FußballDamen-Nationaltrainer Dan Santos: „Sie fordern mehr Trainingseinheiten, Begegnungen und Gerechtigkeit“

Fußball / Damen-Nationaltrainer Dan Santos: „Sie fordern mehr Trainingseinheiten, Begegnungen und Gerechtigkeit“
Die Frauen-Nationalmannschaft will einen Platz in der Gesellschaft  Editpress

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Dan Santos will in den nächsten Monaten auf zwei Baustellen gleichzeitig angreifen: Der neue Damen-Nationaltrainer will nicht nur auf dem Platz sichtbare Fortschritte erzielen, sondern auch das Image der Frauenelf aufpolieren. Im Interview mit dem Tageblatt erklärte der 38-Jährige, mit welchen Mitteln er diese Ziele erreichen will. 

Tageblatt: Sie haben nach der Station als Co-Trainer von Manuel Cardoni eine neue Herausforderung bei der FLF angenommen. Wie lange überlegt man, bevor man so ein Angebot annimmt?

Dan Santos: Ich habe etwas Bedenkzeit gebraucht. Immerhin ist es eine große Veränderung – und trotzdem: Fußball bleibt Fußball. Was sich ändert, ist das Umfeld. Der Frauenfußball ist weniger anerkannt, als das bei den Männern der Fall ist. Mittlerweile wird aber bekanntlich überall mehr von Gleichberechtigung gesprochen. In der einstigen Männerdomäne haben Frauen inzwischen ihren Platz. Das WM-Finalspiel in Frankreich haben mehr Menschen per Livestream verfolgt als das Champions-League-Finale der Herren – wohl vor allem, weil es in den USA einen richtigen Boom gibt. In Luxemburg ist der Frauenfußball aber noch nicht populär genug.

Welche Argumente sprachen für den Einstieg in den Frauenfußball?

Es gab nicht unbedingt Argumente, die dafür- oder dagegensprachen. Ich habe mir die Frage gestellt, ob ich wieder einen Verein trainieren möchte oder in diesem Fall ein neues Projekt auf einem weißen Blatt beginnen könnte. Der Reiz ist, fast bei null starten zu können, um etwas aufzubauen. Die Nachfrage war da, immerhin geht es um rund 160 junge Mädchen und Frauen. Sie fordern mehr Trainingseinheiten, Begegnungen und Gerechtigkeit. Der Wille ist da – und das ist die gute Basis. Ich habe bereits sehr viel positives Feedback von Spielerinnen, Trainern und Vereinen bekommen.

Die FLF hat Sie als Nationaltrainer und Koordinator des Frauenfußballs vorgestellt. Welche Unterstützung erhalten Sie vom Verband?

Es ist vielleicht nur ein kleines Detail, aber wir haben in der vergangenen Woche neue Trainingskleidung und Trikots in Auftrag gegeben. Bisher erhielten die Damen eher das Material, das noch von den anderen Teams übrig geblieben war. Jetzt soll man die Frauen gleich an ihren eigenen Trikots erkennen. Es sind diese kleinen Dinge, die den Unterschied machen. Wenn sich die Spielerinnen gerecht behandelt fühlen und keine Beschwerden haben, kann mehr Zeit in den Fußball investiert werden. 

Zudem haben Sie Ihren Trainerstab selbst zusammensetzen können. Wie sieht das Team aus?

Der Trainerstab soll zunächst aus fünf Personen bestehen. Sollte es notwendig sein, kann im Dezember noch einmal darüber diskutiert werden, einen zusätzlichen Trainer einzustellen. Es wird für alle Jahrgänge (von der U12 bis zur A-Mannschaft) mindestens zwei Trainingseinheiten pro Woche geben. Es wurde beschlossen, dass die Damen jetzt auch in Monnerich trainieren können, neben den zwei anderen Standorten Beggen und Pfaffenthal. Meine Co-Trainerin ist Cristina Correia, Jean-Marie Noël bleibt Torwarttrainer. Zudem steht uns jetzt mit Kevin Rutare ein Athletiktrainer zur Verfügung. In dieser Woche finden noch einige Gespräche mit Kandidaten für den letzten Posten statt. 

Wie befinden uns mit kleineren Nationen im letzten Drittel. Wir können es aber schnell schaffen, zur Mitte aufzuschließen – und uns ohne Furcht für eine EM-Qualifikation anmelden. Aber so weit sind wir noch nicht. 

Dan Santos, Damen-Nationaltrainer

Zum Stand der Dinge: Wie würden Sie den aktuellen Zustand des Luxemburger Damenfußballs beschreiben?

Es besteht ein großes Loch. Wir stehen jetzt in etwa an der Stelle, an der sich die Herren vor rund zehn Jahren befanden. Damals hatte noch keine Nation Respekt vor den „Roten Löwen“. Die Frauen können im Moment noch nicht mit internationalen Mannschaften mithalten. Natürlich geht es deshalb darum, langfristig etwas aufzubauen. Aber auch mittelfristig sind Ziele realistisch. Ich würde den aktuellen Frauenfußball in drei Klassen aufteilen. Ganz oben stehen die Topteams wie die USA, Deutschland oder Frankreich. Dann gibt es eine zweite Klasse mit Teams, die viel in die Frauen investieren. Wir befinden uns mit kleineren Nationen im letzten Drittel. Wir können es aber schnell schaffen, zur Mitte aufzuschließen – und uns ohne Furcht für eine EM-Qualifikation anmelden. Aber so weit sind wir noch nicht. 

