Eike Schröders Leidenschaft fürs Laufen war, wie bei vielen passionierten Läufern, keine Liebe auf den ersten Blick. „Es ist schon irgendwie witzig. Aber in der Schule mochte ich das Laufen überhaupt nicht.“ Der heute 31-jährige, in Dresden geborene Schröder schaut auf eine schwierige Kindheit zurück. „Ich war oft im Ausland in Schulen, weil hier kein Platz für mich war. Ich muss zugeben, dass ich ein ganz schwieriges Kind war. Ich bin gar nicht stolz darauf. Ich war äußerst kompliziert, heute ist das jedoch ganz anders.“ Erst in der Grundschule in Reuler und in der Ediff in Clerf bekam der im Norden lebende Jugendliche seine psychologischen Probleme in den Griff. So schaut er gerne auf diese Periode zurück. „Es waren schöne Zeiten in Clerf. Noch heute habe ich viel Kontakt zu den ehemaligen Schulkameraden.“ Über diese Freunde fand er dann auch den Weg zu Special Olympics, wo er sich sportlich austoben konnte und zu seiner inneren Ruhe fand. „Ich hörte von den Aktivitäten von Special Olympics. Diese interessierten mich wegen der Sportangebote und der möglichen Auslandsreisen. Zum Reisen war ich damals noch zu jung, aber zweimal die Woche nahm ich in Reuler am Fußball- und Generaltraining teil.“
Es ist schon irgendwie witzig. Aber in der Schule mochte ich das Laufen überhaupt nicht.
Anfänglich konzentrierte sich Eike Schröder aufs Schwimmen und den Fußball. Bereits im Jahr 2011 erlebte er in Athen dann seine ersten Weltspiele mit den Fußballern. Mit dem Sprung in die Arbeitswelt klappte es zeitlich jedoch nicht mehr für eine Teilnahme an den Trainingseinheiten in Reuler. „Also sagte ich mir, halte dich ein wenig fit und gehe zum Lauftreff nach Ettelbrück. Auch wenn es nicht dein Lieblingssport ist. So bin ich im September 2011 Mitglied des ‚Laftreff’ geworden. Die Leidenschaft ist dann irgendwann später ganz von selbst gekommen.“ Ein erster Anreiz waren die Weltspiele von Special Olympics in Los Angeles im Jahr 2015 und so startete Schröder im März 2013 erstmals in Diekirch beim gemeinsamen Halbmarathon-Projekt der Special-Olympics-Laufgruppe. „Die Zeit von 2:15 Stunden zeugt davon, dass ich damals noch ein Amateur war. Aber dieses Rennen hat meine Ambitionen merklich gesteigert.“

Erster Marathon 2018
In LA beendete der Special-Olympics-Athlet den Wettbewerb über die 3.000-Meter-Strecke auf Rang vier, aber im Halbmarathon lief es besser. Schröder klassierte sich als Siebter und gewann sogar Bronze in seiner Leistungsklasse. Dennoch hat er auch heute nur Gedanken für seinen Trainingspartner Ronny Kontz, der in Long Beach Gold gewann. „Ronny ist dort seine Bestzeit gelaufen. Respekt für seine Leistung, ich war richtig froh über sein Ergebnis. Es geht nicht nur um mich, Freunde und Kollegen sind enorm wichtig und Ronny hatte die größere Aufmerksamkeit verdient.“
Vier Jahre später wurde Eike Schröder schließlich zum doppelten Goldmedaillengewinner in Abu Dhabi. Das Erlebte bei diesem Mega-Event spornte den Küchengehilfen in den Ateliers der APEMH in Parc Hosingen noch weiter an. Nach der erzielten Bestzeit im Halbmarathon beim Osterlauf 2018 in Paderborn (1:24 Stunden) wagte er sich noch im gleichen Jahr an die Marathondistanz heran. „Ich wollte meine Grenzen austesten, das mache ich heute noch immer so. Der Start war eher chaotisch, denn ich kam direkt von der Toilette, wo ein Riesenandrang war, und musste über die Absperrungen springen, weil der Start schon gegeben war. Der Lauf an sich war einfacher als gedacht. Die Strecke war flach und obwohl es kalt und windig war, hatte ich keine Probleme. Für eine Premiere gar nicht mal so schlecht.“ In 3:12 Stunden erzielte er eine ausgezeichnete Marathonzeit und wurde zum Vorbild für die anderen Läufer von Special Olympics in Luxemburg.
