Die Kampfansage an McLaren schallte schon durch das Formel-1-Fahrerlager in Abu Dhabi, bevor beim Saisonfinale überhaupt die ersten Runden gedreht waren. „Ferrari hat schon immer gerne eine Herausforderung angenommen“, sagte Teamchef Frederic Vasseur – der Franzose will mit seiner Scuderia zum ersten Mal seit 16 Jahren einen WM-Titel nach Maranello holen. Eine Mammutaufgabe, schließlich brauche es „ein perfektes Wochenende“.
21 Punkte trennen seine Schützlinge Charles Leclerc und Carlos Sainz von McLaren auf Platz eins. In den letzten beiden Grand Prix hatten sie Lando Norris und Oscar Piastri immerhin 15 Zähler abgeknabbert. Und Vasseur gibt sich angriffslustig: „Charles, Carlos und das gesamte Team sind bereit, mit aller Kraft um den Titel zu kämpfen.“
Ein Kultduell
Sainz, der in Abu Dhabi sein letztes Rennen als Ferrari-Pilot fährt, will sich mit der WM verabschieden. „Ich würde gerne mit einem Sieg dazu beitragen. Aber wir brauchen beide Autos auf dem Podium“, sagte der Spanier. Ein Doppelsieg sei „ideal“. Selbst dann ist der Ferrari-Triumph aber nicht in Stein gemeißelt. McLaren könne es sich leisten „Dritter und Vierter zu werden, oder sogar noch schlechter abzuschneiden“, sagte Vasseur.
Wegen des Zweikampfes der beiden Schwergewichte fühlt sich die Königsklasse beinahe wieder in alte – für viele Fans bessere – Zeiten versetzt. Dank epischer Rad-an-Rad-Kämpfe zwischen Niki Lauda und James Hunt, Alain Prost und Ayrton Senna oder Michael Schumacher und Mika Häkkinen ist das Duell Ferrari gegen McLaren Kult.
Richtig eng wurde es zuletzt 2008. Damals gewann Lewis Hamilton nach einem dramatischen Rennen die Fahrer-WM vor Ferraris Felipe Massa. In Maranello musste man sich mit Platz eins in der Konstrukteurswertung zufriedengeben – es folgten aber noch viel härtere Jahre. Dass Ferrari nun „zum ersten Mal in der Hybrid-Ära“ – also seit 2014 – um die WM kämpft, ist für Vasseur „an sich schon ein großer Erfolg“.
Auch im McLaren-Lager, das den Konstrukteurstitel zuletzt 1998 feiern durfte, hebt man die eigene Entwicklung hervor. Dass der Traditionsrennstall auf Platz eins steht, wäre „vor zwölf Monaten“ noch „undenkbar“ gewesen, sagte Teamchef Andrea Stella.
Den Job zu Ende bringen
Auch Piastri ist „zuversichtlich“ und sieht McLaren „in einer guten Position“. Zwar werde es „zwischen den Topteams ein enges Rennen“, der Fokus liege „aber nur auf uns“, sagte er. Teamkollege Lando Norris, der bis vor zwei Rennen noch im Titelkampf mit Max Verstappen steckte, will McLaren nun wenigstens die Konstrukteurs-WM bescheren. „Jetzt müssen wir da rausgehen und den Job zu Ende bringen“, sagte der 25-Jährige.
Überhaupt sei Norris’ Saison „definitiv eine“, die er „nie vergessen werde“. In Abu Dhabi muss er noch einen Acht-Punkte-Vorsprung vor Leclerc für die Vize-Weltmeisterschaft der Fahrer verteidigen.
Spannung ist im Duell Ferrari vs. McLaren im Qualifying am Samstag (15.00 Uhr) und Grand Prix am Sonntag (14.00 Uhr/beides RTL Zwee) also einmal mehr garantiert.
Hamilton: „Habe es unterschätzt“
Formel-1-Rekordweltmeister Lewis Hamilton hat Fehler im Umgang mit seinem Wechsel von Mercedes zu Ferrari eingestanden. „Ich hatte erwartet, dass es schwierig wird, aber ich habe es insgesamt unterschätzt. Es hat gedauert, bis die Leute darüber hinweg waren“, sagte der 39-Jährige vor seinem letzten Rennen im Silberpfeil am Sonntag in Abu Dhabi zur Resonanz auf seinen damals überraschenden Schritt: „Ich werde mich nicht entschuldigen, aber dieses Jahr war eines der schwierigsten in Bezug darauf, wie ich mit so einer Situation umgegangen bin.“ Der Brite hatte schon zu Beginn des Jahres seinen Transfer zur Scuderia verkündet. „Es war komisch von Anfang an“, sagte der Routinier zur Situation in seinem Team ab dem Tag nach Bekanntwerden des Transfers. Zwölf Saisons lang fuhr Hamilton insgesamt für Mercedes und holte in dieser Zeit sechs seiner sieben Fahrertitel. Im Ferrari will er 2025 einen neuen Anlauf nehmen, um alleiniger Rekordchampion zu werden. Noch liegt er nach gewonnenen Weltmeisterschaften gleichauf mit Michael Schumacher. „Es ist ein Traumszenario für jeden Fahrer, so eine Möglichkeit zu haben“, sagte Hamilton zur Chance bei den Italienern. In Abu Dhabi erlebt Hamilton nun emotionale Tage. „Man sitzt da und realisiert: Das sind die letzten Momente mit dem Team. Es ist schwer, dieses Gefühl zu beschreiben. Ich bin insgesamt sehr stolz auf das, was wir als Team erreicht haben“, sagte er. Ihm würden die positiven Dinge in Erinnerung bleiben. „Es ist das Lachen, als wir Erfolg hatten“, antwortete Hamilton auf die Frage, woran er in der Zeit bei Mercedes zuerst denkt. (dpa)
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