Dopingfall Contador: Experten glauben an Eigenblut-Doping

Dopingfall Contador: Experten glauben an Eigenblut-Doping

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

RADSPORT- Die Anti-Doping-Experten glauben Alberto Contador kein Wort und treiben den dreimaligen Toursieger mit weiteren belastenden Indizien in die Enge.

(aktualisiert 14:54 Uhr)

Die positive Dopingprobe des kleinen Bergkönigs ist für eine Reihe von namhaften Wissenschaftlern lediglich das Ergebnis einer Eigenbluttransfusion. So könnte Contador zum Verhängnis werden, dass bei der Analyse in Köln offensichtlich auch Spuren von kunststoffähnlichen Resten gefunden worden sind. Und auch der Radsport-Weltverband UCI sieht sich im Zuge des ausufernden Skandals immer mehr dem Verdacht der Günstlingswirtschaft ausgesetzt.

„Verunreinigtes Essen? Wenn das Datum stimmt, ist es wahrscheinlicher, dass Alberto Contador den Landis gemacht hat und womöglich beim Eigenblut-Doping unvorsichtig gewesen ist“, mutmaßt der dänische Anti-Doping-Fachmann Rasmus Damsgaard und hat für die abenteuerliche Geschichte vom ominösen Stück Kalbsfilet aus Spanien genauso wie sein deutscher Kollege Werner Franke nur ein müdes Lächeln übrig. „Das ist ja fast schon eine Komödie“, sagte der Heidelberger Molekularbiologe dem SID.
Demnach könnte der dreimalige Toursieger Contador vor der Dopingprobe Eigenblut reinfundiert bekommen haben, das ihm Monate zuvor entnommen worden war. „Zu dieser Zeit war vermutlich Clenbuterol in seinem Körper“, sagte Damsgaard und ergänzte: „Eine andere Erklärung wäre, dass im Labor bei der A- und B-Probe Fehler gemacht worden sind. Das ist aber schier unmöglich.“

Damsgaards Version wird von Informationen der französischen Sporttageszeitung L’Equipe untermauert. Die Wissenschaftler in Köln sollen bei der Analyse von Contadors Dopingprobe auch Spuren von sogenannten Weichmachern, auch Diethylhexylphthalat genannt, wie sie nach Bluttransfusionen häufig zu finden. Diese Rückstände könnten aus einem Plastikbeutel mit Eigenblut stammen. Contador hatte am Donnerstag den positiven Dopingtest auf Clenbuterol, der vom zweiten Ruhetag (21. Juli) der Tour de France in Pau stammt, mit verunreinigtem Fleisch zu erklären verursucht. Er habe ein Stück Kalbsfilet gegessen, das ein Bekannter des Teamkochs aus dem spanischen Irun mitgebracht habe. Dieses sei mit dem Kälbermastmittel Clenbuterol verunreinigt gewesen.

Auch der deutsche Dopingexperte Prof. Fritz Sörgel traut der Version Contadors nicht. „Man sollte meinen: So dumm kann man gar nicht sein, sich mit Clenbuterol zu dopen. Es hat eine Halbwertszeit von etwa 35 Stunden – und ist also mit den heutigen Methoden noch mindestens eine Woche nach der Einnahme nachweisbar“, sagte Sörgel der Süddeutschen Zeitung: „Ich denke ganz einfach, dass die Dopingszene weniger professionell ist als die meisten Leute annehmen. Denn die meisten Dopingskandale haben eines gezeigt: Die Sportler testen alles an sich aus. Was ihnen hilft, nehmen sie. Bei den Sportlern auf Intelligenz und Rationalität zu setzen – das mache ich schon lange nicht mehr.“ Franke hält es ohnehin schon für einen großen Skandal, dass der dreimalige Toursieger nicht schon im Zuge der Operacion Puerto um den spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes aus dem Verkehr gezogen wurde: „Die Unterlagen aus der Operacion Puerto liegen mir vor.

Auf Blatt Nummer 32 steht alles drauf, was Alberto Contador genommen hat. Das waren hauptsächlich Insulin- und Wachstumspräparate.“ Deswegen glaube er der UCI auch kein Wort mehr. „Dass die UCI sagt, sie hat die Unterlagen nicht, ist eine glatte Lüge. Ich habe die Sachen nämlich aus einem Rechtsstreit, an dem die UCI beteiligt war. Sie muss die Unterlagen also haben“, sagt der 70-Jährige und stellt die Frage, warum der Fall erst jetzt an die Öffentlichkeit gelangt. Die UCI will sich indes zu dem Fall vorerst nicht mehr äußern.

Der von Contador beauftragte Wissenschaftler Dr. Douwe de Boer dagegen schon. Der Niederländer bemängelte in seiner Expertise das viel zu empfindliche Testverfahren der Kölner Kollegen, da der bei Contador festgestellte Wert von 50 Pikogramm an Clenbuterol 180-mal unter dem Wert liege, der erst eine Leistungssteigerung ermögliche.
De Boer zeigte dabei eine lange Liste von Beispielen auf, in denen Lebensmittel mit Clenbuterol kontaminiert sind. Rückhalt erfährt Contador indes aus dem Radsport-Lager und aus seiner Heimat. „Ich hoffe, dass er unschuldig ist“, sagt Rivale Andy Schleck und sein Ex-Teamchef Johan Bruyneel – nach all den Verdächtigungen gegen ihn fast schon ein Leidensgenosse – pflichtet bei: „Ich glaube ganz stark daran, dass er das Opfer einer Lebensmittelverunreinigung war.“ Auch in Spanien sind bei einer Internetumfrage von Marca 78,5 Prozent von der Unschuld ihres Pistoleros überzeugt. Für das Blatt war ohnehin nur das Steak gedopt.
Siehe auch:

Radsport: Doppelter Dopingschock (30.09.2010)

Andy Schleck: „Ich hoffe, er ist unschuldig“ (30.09.2010)

Tour-de-France-Sieger Contador: Habe verseuchtes Fleisch gegessen (30.09.2010)
Aus Italien gab es dagegen kritischere Stimmen. „Um Alejandro Valverde zu stoppen, musste Italiens Olympisches Komitee CONI eingreifen, weil man in Spanien so tat, als wäre nichts. Jetzt fällt Contador ins Netz der Anti-Doping-Kontrollen“, schrieb Tuttosport und auch der Corriere dello Sport erinnert an Contadors Verbindung zu Fuentes: „Es ist kein Blitz aus heiterem Himmel. Schon 2006 war Contador in die Operacion Puerto geraten, die zur Festnahme seines Sportdirektors Manolo Saiz geführt hatte.“ 

SID