Der Rückblick
Sonntagmittag, 15.50 Uhr. Rund um die Hesperinger Kabine macht sich Hektik breit. Auf dem Rasen bekommt man davon zunächst allerdings nichts mit. Erst später wird den Zuschauern klar, warum Sportdirektor Ebrahim Bouazzati noch ein paar zusätzliche Minuten herausschlagen wollte: Unter der Tribüne brodelte es. Doch die Entscheidung war längst gefallen: Der 18-köpfige Kader des Swift verweigerte kollektiv den Arbeitstag und blieb gegen Mondorf in der Kabine. Selbst die Worte des Präsidenten Fernand Laroche, der offenbar Überzeugungsarbeit leisten wollte, halfen nicht. Zehn Minuten später erklärte der Schiedsrichter Wilmes den BGL-Ligue-Termin für abgesagt. Verdutzte Blicke bei den Zuschauern, viele Fragen bei den Journalisten – doch die meisten Antworten stehen weiter aus. Gegenüber der Presse haben sich weder Spieler noch Vereinsverantwortliche äußern wollen. Auch am Montag herrschte absolute Funkstille – niemand war für Interviews und Erklärungen zu erreichen. Laut Tageblatt-Informationen hatte der Verein bis Mittag noch nicht mit den Spielern kommuniziert.
Das Skandal-Jahr 2024
Schlagzeilen rund um den Verein, in den Flavio Becca seit vier Jahren investiert, stehen 2024 auf der Tagesordnung. Nach einem Spielerstreik im Februar kam im Ende der Saison der nächste Schock: Aufgrund von verspäteten Lohnauszahlungen (Kriterium F.04.1 A) sowie verspäteten Einzahlungen an die Krankenkassen und die Steuerbehörde (F.04.02 A) hatte der Swift keine UEFA-Lizenz für den Europapokal bekommen. Am 1. August wurde der Vertrag von Maurice Deville gekündigt, woraufhin der Spieler gerichtlich gegen Hesperingen vorging. Inzwischen ist auch bekannt, dass Trainer Emmanuel da Costa vor drei Wochen ein Angebot aus Frankreich vorliegen hatte, doch der Klub von Präsident Fernand Laroche stellte sich quer. Mit dem Spielerstreik vom Sonntag erreichte die Swift-Skandalserie ihren vorläufigen Höhepunkt.
Was nun?
Was den Sport angeht, dürfte es keine großen Überraschungen geben. Die Regelbücher der FLF sind klar: Durch den Spieler-Streik wird Hesperingen nun am grünen Tisch drei Punkte an die USM abgeben. Dies dürfte beim Erscheinen des BIO am Freitag offiziell bestätigt werden. Der Meisterzug scheint also inzwischen ohne die Hesperinger abgefahren zu sein. Der letzte Spieltag der Hinrunde findet am Sonntag statt, die Da-Costa-Truppe soll eigentlich um 17.00 Uhr in Niederkorn auflaufen. Option 1: Es wird eine interne Lösung gefunden und das Spiel findet wie geplant statt. Option 2: Eine erneute Spielverweigerung. Laut Statuten darf ein Verein nur einmal pro Saison ein „Forfait“ melden, bei einer Wiederholung ist ein Zwangsabstieg die Konsequenz. Entgegen der ersten Annahme, dass es für den Swift in Richtung 3. Division gehen würde, besagt das FLF-Regelwerk, dass es nur eine Etage nach unten geht. In diesem Fall wäre es demnach die Ehrenpromotion.
