Freitag7. November 2025

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Ski alpinDie unwahrscheinliche Nervenstärke von Johannes Strolz

Ski alpin / Die unwahrscheinliche Nervenstärke von Johannes Strolz
Johannes Strolz holte Gold in der Kombination und Silber im Slalom Foto: Michael Kappeler/dpa

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Johannes Strolz sicherte sich am Mittwoch hinter Sieger Clément Noël überraschend die Silbermedaille im olympischen Slalomrennen. Strolz, Ende letzter Saison noch aus Österreichs Weltcup-Kader gerutscht, hatte zuvor schon Gold in der Kombination gewonnen. 1988 war dies auch seinem Vater Hubert in Calgary gelungen.

„Man braucht nicht unbedingt Gold, um berühmt zu werden. Man muss ein Typ sein“, hatte Marc Girardelli am Vortag in einem Interview mit dem Tageblatt gesagt. Genau so einer ist der 29-jährige Johannes Strolz. Nie wird er an die Erfolge des achtfachen Gesamtweltcupsiegers Marcel Hirscher anknüpfen, aber der gratulierte gestern begeistert: „Das ist eine unfassbar tolle Geschichte. Wahnsinn, ich freue mich riesig mit dir.“ Eine Geschichte, die eigentlich zu gut ist, um wahr zu sein.

Nie aufgegeben

In den zweiten Lauf des olympischen Slaloms startete Strolz gestern mit einem hauchdünnen Vorsprung auf die beiden Norweger Sebastian Foss-Solevaag und Henrik Kristoffersen. Wahrscheinlich waren viele Österreicher vor dem Bildschirm aufgeregter als der Sportler selbst. Am Ende musste er sich nur dem Franzosen Clément Noël geschlagen geben. „Ich war überraschend wenig nervös. Ich glaube, dass ich zurzeit sehr viel Freude am Skifahren habe.“

Die kann er auch haben, denn noch vor vier Monaten war ein Olympiastart utopisch. Sein Skifahren hing am seidenen Faden. Vor genau einer Woche gewann er dann so klar wie überraschend die Kombination und meinte gestern entspannt: „Ich habe mich einfach auf meine Sachen konzentriert. Gold habe ich schon geholt gehabt, somit habe ich gewusst, egal, was ich mache, ich fahre als Sieger weg.“

Aber der Reihe nach: Im Training gehörte er oft zu den besten Österreichern – aber Strolz war kein Siegertyp. Im Weltcup klappte es einfach nicht. Seit seinem Debüt im Dezember 2013 hatte er bei 61 Starts einzig einen zehnten Platz im Januar 2020 aufzuweisen. Zu wenig für das erfolgsverwöhnte österreichische Team – im letzten Frühjahr wurde er aussortiert.

Aber noch wollte Strolz nicht aufgeben. Die Saisonvorbereitung organisierte er sich selbst – trainierte zum Teil beim deutschen Team. Der Luxemburger Matthieu Osch meinte gestern: „Es freut mich sehr für ihn. Er war wie ich auf sich gestellt, finanzierte den Sport aus seiner Tasche, präparierte seine Ski und fuhr selber mit dem Auto zum Training und Wettkampf. Das zeigt, dass auch der Weg klappen kann. Das gibt Motivation für uns alle.“

Im November trainierte Osch in Lech neben Strolz am Hang und erinnert sich: „Wir haben ihn in meiner Trainingsgruppe gesehen und gesagt, dass er diese Saison vorne dabei sein wird, wenn er auch im Wettkampf so fährt.“ Doch er bereitete sich eigentlich nur auf die interne Qualifikation der Österreicher vor. Er wolle „die Saison nicht auf Biegen und Brechen durchziehen“, sondern danach entscheiden, ob und wie es weitergeht. Der Slalom-Coach Marko Pfeifer urteilte: „Es war sicher das schwerste Rennen seines Lebens. Es hätte auch komplett vorbei sein können. Das war eine mentale Meisterleistung. Solche Sachen entscheidet der Kopf und nicht mehr das Skifahren.“

Wie der Vater, so der Sohn

Strolz schaffte es zurück ins Kaderteam und Anfang Januar dann die Sensation in Adelboden. Mit Startnummer 38 fuhr er vorne mit und qualifizierte sich für Olympia. ÖSV-Cheftrainer Andreas Puelacher musste ihn dann noch lange zu einem Last-Minute-Start bei einer Europacup-Abfahrt überreden, damit er auch in der Kombination starten konnte. Letztlich überzeugte ihn sein Vater Hubert, da er so auch die Eröffnungsfeier und das Flair erlebe. 1988 holte dieser in Calgary selber Kombinationsgold.

Auch in Peking präparierte Strolz seine Slalomski selbst. Nur für die Abfahrt lieh er sich die Latten und den Techniker vom zweifachen Medaillengewinner Matthias Mayer aus. Er schaffte die viertbeste Zeit, lag vor dem Slalom nur 75 Hundertstel hinter drei Speedspezialisten. „Da ging das Kopfkino los mit Goldmedaille, fast schon greifbar nahe. Ich war nicht nervöser als bei einem Weltcuprennen, aber musste mich zusammenreißen, dass ich den Fokus halte“, erzählte er danach. Souverän setzt er sich mit über einer halben Sekunde Vorsprung durch und Marko Pfeifer verneigt sich: „Sehr beeindruckend, wie cool er geblieben ist. Was er in der Saison erreicht hat und mit der Krönung mit dem Olympiasieg, ist wirklich ein Märchen.“

Noch nie hatte ein Vater-Sohn-Duo in der gleichen alpinen Disziplin Gold gewonnen, aber der Vater hatte 1988 auch Silber im Riesenslalom geholt. „Jetzt sind wir gleichauf, Papa“, meinte Johannes gestern grinsend, aber freute sich vor allem, dass er endlich auf großer Bühne hatte zeigen können, was er kann.