine enorme Werbezielgruppe und entsprechend honoriert. Dies dürfte nun deutlich weniger werden.
Italiens Fußball im Niedergang
Das Debakel der Nationalelf kündigte sich bereits im nationalen Fußball an. Die Vereine von Serie A bis zum Amateurfußball befinden sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Drei Erstligaklubs (AS Rom, Inter und AC Mailand) sind inzwischen in amerikanischem oder chinesischem Besitz.
Auf allen Ebenen wirkt die Mafia im Fußball mit und wäscht in den Vereinen schmutziges Geld. Damit werden mit riesigen Summen ausländische Stars eingekauft, während die eigene Nachwuchsförderung jedoch vernachlässigt wird. So steht Serienmeister Juventus im Verdacht, mit der ’Ndrangheta Geschäfte zu machen, der gegenwärtige Tabellenführer SSC Neapel hingegen soll mit der Camorra im Geschäft sein. Hinzu kommt, dass nationalistische und rassistische Aktionen der Ultras in den Stadien zu starkem Rückgang der Besucherzahlen führten. Auch hier bahnt sich ein wirtschaftliches Debakel an.
Von unserem Korrespondenten Wolf H. Wagner
De Maart
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