Sie haben einen Vertrag über zwei Jahre unterschrieben. Was wollen Sie in dieser Zeitspanne erreichen?

Wir stehen im Moment auf Platz 119 der Weltrangliste. Wir wollen es spätestens dann in die Top 100 schaffen. Mit regelmäßigen Trainingseinheiten und mehr Begegnungen gegen Mannschaften, die knapp vor uns liegen. In Zukunft sollte der Weg dann in die Top 60 führen. Wir wollen mehr trainieren und uns in allen Bereichen verbessern. Das ist auch der Grund, warum wir einen Athletiktrainer eingestellt haben. Dort hinken wir hinterher. Zudem ist es mir wichtig, dass wir in zwei Jahren einen Platz in der Gesellschaft eingenommen haben. Ich habe gehört, dass den Frauen bisher kein „Congé sportif“ zustand. Dem werde ich auf den Grund gehen. Zudem wollen wir einen sehr vielversprechenden U17-Jahrgang voranbringen. Die UEFA plant, ebenfalls bei den Frauen eine Nations League einzuführen. Das wäre eine gute Sache. Es war richtig, die Mannschaft in diesem Jahr nicht für die EM-Qualifikation anzumelden. Es bringt niemandem etwas, zweistellig gegen Deutschland zu verlieren. Aber wenn wir ab jetzt jeden Monat ein Testspiel gegen einen ausländischen Klub bestreiten, werden wir uns entwickeln und schnelle Verbesserungen sehen. 

Wie soll Ihr A-Nationalkader aussehen?

Ich werde mir zunächst ein Bild über den aktuellen Kader machen. Verschiedene Spielerinnen werden dazustoßen, möglicherweise fallen ein paar weg. Idealerweise sollten es am Ende rund 30 Frauen sein – die über die nötigen Qualitäten, aber vor allem über die richtige Einstellung verfügen. Das ist manchmal wichtiger als alles andere. Ich empfinde es als Vorteil, dass ich nur rund 20% der Spielerinnen kenne. Ich bin also absolut nicht voreingenommen und werde eine neue Ära beginnen. Ich würde es nicht unbedingt eine Revolution nennen, aber was vorher war, ist jetzt vorbei. Wer dieses Trikot in Zukunft tragen will, muss es sich verdienen. Wer keine Lust zum Trainieren hat, den brauche ich nicht.

Und der konkrete Plan?

Anfang August werden wir richtig loslegen, mit zwei Einheiten pro Woche. Bis zu den Sommerferien habe ich noch viel vor. Ich werde die Vereinstrainer treffen sowie einzelne Nationalspielerinnen. Es soll ebenfalls kleinere Einheiten geben, damit ich besser sehe, wo wir gerade stehen. Ich denke, die Mädchen hatten jetzt ausreichend Pause und brennen alle darauf, wieder loszulegen. 

Sie haben die U17 angesprochen. Wie sieht es um die zukünftigen Jahrgänge aus?

Die U17 werden wir für die EM-Qualifikation anmelden sowie für das ETT (European Talents Tournament). Es ist eine gute Generation, die wir fördern müssen. Den Hebel müssen wir bei der Jugend ansetzen. Wie es um die Jüngeren steht, weiß ich selbst noch nicht. Es sind laut den Dokumenten von meinem Vorgänger Samy Smaïli etwa insgesamt 160 Frauen und Mädchen. Die Quantität ist also vorhanden, weswegen ich optimistisch bin, dass die Qualität es ebenfalls ist. 

Was ändert sich für Sie als Coach, wenn es jetzt darum geht, ein Frauenteam zu leiten?

Absolut gar nichts. Ich habe meine Erfahrungen gesammelt und einige Spiele gesehen. In Gesprächen mit Vereinstrainern gab es immer die gleiche Schlussforderung: Es ändert sich nichts. Bei einem UEFA-Symposium habe ich Kris Van der Haegen kennengelernt. Er ist Co-Trainer der belgischen Damenauswahl und für die dortigen Trainerlizenzen zuständig. Er hat mir damals gesagt, dass alle Coaches ihre Erfahrungen mit Frauenmannschaften sammeln sollten. Als er gehört hatte, dass ich diesen Posten übernommen habe, hat er mir gleich geschrieben. Er ist überzeugt, dass es für jeden Trainer ein Bonus sein kann: Frauen fordern viel mehr und hinterfragen Entscheidungen und Anweisungen. Sie wollen wissen, warum man etwas macht. Da muss man also stets gut vorbereitet sein.

Steckbrief

Dan Santos
Geboren am 14. September 1981
Stationen als Spieler: Rümelingen, Käerjeng, Mondorf, Beles
Trainerstationen: Beles, Avenir Beggen, RM Hamm Benfica, seit 1. Juli 2019 Co-Trainer bei der U21 und U19