Schröder übernimmt seither auch eine Rolle als Hilfstrainer und leitet inzwischen öfters das Aufwärmprogramm. Der Laufspezialist, der sich seit mehr als zehn Jahren vegetarisch ernährt, sieht sich in Zukunft gerne in dieser Rolle. „Es bedeutet mir viel, meine gesammelten Erfahrungen an die anderen Läufer weitergeben zu können. Es ist ein schönes Gefühl, mein Erlerntes und Erlebtes zu teilen. Ich sehe mich definitiv später in einer Trainerrolle, aber zuerst muss ich meine eigenen Grenzen finden.“ Und diese scheint er noch keineswegs erreicht zu haben.
Neue Grenzen austesten
Der tragische Tod einer Special-Olympics-Sportlerin motiviert Eike Schröder nämlich, sich in Richtung Ultratrail zu orientieren. „Ich hatte eigentlich nie an solch extreme Strecken gedacht und hatte immer Respekt vor diesen Sportlern.“ Die Pandemie hinderte ihn daran, bereits 2020 sein Versprechen einzulösen. „Während dieser Zeit, ohne gemeinsames Training und Arbeit, bin ich planlos und ziellos umhergelaufen. Ich brauchte einfach Bewegung und musste aktiv bleiben.“ Eine Verletzung warf seine Pläne ein zweites Mal über den Haufen. So startete Schröder seine Mission Trail-Laufen im Februar 2023 beim Eurotrail in Diekirch und steigert die Distanzen von Rennen zu Rennen. Beim Waletrail meisterte er schon 30 Kilometer und 1.500 Höhenmeter. „Das schwierigste Rennen, das ich je gelaufen bin, denn es gab kein flaches Stück. Hier habe ich viel gelernt, über die spezielle Lauftechnik und dass man Stöcke für solche Rennen braucht.“
Noch im selben Jahr lief er 35 Kilometer beim Müllerthal-Trail und meisterte seinen ersten Ultratrail mit 57 Kilometern beim Uewersauer-Trail in sieben Stunden. „Ich wollte dieses Jahr noch einen weiteren Schritt nach vorne gehen und mich auf ein anderes Level bewegen und die 75 Kilometer im Müllerthal angehen. Die Vorbereitung war schwieriger als der Lauf selbst. Ich trainiere viel bei mir zu Hause in der Umgebung von Kautenbach, Büderscheid, Wiltz und Bastogne. Die Auswahl an Strecken ist hier enorm, gut, dass ich in einer hügligen Gegend wohne.“ Der Zieleinlauf war dann auch sehr emotional. Für den Inklusionsläufer, wie er sich gerne selbst bezeichnet, hatte man das Siegerband ausgebreitet. Eike Schröder empfand es wie einen Ritterschlag, die Medaille aus den Händen von Simone Kayser, dreifache Siegerin des „Marathon des Sables“, zu erhalten.
Neues Zeitalter für Inklusion
Aber Eike Schröder will sich keineswegs mit dem Erreichten zufriedengeben und hat noch einiges vor. „Bei dem Start am frühen Morgen konnte ich zuerst den Sternenhimmel, dann einen schönen Sonnenaufgang bewundern. Dies hat mir so viele Glückshormone geschenkt. Ich habe die 75 Kilometer gut verkraftet und plane, als Nächstes die 111 Kilometer auszuprobieren. Ich habe meine Grenzen noch nicht voll ausgetestet.“
Lasst uns ausprobieren, was wir können, denn wir können viel mehr als man allgemein glaubt und uns zutraut
Der zielstrebige Läufer empfindet Special Olympics wie seine zweite Familie und hofft, dass er mit seinen Leistungen etwas bewegen kann. „Der erhaltene Preis von sportspress.lu bedeutet eine große Anerkennung für mich, aber ich stehe im Mittelpunkt für alle anderen Sportler von Special Olympics. Ein neues Zeitalter für Inklusion fängt an. In Zukunft soll dies andere inspirieren und motivieren, an ihre Limits zu gehen. Diese Message gilt auch für die Coaches, uns zu helfen und jene zu fordern und vorzubereiten, die sich nicht trauen. Lasst uns ausprobieren, was wir können, denn wir können viel mehr als man allgemein glaubt und uns zutraut.“
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