Ausstehende Lohnzahlungen
Tageblatt-Informationen zufolge stehen beim Swift Hesperingen zwei Monatslöhne (Oktober und November) aus – und das obschon beide Lohnbescheide verschickt worden sein sollen. Zudem würden Spieler, die bereits in der vergangenen Saison auf dem „Holleschbierg“ unter Vertrag standen, noch auf ihren Lohn vom Monat Juni warten. Auch die vertraglich festgehaltenen Sonderprämien sollen noch nicht ausbezahlt worden sein. Wie es von der FIFA vorgesehen ist, gibt es für die Spieler bestimmte Prozeduren, sollten sie über zwei Monate nicht bezahlt werden. Beim Swift sollen erste Fußballer Anwälte eingeschaltet haben, die nun ihre Löhne einfordern sollen. Nun, da die Bombe geplatzt ist, wird sich die ITM (Gewerbe- und Grubenaufsichtsamt) wohl mit den Zuständen und Arbeitsbedingungen auf dem „Holleschbierg“ befassen.
Für den Großteil der Spieler, die bekanntlich ausschließlich vom Sport leben, handelt es sich um einen enormen finanziellen Einschnitt. In den vergangenen Stunden machte das Gerücht die Runde, dass zwei Spieler ihre Mietwohnung nicht mehr bezahlen konnten. Bereits im vergangenen Winter war der Hesperinger Kader medienwirksam auf die Barrikaden gegangen: Damals waren die Spieler nicht zum Testspiel gegen Mondorf angetreten, da sie auf das Geld von Dezember warteten.
Für Fernand Laroche, den Präsidenten des Vereins, sind schicksalhafte Zeiten angebrochen: Während sich Investor Flavio Becca zu jedem Moment aus dem Klub zurückziehen kann, wird er als Klubchef Lösungen in der Gehälterfrage finden müssen. Und das sind „keine Peanuts“, wie es hinter vorgehaltener Hand heißt.
Die Rechtslage
Welche Konsequenzen könnte der Streik für die Zukunft der betroffenen Fußballspieler haben? Da der Einsatz bei Pflichtspielen (oder Testspielen und sonstigen Aktivitäten des Vereins) vertraglich festgehalten ist, sprich als Aufgabe und Pflicht des Sportlers gilt, kann das Nicht-Erscheinen bei einem Termin oder dessen Verweigerung gravierende Folgen haben. Legal gesehen haben sich die 18 Spieler, die auf dem Spielerbogen standen, mit ihrem Streik angreifbar gemacht und riskieren, dass diese Entscheidung als „faute grave“ gewertet wird. Der Verein könnte die Verträge der betroffenen Spieler dementsprechend auflösen und sie fristlos entlassen.
Die Transferregelungen
Wie es von der FLF vorgesehen ist, darf jeder Verein im Winter zwei Feldspieler (und einen Torwart) verpflichten. Sollte Hesperingen die Verträge mit einigen Akteuren auflösen, würden diese also möglicherweise recht zügig neue Arbeitgeber finden können. Im Gegenzug kann sich der Swift allerdings auch nur maximal drei Neuverpflichtungen erlauben.
„Ich will nicht als Söldner dastehen“
Einer, der keine Probleme damit hat, die Zustände beim Swift Hesperingen öffentlich an den Pranger zu stellen, ist Clément Couturier. Der ehemalige Ersatzkapitän war im Februar vom Verein als einer der Sündenböcke und Initiatoren des ersten Streiks ausgemacht worden. Die Konsequenz: Er stand wochenlang nicht im Kader. „Ich warte noch immer auf meine Gehälter vom März und Juni. Ich will nicht als Söldner dastehen, aber wie alle anderen Menschen auch muss ich meine Familie ernähren und bestehe darauf, bezahlt zu werden. Ich habe mich immer vorbildlich verhalten und alle Forderungen erfüllt. Es ist absolut normal, seinen Lohn zu erhalten – selbst bei Niederlagen.“ Laut dem Nationalspieler Madagaskars sei es für den Verein schon im Februar wichtiger gewesen, Schuldzuweisungen zu machen, statt das Problem zu beheben. „Ich denke, dass es auch diesmal ein kollektiver Entschluss gewesen ist. Ich muss zugeben, dass mich die Nachricht überrascht hat, aber wundern tut sie mich nicht.“ Zumindest er scheint sein Glück beim FC Villefranche gefunden zu haben: Im Sommer verließ er den Swift Hesperingen: „Seitdem blühe ich wieder auf.“
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